Veröffentlicht: 03.04.09
Umweltfreundlich einkaufen

CO2-Bilanz der einheimischen Spargel ist unschlagbar

Spargel aus Übersee hat eine schlechte Ökobilanz. Das wusste man bei Coop schon lange. Dank der Kooperation mit dem Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich liegen jetzt Untersuchungsergebnisse vor, die zeigen, wo es ökologisch sinnvoll ist, das Verkaufssortiment anzupassen.

Meta Lehmann
Spargel ist nicht gleich Spargel - auch ökologisch betrachtet nicht. (Bild: flickr_daAlex)
Spargel ist nicht gleich Spargel - auch ökologisch betrachtet nicht. (Bild: flickr_daAlex) (Grossbild)

Eng in Gummibänder geschnürt stehen die weissen Spargeln im Gemüseregal. Im April kommt Spargel aus Peru. Wer ökologisch denkt, wartet mit dem Spargelmenu bis im Mai, denn die Ökobilanz der einheimischen Ernte ist viel besser als bei den Produkten aus Übersee. Wer sich die Delikatesse nicht verkneifen kann, ist bei Coop mindestens sicher, dass der weisse Spargel mit dem Schiff nach Europa kommt. Dadurch verursacht er rund zwölf mal weniger klimaschädliche Gase als Grünspargel. Diese wird mit dem Flugzeug transportiert, weil ihre Lagerung schwierig ist.

Kooperation von ETH und Coop

Die Ökobilanzrechnung für Spargel und 26 weitere Früchte und Gemüse sowie für diverse Einzelprodukte aus dem Coop-Sortiment hat Franziska Stössel durchgeführt. Die Agronomin arbeitet am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich. Sie hat zum Beispiel ermittelt, wie viel Treibhausgas ein Kilogramm weisse Spargeln während der Produktion, dem Transport und der Lagerung verursacht. Der Effekt wird in so genannten CO2-Äquivalenten ausgedrückt. Jetzt berät Franziska Stössel die Einkäufer bei der Sortimentsoptimierung. Mit der Wahl der Lieferanten und der Transportmittel kann der Ressourcenverbrauch reduziert werden. Gerade bei der Spargel ist das Einsparpotenzial riesig, weil er in grossen Mengen importiert wird. Die Analyse von Franziska Stössel beschränkte sich jedoch nicht auf das CO2-Argument. Weitere Indikatoren für die Umweltverträglichkeit der Produkte sind zum Beispiel der Landverbrauch und der Wasserbedarf.

Wasser wird nach Knappheit gewichtet

Auch diese Indikatoren lassen sich am Beispiel der Spargel illustrieren. Franziska Stössel erklärt: «Spanischer Spargel muss stärker bewässert werden als Spargel in der Schweiz. Denn südlich der Pyrenäen ist das Wasserdefizit, das heisst der Niederschlag minus die Verdunstung, grösser.» In den Berechnungen wird die Wassermenge gewichtet mit dem lokalen «Wert» des Wassers. In trockenen Gebieten wie Spanien ist der Gewichtungsfaktor hoch. Wird das Wasser zur Bewässerung verwendet, fehlt es dem Ökosystem.

Ein Kilogramm Spargel verbraucht mehr Land als beispielsweise Salat. Spargeln sind mehrjährige Pflanzen. Sie halten das Land das ganze Jahr besetzt. Beim Salat kann nach zwei Monaten eine neue Kultur angebaut werden. Der Landbedarf für den Spargelanbau ist zwar überall auf der Welt ungefähr gleich. In der Ökobilanz wird jedoch auch der Landverbrauch für die Transportwege und die Treibstoffproduktion berücksichtigt. Deshalb schneidet hier die Schweizer Spargel ebenfalls viel besser ab als diejenige aus Spanien oder Übersee.

Ökologischeres Sortiment

Brigit Hofer von der Wirtschaftspolitik bei Coop erklärt: «Wir möchten mit Hilfe der Resultate das Sortiment ökologischer gestalten.» Bereits entschieden ist, dass es auf eingeflogenen Grünspargel keine Aktionen mehr gibt. Coop investiert mit den so genannten Kompetenzmarken wie Naturaplan oder Naturaline schon lange in das Image eines verantwortungsbewussten Anbieters. Auch die Zusammenarbeit mit der ETH hat zum Ziel, einen nachhaltigeren Lebensmittelkonsum zu ermöglichen. Sie entstand 2006 als seed-sustainability-Projekt. Seed sustainability nennt sich eine Plattform für studentische Nachhaltigkeitsforschung, die Kooperationen zwischen ETH-Studierenden und hochschulexternen Partnern fördert. Unterdessen läuft die Kooperation zwischen Coop und dem Institut für Umweltingenieurwissenschaften selbständig weiter und wird aus dem Coop Fonds für Nachhaltigkeit finanziert.

Angewandte Wissenschaft

Franziska Stössel bezeichnet die Berechnungen für Coop als Anwendungswissenschaft. Der Auftraggeber wollte wissen, wie stark bestimmte Frischprodukte die Ökosysteme beeinträchtigen. Ihre Arbeit bestand darin, das Datenmaterial zusammenzutragen. Fündig wurde Franziska Stössel unter anderem bei der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüseanbau oder der UNESCO. Den Wasser- und Landverbrauch hat sie mit Methoden gewichtet, die kürzlich an der ETH entwickelt wurden: Die ökologischen Auswirkungen des Wasserverbrauchs hat ein Doktorand am Institut für Umweltingenieurwissenschaften untersucht. Wie stark verschiedene Landnutzungstypen die Biodiversität beeinträchtigen, wurde im Rahmen eines PostDoc Projekts am Institut für Umweltentscheidungen ermittelt.

Öffentliches Ökobilanztool geplant

Die Datensammlung und Evaluation von Franziska Stössel dienen auch als Basis für eine Doktorarbeit am Institut für Umweltingenieurwissenschaften. Doktorand Christopher Mutel entwickelt ein Tool zur möglichst einfachen Berechnung von Ökobilanzen. Die Bilanzierung ist komplex. Neben den Indikatoren wie CO2, Wasser und Landverbrauch gehören beispielsweise die Überdüngung der Böden dazu oder die Menge der krebserregenden Stoffe, die in die Umwelt gelangen. Christopher Mutel untersucht, ob gewisse Ökoindikatoren korrelieren und welche Indikatoren am besten Auskunft über die Gesamtökobilanz geben. Sein Ziel ist, dass mit möglichst wenig Aufwand möglichst präzise Ökobilanzen erstellt werden können. Wenn alles nach Plan läuft, wird das Auswertungs-Tool bis Ende Jahr auf dem Internet öffentlich zugänglich sein.

Laut Franziska Stössel kann man sich beim Einkaufen schon jetzt an folgende Regel halten: «Saisongerechte Produkte aus der Region schneiden in den drei Ökobilanzpunkten CO2-Äquivalente, Wasser und Land bei weitem am besten ab.» Komplizierter wird es, wenn man sich im Winter zwischen einer Tomate aus dem wasserarmen Spanien oder aus einem beheizten Gewächshaus in Holland entscheiden will. Eine «beheizte» Tomate verursacht in Schnitt viermal mehr CO2-Emissionen. Hingegen ist der ökologische Effekt des Bewässerungswassers in Spanien vierzehnmal grösser als in Holland.