Veröffentlicht: 13.03.13
Science

Wie soziale Netzwerke untergehen

Soziale Netzwerke können sich auflösen, wenn der Aufwand für das Benutzen des Netzwerkes den Nutzen für die Mitglieder übersteigt. Dann kann eine Kaskade von Austritten in Gang kommen. Davor wäre wohl auch Facebook nicht gefeit, sagen ETH-Forscher.

Peter Rüegg
Gute Vernetzung und das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag entscheiden, wie stabil soziale Netzwerke sind. (Bild: istockphoto.com)
Gute Vernetzung und das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag entscheiden, wie stabil soziale Netzwerke sind. (Bild: istockphoto.com) (Grossbild)

Der Niedergang des sozialen Netzwerks «Friendster» war schnell und unaufhaltsam. In seiner Blütezeit zählte es immerhin 100 Millionen Nutzer. Doch dann erodierte die Zahl derer, die darin einen Nutzen für sich sahen, immer schneller. Exponentiell nahm sie ab, bis Friendster kollabierte. Wie aber kann es zu einem solch beispiellosen Zerfall eines sozialen Netzwerkes kommen? Und wie widersteht ein Netzwerk seinem Untergang? Welche Faktoren lassen den Mitgliederbestand schrumpfen?

Um solche Fragen zu beantworten, haben David Garcia, Pavel Mavrodiev und Professor Frank Schweitzer von der Professur Systemdesign im Departement Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich die vollständig archivierten Daten von Friendster ausgewertet und mit Daten der vier noch aktuellen Online-Communities Orkut, Facebook, Livejournal und Myspace verglichen.

Redesign setzte Kaskade in Gang

Anhand des Niedergangs von Friendster zeigen die Forscher zwei wesentliche Faktoren auf, die für das Überleben respektive die Widerstandsfähigkeit von Online-Communities essenziell sind: einerseits spielt das Aufwand-Nutzen-Verhältnis für den Einzelnen eine wesentliche Rolle, andererseits wie stark jeder User mit seiner Umgebung verknüpft ist.

So konnten sie aufzeigen, dass beispielsweise Veränderungen an der Benutzbarkeit der grafischen Oberfläche von Online-Communities einschneidend sein und - wie im Fall von Friendster - eine nicht mehr zu stoppende Abwanderungskaskade auslösen können. Denn durch die veränderte Benutzbarkeit oder technische Probleme, wie sie bei Friendster nach dem Redesign 2009 auftraten, verschlechtert sich das Aufwand-Nutzen-Verhältnis der User. Bietet dann die Konkurrenz etwas Besseres an, so geben die ersten ihre Mitgliedschaft in ihrer bisherigen Online-Community auf. Ihnen folgen andere, die ihre Verbindungen zu den Ausgetretenen verloren haben. Das führt zu einer Abwanderungskaskade, die das Ende von Friendster bedeutete – und an sich jedem sozialen Netzwerk drohen kann. Facebook hat eben ein Redesign der Benutzeroberfläche durchgeführt. Das könnte beispielsweise eine solche Kaskade in Gang setzen. “Facebook ist weniger robust gegenüber solchen Kaskaden, als man vielleicht annehmen könnte”, sagt Pavlin Mavrodiev aufgrund ihrer Modellrechnungen anhand von Teilen der Facebook-Userdaten.

Gut verknüpfter harter Kern

«Resilient ist ein Netzwerk dann, wenn sich der Umfang der Kaskade eingrenzen lässt», sagt Postdoc David Garcia. Wie sehr sich die unheilvolle Kaskade eindämmen lässt, hängt davon ab, wie stark der «harte Kern» der User miteinander verknüpft ist.

Mit anderen Worten: Nur viele Nutzer zu haben, ist keine Garantie für das Überleben einer Online-Community. Es kommt ebenso darauf an, wie gut die Mitglieder einzelner Unternetzwerke des jeweiligen sozialen Netzwerks untereinander verknüpft sind. Die Grösse einer solchen Untergruppe wird gemäss den Forschern durch das Aufwand-Nutzen-Verhältnis bestimmt. Je geringer der Nutzen und je höher der Aufwand, desto kleiner wird der Kern der Untergruppe sein, also wird eine Abwanderungskaskade kaum aufzuhalten sein. Allerdings braucht nicht jedes soziale Netzwerke eine starke Vernetzung der Mitglieder, wie Mavrodiev erklärt. Die User von Youtube beispielsweise seien kaum vernetzt, dafür sei das Aufwand-Nutzen-Verhältnis sehr gut.

Mit Blick auf die von Facebook eben durchgeführte Auffrischung der Benutzeroberfläche sagen die drei Forscher, dass ihre Methode helfen könne abzuschätzen, wie sich diese Veränderungen auf die Userzahlen auswirken.

Literatur:

Garcia D, Mavrodiev P, Schweitzer, F. Social Resilience in Online Communities: The Autopsy of Friendster. 25 Feb 2013. arXiv:1302.6109v1