Veröffentlicht: 02.04.09
Ausstellungseröffnung

FocusTerra: Ein Turm im Meteoritenhagel

Nach sechs Jahren Planung ist es endlich so weit: Zürich hat ein neues Museum - focusTerra. Die Initianten, Planer und Kuratoren Milena Pika-Biolzi und Peter Brack erzählen, wie es dazu kam und was die Besucher zu sehen bekommen.

Alexandra von Ascheraden
Milena Pika-Biolzi und Peter Brack, Kuratoren der Ausstellung focusTerra. (Bild: Josef Kuster/ETH Zürich)
Milena Pika-Biolzi und Peter Brack, Kuratoren der Ausstellung focusTerra. (Bild: Josef Kuster/ETH Zürich) (Grossbild)

Am Samstag 4. April eröffnet in Zürich ein neues Museum, focusTerra. Was bekommen die Besucher geboten?

Pika-Biolzi: Katastrophenmeldungen über Erdrutsche, Tsunamis und andere Naturkatastrophen haben in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Wie kommt das, und wie kann man sie voraussehen und die Bevölkerung warnen? Was spielt sich im Inneren der Erde ab, wie entstehen Erdbeben? Wie entwickelt sich das Klima? Die Erdwissenschaften geben Antworten auf solche Fragen und all das fliesst in focusTerra ein.

Ein riesiges Themengebiet: Wie haben Sie all das in das Museumskonzept packen können?

Pika-Biolzi: Ursprünglich hatten wir die Idee, dass man mit dem Fahrstuhl vom Mittelpunkt der Erde an die Oberfläche fährt. Immerhin hatten wir rund neun Meter Raumhöhe zur Verfügung. Das zerschlug sich später, weil ein Lift baulich zu viel Platz benötigt hätte.

Brack: Der Aufbau orientiert sich aber noch immer an der Idee. Das unterste Stockwerk befasst sich mit der Dynamik im Erdinnern, das zweite mit den Schätzen der Erde und das dritte mit dem Wissen, das die Erde mit Versteinerungen und Sedimenten an der Erdoberfläche über ihre Geschichte erzählt.

Sie empfangen die Besucher mit einem Meteoritenhagel.

Brack: Ja, die Meteoriten sind so angeordnet, dass der Besucher den Eindruck bekommt in einem wahren Meteoritenhagel zu stehen. Dass wir sie zeigen ist keine nette Spielerei, denn Meteoriten sind Bruchstücke von Kleinplaneten, die sich in einer frühen Phase des Sonnen-Planetensystems bildeten. Sie geben uns wichtige Informationen darüber, wie die Erde entstanden ist.

Pika-Biolzi: Natürlich nehmen wir Rücksicht auf Forschungsschwerpunkte der ETH. Anhand von Projektionen auf einer Erdkugel erfahren die Besucher, wie sich die Gesteinsströme im Erdmantel verhalten, wie Vulkanausbrüche entstehen und wir erklären die Gründe für das Erdmagnetfeld.

Was erwartet die Besucher im ersten Stock, der unter dem Titel «Schätze der Erde» steht?

Brack: Hier haben wir neu eine der schönsten Kristallgruppen der Alpen, die Rauchquarzgruppe von Peter Indergand aus Göschenen. Sie ist das zentrale Stück der Ausstellung. Natürlich präsentieren wir auch zahlreiche Kristalle und Edelsteine aus der bestehenden Sammlung. Und man kann einem riesigen Flechtwerk von Kristallen beim Entstehen zusehen. Davon erhoffen wir uns natürlich regelmässig wiederkehrende Museumsbesucher.

Klimaforschung ist ein hochaktuelles Thema. Sie erklären das im Bereich «Archive der Erde».

Pika-Biolzi: In Sediment- sowie in Eisbohrkernen kann man die Klimageschichte der Erde ablesen und wichtige Erkenntnisse über die zukünftige Entwicklung des Klimas gewinnen. In focusTerra zeigt eine Grafik die Temperatur- und Kohlendioxidkurve der letzten 500 Millionen Jahre. Vier Reliefs illustrieren die Landschaftsentwicklung um die Stadt Zürich während der letzten 10 Millionen Jahre. Umweltveränderungen zeigen wir auch anhand der Evolution der Pflanzen im Laufe der Erdgeschichte. Wenn die Leute in der Vitrine ein versteinertes Palmenblatt sehen, ist ihnen sofort klar, dass es damals hier in Zürich warm gewesen sein muss.

focusTerra wird ausgerechnet in einem neu gebauten Turm mitten in einem historischen Gebäude der ETH eingerichtet. Wie kommt das?

