Kieselalgen erklären CO2-Freisetzung
Wissenschaftler fanden in Meeressedimenten in den Übergangsbereichen von Kalt- zu Warmzeiten unerwartet hohe Konzentrationen des silikathaltigen Minerals Opal. Die Erklärung, wie es zu diesen hohen Konzentrationen kam, kann auch verdeutlichen, wie Ozeane gespeichertes Kohlendioxid wieder abgeben. Der zugrundeliegende Mechanismus ist bis heute nicht geklärt.
Wie sich die Erde aus einer Kaltzeit herauslöst, ist eine bis anhin nicht eindeutig geklärte Frage. Der Anstieg des Kohlendioxid-Gehalts in der Atmosphäre spielt eine entscheidende Rolle. Was diesen Anstieg in Gang setzt, ist aber nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Eine eben in «Nature» publizierte Studie untermauert nun eine These, die 1998 erstmals postuliert wurde.
Opalspitze markiert Eiszeit-Ende
Anlass für
die Studie gab die geochemische Untersuchung eines Bohrkerns aus dem subtropischen
Atlantik, die Nele Meckler vom Geologischen Institut der ETH Zürich
durchführte. Dabei stiess die Forscherin auf Opal-Lagen. Opal ist ein
silikathaltiges Mineral, das aus den Skeletten von abgestorbenen Kieselalgen
stammt. Die Lagen hoher Silikat-Konzentrationen im Sedimentkern fanden sich
überraschenderweise etwa alle 100'000 Jahre jeweils am Übergang von einer
Kaltzeit in eine Warmzeit. Der Kern selbst umfasst eine Zeitspanne von 550'000
Jahren Sedimentationsgeschichte. Dass Kieselalgen
in den subtropischen Gewässern, aus denen der Sedimentkern stammt, am Übergang
von einer Kalt- in eine Warmzeit besonders reichhaltig vorkommen, passt jedoch
nicht ins Bild.
Laut der gängigen Hypothese, wie Ozeane das CO2,
das sie während der Kaltzeit speicherten, wieder abgeben, sollte das
Oberflächenwasser an dieser Stelle silikatarm gewesen sein. Die Ursache dafür
ist, dass es nach der letzten Eiszeit einen grossen Eintrag von Schmelzwasser in
den Nordatlantik gegeben haben soll. Dieser Schmelzwassereintrag soll dort die
Bildung von Tiefenwasserströmungen zum Erliegen gebracht haben, indem er sich
wie eine Art Deckel über den nördlichen Ozean legte. Die dabei ausgelösten Prozesse
in der Nordhemisphäre verursachten vermutlich eine Verschiebung der Windsysteme
in Richtung Süden näher zur Antarktis. Dies könnte den Tiefenwasserauftrieb im
Süden verstärkt und CO2 an die Oberfläche gebracht haben. Dort gelangte es in die Atmosphäre. Das besagt die gängige Theorie.
Ein derartig windgetriebener Auftrieb im Südozean würde aber auch zum verstärkten Transport mittlerer Wassermassen Richtung Nordatlantik führen. Diese Wassermassen wären jedoch sehr silikatarm, da sich die Silikat-Skelette der Kieselalgen, die es im südlichen Ozean reichlich gibt, während des Absinkens auf den Meeresgrund nur langsam zersetzen. Das Silikat reichert sich deshalb hauptsächlich im Tiefenwasser an.
Diffusion als treibende Kraft
Die Forscher schlagen deshalb einen alternativen Mechanismus vor, wie es zu solchen Opal-Konzentrationen und zur CO2-Ausgasung kommen konnte. Gemäss dieser neuen Hypothese stagnierten die Wassermassen. Dadurch verstärkte sich der Einfluss der natürlichen Diffusion, getrieben durch Konzentrationsunterschiede, weshalb Silikat aus dem Tiefenwasser an die Wasseroberfläche gelangte und zu einer markanten Kieselalgenblüte führten. Nach dem Absterben der Kieselalgen reicherten sich deren Skelette Opal-Lagen im Sediment an.
Wenn nun eine Diffusion von unten nach oben möglich ist, so folgern die Forscher, konnte auch warmes Oberflächenwasser – angetrieben durch Temperaturunterschiede – in die Tiefe diffundieren. Das wiederum würde die Dichteverhältnisse im Tiefenwasser verändern. Der Dichteunterschied würde eine Zirkulation in Gang setzen, die das CO2-reiche Tiefenwasser nach oben und das Treibhausgas somit in die Atmosphäre bringt. Dies wiederum hat einen weiteren Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur zur Folge. «Wenn dieser Prozess einmal in Gang gesetzt ist, dann schreitet das Ende der Kaltzeit voran», sagt Meckler.
Grossräumige Kieselalgenblüten
Dass im Sedimentkern fünf Opal-Lagen vorhanden sind, die jeweils mit dem Ende einer Kaltzeit übereinstimmen, weist laut den Forschern darauf hin, dass die Veränderungen der Ozeanzirkulation essenzielle Bestandteile der Prozesse sind, die das Ende einer Kaltzeit einleiten. Die Verbindung zu anderen Daten von Sedimentkernen deute auch darauf hin, dass es sich bei den Kieselalgenblüten um grossräumige Ereignisse handle, sagt Meckler. Nun sei zu klären, wie weit das Phänomen im Atlantik verbreitet ist.
«Unsere Ergebnisse stellen die derzeit gängige 'Wind-Hypothese' klar in Frage und favorisieren dafür eine bis anhin weniger etablierte», sagt Meckler. Ihre Studie sei ein weiteres Puzzleteil zu den Daten, die bis dato erarbeitet worden seien. Ihr Forschungsziel ist, das ganze System mit seinen Prozessen besser zu verstehen. Die Forscherin betont, dass einige Beobachtungen paläo-ozeanographischer Studien, die mit den postulierten veränderten Windsystemen erklärt werden, auch gut mit der «Diffusions-Hypothese» erläutert werden könnte, jedoch nicht umgekehrt.
Auch die vor einer Woche in «Science» publizierte Studie (siehe ETH Life vom 22.03.2013), an der weitere Wissenschaftler der Gruppe des ETH-Professors Gerald Haug beteiligt waren, passe gut mit ihren Befunden zusammen, betont Meckler, die im Rahmen des Marie Heim-Vögtlin-Programmes des Schweizer Nationalfonds in der Gruppe Haug arbeitet.
Literaturhinweis
Meckler AN et al.: Deglacial pulses of deep-ocean silicate into the subtropical North Atlantic Ocean, Nature (2013), 495, 495-499, doi: 10.1038/nature12006
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