Veröffentlicht: 03.01.13
Science

Wie Klimaschutz und Klimarisiken zusammenspielen

Die Höhe unserer Investitionen in den Klimaschutz, unsere Energieeffizienzmassnahmen und die Milderung von Klimarisiken hängen eng zusammen. Wie genau, das hat nun der ETH-Klimawissenschaftler Joeri Rogelj gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam untersucht.

Fabio Bergamin
Beim Verbrennen fossiler Treibstoffe entstehen Emissionen. Wie deren Preis mit der Erreichbarkeit von Klimazielen zusammenhängt, haben Forscher nun berechnet. Im Bild: die Förderung von Erdöl. (Bild: Colin Grey / Flickr)
Beim Verbrennen fossiler Treibstoffe entstehen Emissionen. Wie deren Preis mit der Erreichbarkeit von Klimazielen zusammenhängt, haben Forscher nun berechnet. Im Bild: die Förderung von Erdöl. (Bild: Colin Grey / Flickr) (Grossbild)

Je mehr wir in Klimaschutzmassnahmen investieren, desto erfolgreicher werden wir einen globalen Temperaturanstieg bekämpfen können – und desto wahrscheinlicher ist es, dass wir Klimaziele wie das Zwei-Grad-Ziel erreichen. Was intuitiv nachvollziehbar ist, ist der Kern einer neuen Studie, die der ETH-Klimawissenschaftler Joeri Rogelj gemeinsam mit Wissenschaftlern des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, Österreich, in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht hat. Die Forscher untersuchten erstmals detailliert, wie Investitionen in den Klimaschutz und die Wahrscheinlichkeit, dass Klimaziele erreicht werden, voneinander abhängen, und welche weiteren Faktoren diese Wechselbeziehung beeinflussen.

Höherer Preis für Emissionen nötig

«Im Wesentlichen ging es in der Studie darum zu untersuchen, wie der Wille unserer Gesellschaft, für Klimaschutzmassnahmen in die Tasche zu greifen, mit dem Risiko zusammenhängt, das die Gesellschaft mit dem Klimawandel eingeht», sagt Rogelj. So haben die Forscher zeigen können, dass der Preis, den wir CO2-Emissionen beimessen, ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Faktor für die Erreichbarkeit von Klimazielen ist. Wer Treibhausgase in die Atmosphäre entlässt, hat dafür heute auf internationaler Ebene keinen Preis zu bezahlen. Um die verhältnismässig teureren CO2-neutralen Technologien gegenüber den klimaschädlichen Technologien konkurrenzfähig zu machen, wäre es nach Ansicht der Forscher jedoch zentral, Emissionen weltweit zu begrenzen und kostenpflichtig zu machen – beispielsweise über die Vergabe von handelbaren Emissionsrechten.

Auf europäischer Ebene gibt es ein solches System bereits: Wegen des EU-Emissionshandels (ETS) muss in der EU derzeit umgerechnet rund 8 bis 9 Dollar bezahlen, wer eine Tonne CO2 ausstösst. Diese Menge CO2 entsteht beim Verbrennen von 430 Litern Benzin oder 360 Litern Diesel. Laut Rogelj sind diese 8 bis 9 Dollar recht tief. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir damit im 21. Jahrhundert das Zwei-Grad-Ziel erreichen, sei äusserst gering. Um es mit einer Zweidrittel-Wahrscheinlichkeit zu erreichen, müsste dieser Preis unter gewissen Annahmen bei mindestens 40 Dollar liegen – notabene weltweit. Zu den Annahmen gehören, dass alle Gesellschaften weltweit den Energieverbrauch durch Effizienzmassnahmen auf ein «mittleres» Mass senken, was etwa einer «2000-Watt-Gesellschaft» entsprechen würde. Zudem müssten uns in Zukunft eine Reihe von zentralen Klimaschutzmassnahmen wie «Carbon Capture and Storage» (CCS)  zur Verfügung stehen.

40 Dollar pro Tonne CO2 hiesse, dass ein Liter Heizöl oder Benzin nach einer groben Schätzung zehn Rappen teurer zu stehen käme als heute. Je nach Szenario würden bei diesem Preis 0,9 bis 1,7 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) für Klimaschutzmassnahmen aufgewendet.

Energieeffizienz ist zentral

«Ein CO2-Preis von 40 Dollar pro Tonne darf jedoch nicht als Garantie angesehen werden, dass wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen werden», betont Rogelj. Zum einen bleibt selbst unter den oben genannten Voraussetzungen ein Risiko von 33 Prozent, dass wir es verfehlen. Zum anderen spielen weitere Faktoren mit, vor allem die soziale und technologische Entwicklung. «Die Energieeffizienz und unser zukünftiger Energiekonsum sind dabei zentral», sagt Rogelj. Denn gelingt es nicht, Energie effizienter zu nutzen, verpassen wir das Ziel mit dem gleichen CO2-Preis gar mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent und selbst dies nur unter der Voraussetzung, dass uns Technologien wie CCS in genügendem Umfang zur Verfügung stehen. Könnten wir nicht auf diese Technologien zurückgreifen, würden wir das Ziel mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit verfehlen. Gelingt es uns aber umgekehrt, den Energiekonsum nicht nur auf ein «mittleres», sondern auf ein «tiefes» Niveau zu senken («1600-Watt-Gesellschaft»), verringert sich das Risiko, das Ziel zu verfehlen, auf 20 Prozent.

Mit mehr Geld kann mangelnde Energieeffizienz ein Stück weit wettgemacht werden, jedoch nicht beliebig. Ungeachtet dessen, wie viel Geld wir in die Hand nehmen, werden wir in einer «2000-Watt-Gesellschaft» die Wahrscheinlichkeit, das Zwei-Grad-Ziel zu verfehlen, nicht auf unter 25 Prozent drücken können. Dies wäre nur mit weitergehenden Energiesparmassnahmen möglich.

Politische Unsicherheit am grössten

Die Berechnungen von Rogelj und seinen Kollegen basieren auf einer Kombination von Klimamodellen und Modellen des Energiesystems mit Szenarien der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung. Sie sind – wie Hochrechnungen generell – mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Entscheidungsträger haben solche Unsicherheiten in der Vergangenheit als Argument herbeigezogen, keinen Klimaschutz zu betreiben. In dieser Studie haben Rogelj und seine Kollegen zum ersten Mal den Beitrag der verschiedenen Unsicherheiten beziffert und eine Rangliste erstellt.

Die politische Unsicherheit, also die Frage, wie lange Klimaschutzmassnahmen auf internationaler Ebene hinausgezögert werden, stellte sich dabei als die grösste aller Unsicherheiten heraus. Sie ist grösser als etwa die Unschärfe in den Klimamodellen und als die Ungewissheiten bei den zur Verfügung stehenden Technologien und der gesellschaftlichen Entwicklung. «Aus unserer Studie folgt: Wenn die Politik globale Klimaschutzmassnahmen über das Jahr 2030 hinauszögert, dann werden die Unsicherheiten der Klimamodelle für die Frage der Erreichbarkeit des Zwei-Grad-Ziels bedeutungslos», sagt Rogelj. «Trotz der gewissen Unsicherheiten in unserem Verständnis des Klimasystems ist der wichtigste Faktor, unter zwei Grad Klimaerwärmung zu bleiben, das Problem möglichst rasch auf globaler Ebene anzugehen.»

Literaturhinweis

Rogelj J, McCollum DL, Reisinger A, Meinshausen M, Riahi K: Probabilistic cost estimates for climate change mitigation. Nature, 2013, DOI: 10.1038/nature11787