Brack: Im Teilungsvertrag von ETH und Uni von 1905 steht, dass die ETH die riesige erdwissenschaftliche Sammlung aufbewahren und dem Publikum zugänglich machen muss. Ohne adäquate Museumsinfrastruktur war die bisherige geologisch-mineralogische Ausstellung etwas in die Jahre gekommen. Der Gebäudeumbau bot nun die einmalige Gelegenheit, etwas völlig Neues entstehen zu lassen.

Pika-Biolzi: Zürich hat als einzige grössere Schweizer Stadt kein naturhistorisches Museum, was wohl auch damit zu tun hat, dass die naturwissenschaftlichen Sammlungen früh auf die beiden Hochschulen verteilt wurden.

focusTerra steht nicht für sich alleine, es ist in eine Forschungsanstalt eingebunden. Eine Seltenheit.

Pika-Biolzi: Dadurch haben wir Zugang zum aktuellsten Stand der Wissenschaft und können ein lebendiges Museum schaffen. focusTerra soll mehr als eine Ausstellung sein: ein Forschungs- und Informationszentrum. Verschiedenste Fachrichtungen haben Themen der Ausstellung geplant und gestaltet und werden künftig dafür sorgen, dass alles auf dem neuesten Stand bleibt.

Brack: Damit sind nicht nur die erdwissenschaftlichen Professuren gemeint. Wir haben hier im Gebäude auch andere öffentlichkeitsrelevante Institutionen: den Erdbebendienst, die erdwissenschaftliche Bibliothek und die geotechnische Kommission, eine Zweigstelle von Swisstopo, die sich mit Schweizer Rohstoffen und Bodenschätzen beschäftigen. Alle trugen ihr Scherflein zu den Ausstellungsinhalten bei.

Ganz einfach ist es sicher nicht, das alles unter einen Hut zu bringen.

Brack: Nicht immer. Es soll ja ein Museum für ein breites Publikum sein. An der ETH wird Spitzenforschung betrieben, die für Laien meist zu speziell ist. Es galt, hier einen Kompromiss zu finden.

Pika-Biolzi: Zudem bestand vielfach der Wunsch nach Flexibilität der Ausstellungsinhalte, daher wollten viele Wissenschaftler am liebsten einen Bildschirm haben, um stets die aktuellsten Forschungsinhalte zu präsentieren. Die Architekten des Museum dagegen machten immer wieder klar, dass Menschen wegen der Originale kommen, die sie nirgendwo sonst sehen können. Bildschirmanimationen können sie sich auch zuhause auf den PC holen. Jetzt haben wir zwar statt der wenigen ursprünglich geplanten Bildschirme 25, aber auf der anderen Seite auch historische und neue spektakuläre Alpenreliefs, ganze Abfolgen von Sedimentschichten und wunderbare Kristalle und Edelsteine.

focusTerra hat fünf Millionen Franken gekostet. Die Hälfte davon haben Sponsoren beigetragen.

Brack: Das klingt nach viel, jedoch floss der Grossteil des Geldes in die Konstruktion. Für die Ausstellung selbst blieb nur ein kleiner Teil. Darum sind wir ja auch so froh, dass wir viele Helfer aus den einzelnen Instituten hatten. Manche waren von Anfang an mit Feuer und Flamme dabei, andere erkannten erst mit der Zeit, welches Potential darin steckt. Andere konnten sich für ein solches öffentlichkeitsrelevantes Anliegen überhaupt nicht erwärmen. Trotzdem ist gelungen, etwas aufzubauen, was ein breites Publikum ansprechen wird und ich bin überzeugt, dass das für unsere Hochschule sehr wertvoll sein kann!

Am Samstag wird das Museum endlich eröffnet. Für Sie steckt jahrelange Arbeit darin.

Brack: Es ist schön zu sehen, wie sich die Bausteine zu einem Ganzen zusammenfügen. Viele realisieren erst jetzt, was da alles kommen wird. An der ETH etwas Neues zu schaffen, das nicht direkt mit der Wissenschaft zu tun hat, ist nicht immer einfach. Aber ich denke, das Experiment ist gelungen.

Pika-Biolzi: Der künftige Erfolg wird von der Mitarbeit unserer Kollegen aus den Departementen abhängen. Ich bin zuversichtlich, dass sie uns jetzt erst recht unterstützen werden.

focusTerra wird am 4. und 5. April jeweils von 10 bis 17 Uhr offiziell eröffnet.
focus
Terra, Departement Erdwissenschaften, Sonneggstr. 5, 8092 Zürich
Der Zugang bleibt auch nach dem Eröffnungswochenende gratis. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9-17 Uhr, Sonntag 10-16 Uhr, Samstag und Montag geschlossen. Karfreitag bis Ostermontag täglich 10-16 Uhr. Das Museum ist rollstuhlzugänglich.
www.focusterra.ethz.ch

 
Leserkommentare: