Veröffentlicht: 05.11.12
Science

An den Grenzen der Klimamodelle

Wie genau sind die Klimamodelle der neusten Generation? Der ETH-Klimaphysiker Reto Knutti verglich sie mit alten Modellen und zieht ein differenziertes Fazit: Die Klimamodellierung habe in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht, man müsse sich aber auch ihrer Grenzen bewusst sein, sagt er.

Fabio Bergamin
Auch mit den neusten Klimamodellen sind die Temperaturprognosen mit Unsicherheiten behaftet (helle Bereiche um die Temperaturkurven für verschiedene Szenarien) (Bildmontage: Josef Kuster, ETH Zürich / Knutti and Sedlacek 2012 Nature Climate Change / Galyna Andrushko, Fotolia)
Auch mit den neusten Klimamodellen sind die Temperaturprognosen mit Unsicherheiten behaftet (helle Bereiche um die Temperaturkurven für verschiedene Szenarien) (Bildmontage: Josef Kuster, ETH Zürich / Knutti and Sedlacek 2012 Nature Climate Change / Galyna Andrushko, Fotolia) (Grossbild)

Dass Wissenschaftler das Klima am Computer simulieren, ist bekannt. Ein grosser Teil ihrer Arbeit besteht aber auch darin, die Simulationen zu verbessern und zu verfeinern: Sie lassen neue Forschungsergebnisse in ihre Computermodelle einfliessen und testen die Modelle mit immer umfangreicheren Sammlungen an Messdaten. Deshalb sind die heute verwendeten Klimamodelle nicht identisch mit jenen, die vor fünf Jahren zum Zug kamen, als der Weltklimarat IPCC seinen letzten Bericht veröffentlichte. Doch sind die Aussagen der neuen, komplexeren und feinmaschigeren Modelle immer noch dieselben? Oder stellen fünf Jahre Klimaforschung die alten Prognosen gar auf den Kopf?

Diesen Fragen sind in den letzten Jahren Hunderte Klimaforscher aus der ganzen Welt nachgegangen. In einer gemeinsamen Aktion haben sie das Klima der Zukunft mit allen 35 heute existierenden Modellen errechnet. Reto Knutti, Professor für Klimaphysik, hat diese Daten mit seinem Team analysiert und mit denjenigen der alten Modelle verglichen. Die ETH-Forscher kommen zum Schluss: An den Voraussagen hat sich kaum etwas geändert. Aus heutiger Perspektive lag die Wissenschaft also bereits vor fünf Jahren richtig mit ihren Prognosen. «Das ist aus wissenschaftlicher Sicht eine gute Nachricht», sagt Knutti. Es gibt allerdings auch noch eine vermeintlich schlechte Nachricht: Die Unsicherheiten, mit denen die alten Voraussagen behaftet waren, bestehen noch immer. «Wir sind uns zwar sehr sicher, dass sich das Klima wegen des starken Ausstosses an Klimagasen wandelt, doch Angaben darüber, wo es wie viel wärmer oder trockener wird, sind an vielen Orten noch immer unsicher», sagt Knutti. Man ist daher versucht zu klagen, die letzten fünf Jahre Klimaforschung hätten gar nichts gebracht – jedenfalls nicht aus Sicht der Bürger oder aus Sicht der Entscheidungsträger, die auf präzise Voraussagen angewiesen sind.

Modelle vereinfachen auf unterschiedliche Weise

Der Klimawissenschaftler Knutti sieht dies etwas differenzierter. Für ihn gibt es valable Erklärungen dafür, dass sich die Unsicherheiten nicht besser ausmerzen liessen: Die Unsicherheiten entstehen, weil jedes der 35 Modelle andere Prioritäten setzt, um das extrem komplexe Klimasystem so herunterzubrechen, dass es sich auf einem Grosscomputer überhaupt simulieren lässt. Die unterschiedlichen Modelle liefern auch leicht unterschiedliche Ergebnisse und somit eine gewisse Bandbreite an Voraussagen.

