Veröffentlicht: 17.07.13
Science

Klimaforschung zum Zuhören

Forschende haben in den vergangenen Jahren intensiv untersucht, wie die Natur im Alpenraum auf veränderte klimatische Bedingungen reagiert. Die Ergebnisse sind nun in einen neuen Klimahörpfad auf der Göscheneralp geflossen.

Fabio Bergamin
Studierende der ETH Zürich nehmen auf einem Steinblock auf der Brätschenflue, am Rand des Göscheneralpsees, Proben von der Gesteinsoberfläche. (Foto: Gerhard Furrer / ETH Zürich)
Studierende der ETH Zürich nehmen auf einem Steinblock auf der Brätschenflue, am Rand des Göscheneralpsees, Proben von der Gesteinsoberfläche. (Foto: Gerhard Furrer / ETH Zürich) (Grossbild)

Was passiert mit der Alpenlandschaft, wenn sich Gletscher wegen der Klimaerwärmung zurückziehen, wenn Berghänge nicht mehr vom Permafrost zusammengehalten werden und sie deswegen zu erodieren beginnen? Damit hat sich das Forschungsprojekt BigLink beschäftigt, das seit 2007 unter dem Schirm des Kompetenzzentrums Umwelt und Nachhaltigkeit des ETH-Bereichs CCES läuft und derzeit abgeschlossen wird. Exemplarisch für die vielen sich zurückziehenden Gletscher in den Alpen untersuchten 45 Forscherinnen und Forscher von ETH Zürich, WSL und Eawag das Vorfeld des Dammagletschers in den Urner Alpen.

«Wenn der steinige Untergrund nicht mehr von einem darüber liegenden Gletscher oder vom Permafrost zusammengehalten wird, kann ihn nur eine flächendeckende Vegetation vor Erosion schützen», sagt Gerhard Furrer, Professor am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der ETH Zürich, der am Projekt beteiligt war. Schwerpunkt von BigLink war es denn auch, die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Pflanzen zu untersuchen, insbesondere die Verwitterung des Gesteins und die Bildung von neuem Boden, aber auch das Zusammenspiel all dieser Prozesse mit den Wasserflüssen und der belebten Umwelt.

Mikroben und Pflanzen füllen die Nische

So haben die Forschenden herausgefunden, dass die Verwitterung des Gesteins und damit die Bodenbildung sehr schnell beginnen. Sobald der sich zurückziehende Gletscher den steinigen Untergrund frei gibt, siedeln sich Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze an, die kleine Mengen Säure ausscheiden und dadurch die Verwitterung begünstigen. Damit werden Pflanzennährstoffe aus dem kristallinen Gestein freigesetzt, und fruchtbarer Boden beginnt sich zu bilden. Die Diversität dieser Mikroorganismen ist viel grösser als von den Forschenden erwartet.

«Vor dem Start von BigLink hätten wir auch nicht damit gerechnet, dass auf Geröllhalden, die der sich zurückziehende Gletscher erst vier Jahre zuvor freigegeben hat, schon so viele verschiedene Pflanzenarten anzutreffen sind», sagt Furrer. Die Pionierpflanzen finden vielerorts ideale Bedingungen, beispielsweise permanente Feuchtigkeit, kaum Konkurrenz und genügend Nährstoffe im Gesteinsstaub und Sediment.

Informiert werden beim Wandern

Die Forschung im Vorfeld des Dammagletschers führte in den letzten Jahren zu einer langen Reihe von Publikationen in Fachzeitschriften. Nun werden diese Resultate auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und zwar in Form eines Klimahörpfads. Die Forschenden des CCES haben in diesen Tagen gemeinsam mit der Klimaschutz-Organisation Myclimate und der lokalen Organisation «Wasserwelten Göschenen» auf der Göscheneralp, gleich unterhalb des Dammagletschers, den siebten Myclimate-Hörpfad eingeweiht. Der Wanderweg führt rund um den Göscheneralpsee und auf das Vorfeld des Gletschers.

An mehreren Stationen werden Wanderer ermuntert, sich mit Kurzhörspielen über Natur, Klima und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren. Sie können das mit sogenannten Audioguides tun, die sie im Berggasthaus Dammagletscher beim Staudamm des Göscheneralpsees ausleihen können. Ebenfalls möglich ist es, die Hördateien zu Hause über myclimate-audio-adventure.ch auf einen MP3-Player oder ein Smartphone zu laden. Die Geschichten liegen in einer Version für Erwachsene und einer für Kinder ab sechs Jahren vor. Sie basieren auf zahlreichen wissenschaftlichen Kurzberichten der BigLink-Forschenden. Geschrieben hat sie Julia Hofstetter von myclimate unter Mitwirkung von Gerhard Furrer. Die beiden haben im Gelände auch selber Hand angelegt und mitgeholfen, die Hörstationen mit einem auf die Felsen gemalten Logo gut sichtbar zu markieren. Furrer: «Ich bin begeistert, dass es unserem Team gelungen ist, mit dem Klimahörpfad wissenschaftliche Erkenntnisse in einer sehr lustvollen Art am Ort des Geschehens zu vermitteln.»

 
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