Man könnte zwar annehmen, dass je länger sich Wissenschaftler mit dem Klima beschäftigen, desto genauer auch die Ergebnisse der Modellrechnungen werden müssten, und desto eher sich folglich die Voraussagen der einzelnen Modelle angleichen müssten. Diese Annahme sei langfristig wohl richtig, kurzfristig jedoch falsch, sagt Knutti. Denn je komplexer eine Modellierung werde, je mehr Prozesse man darin berücksichtige, desto grösser werde kurzfristig leider auch die Unsicherheit. «Die Modelle sind in den letzten fünf Jahren zwar nicht genauer geworden, jedoch zuverlässiger, gerade weil heutige Modelle mehr physikalische Prozesse realistischer berücksichtigen», sagt der Klimaphysiker.

Wetter ist variabler als man oft denkt

Knuttis Ergebnisse zeigen: Mit Klimamodellen lassen sich zwar zuverlässig Tendenzen errechnen, doch irgendwann stossen sie an Grenzen. Eine solche Limitierung zeige sich auch beim gegenwärtigen Trend, immer kleinräumigere und kurzfristigere Voraussagen zum Klima zu machen, sagt Knutti und spricht dabei eine weitere Studie von ihm und anderen Klimaforschern an, die jüngst erschienen ist. «Ob es in den nächsten 20 Jahren in den USA, bei uns oder in Russland vermehrt Hitzesommer oder besonders kalte Winter gibt, hängt längst nicht nur von dem vom Mensch verursachten Klimawandel ab», gibt Knutti zu bedenken. Insbesondere die Häufigkeit von lokal stabilen Wettersituationen habe einen grossen Einfluss darauf. Und diese würden stark von Phänomenen beeinflusst wie der Nordatlantischen Oszillation, die sich – im Gegensatz zum langfristigen menschgemachten Trend – nicht auf Jahre hinaus voraussagen liessen.

Das Problem mit den neuen kurzfristigen Prognosen: Je kürzer die Zeitskala, desto kleiner ist der Einfluss des menschgemachten Trends und desto grösser jener der variablen Wetterphänomene. Vor allem in den mittleren Breiten, in denen wir leben, variieren die Wetterphänomene stark, und der vom Menschen verursachte Klimawandel wird von ihnen überlagert. Kurz- und mittelfristige Klimaprognosen seien daher schwierig, egal wie gut die Modelle seien, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

Gute Voraussage von feuchter Hitze

Zu den schwer voraussagbaren Klimaereignissen gehören auch Extremwetterereignisse wie Überflutungen, Dürreperioden oder Hitzewellen. Interessanterweise lässt sich die kombinierte Grösse Temperatur-Luftfeuchtigkeit jedoch recht gut voraussagen. Alle Klimamodelle liefern für diese Grösse ähnliche Ergebnisse, wie Knutti gemeinsam mit Erich Fischer, Oberassistent in seiner Gruppe, jüngst in einer dritten Studie zeigen konnte. «Dies ist insofern bedeutend, weil beispielsweise das Gesundheitsrisiko für einen Hitzeschlag am grössten ist, wenn es gleichzeitig heiss und feucht ist», sagt Fischer. Dass sich die kombinierte Grösse Temperatur-Luftfeuchtigkeit so gut voraussagen lässt, hängt damit zusammen, dass Hitze und Feuchtigkeit auch beim Klima voneinander abhängen. Im sogenannten Hitzesommer 2003 beispielsweise wurden auch darum so hohe Temperaturen erreicht, weil es so trocken war und kaum mehr Wasser verdunsten konnte.

Auch wenn Klimaprognosen zum Teil an Grenzen stossen wegen voneinander abweichenden Voraussagen und wegen des Einflusses von nichtvoraussagbaren Wetterphänomenen, so sind in manchen Bereichen also durchaus auch genaue Voraussagen möglich – Voraussagen, die auch den nächsten Bericht des IPCC beeinflussen werden, der im September 2013 veröffentlicht wird.

Literaturhinweis

Knutti R, Sedlacek J: Robustness and uncertainties in the new CIMP5 climate model projections. Nature Climate Change, 2012, Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1038/nclimate1716

Deser C, Knutti R, Solomon S, Phillips AS: Communication of the role of natural variability in future North American climate, Nature Climate Change, 2012, 2: 775-779, DOI: 10.1038/nclimate1562

Fischer EM, Knutti R: Robust projections of combined humidity and temperature extremes. Nature Climate Change, 2012, Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1038/nclimate1682