Veröffentlicht: 29.05.12
Science

Neuartiges Pflaster fördert die Wundheilung

ETH-Forscher haben ein Pflaster entwickelt, das die Wundheilung beschleunigt und sich jederzeit leicht von der Wunde entfernen lässt. Besonders Menschen mit Verbrennungen könnten in Zukunft von dieser Erfindung profitieren.

Maja Schaffner
Was wie ein miniaturisiertes Wellblechdach aussieht, ist die Oberfläche eines neuartigen Wundpflasters. Die Rillenstruktur beschleunigt die Wundheilung. (Bild: A. Marmaras / ETH Zürich)
Was wie ein miniaturisiertes Wellblechdach aussieht, ist die Oberfläche eines neuartigen Wundpflasters. Die Rillenstruktur beschleunigt die Wundheilung. (Bild: A. Marmaras / ETH Zürich) (Grossbild)

Schneidet man sich in den Finger, helfen in der Regel ein wenig Desinfektionsmittel und ein einfaches Pflaster. Der Schnitt ist nach wenigen Tagen verheilt. Doch bei einigen Wunden kann die Heilung wesentlich langwieriger sein. Zum Beispiel bei Brandwunden.

Ob verletzte Hautstellen vom Körper wieder verschlossen werden können, hängt zunächst davon ab, ob sich Zellen im Bindegewebe unter der eigentlichen Haut, sogenannte Fibroblasten, teilen und in das verletzte Gewebe einwandern können.

Sie tun das im Normalfall mehr oder weniger ungeordnet von den Wundrändern her. Dort, wo sie vordringen, beginnen sie damit, neues Gewebe aufzubauen. Geraten sie dabei ins Stocken, entstehen Narben. Bei grossen Verletzungen müssen sie manchmal weite Strecken überwinden, damit auf der ganzen verletzten Fläche neue Haut entstehen kann - und das braucht Zeit.

Die Idee, die Fibroblasten gezielt zu ihrem Einsatzort zu leiten, um die Heilung zu beschleunigen, drängt sich auf. ETH-Forschern der Gruppe von Dr. Vartan Kurtcuoglu vom Labor für Thermodynamik unter der Leitung von Professor Dimos Poulikakos ist es nun gelungen, dafür eine neue Methode auszutüfteln. Mit dieser können Fibroblasten tatsächlich rasch und gezielt dorthin gelenkt werden, wo sie gebraucht werden, nämlich von den Wundrändern her zur Mitte der Wunde.

Ein Pflaster mit besonderer Oberfläche

Das interdisziplinäre Forscherteam, in dem auch Biologen mitwirken, entwickelte ein spezielles Silikonpflaster. Dieses hat auf seiner Oberfläche viele winzige parallele Rillen. Im Experiment an Zellkulturen bestand die Verletzung in einem Kratzer. Legten die Forscher das Pflaster so auf, dass die Rillen parallel zum Kratzer verliefen, heilte die Wunde in der gleichen Zeit wie bei einem Pflaster ohne Rillen. Legten sie die Rillen aber senkrecht zum Kratzer, konnten sie unter dem Mikroskop verfolgen, dass die Wunde schneller zuwuchs. Damit konnte Doktorand Anastasios Marmaras aufzeigen, dass dieses Pflaster wirklich hilft, Wunden rascher zu verschliessen.

Die Forscher konnten nachweisen, dass die Fibroblasten sich entlang der Rillen bewegen. Sie vermuten deshalb, dass die im Vergleich zu den Rillen recht grossen Fibroblasten den Weg des geringsten Widerstands wählen und deshalb den Rillen folgen. Wollten sie sich quer dazu fortbewegen, entstünde viel mehr Reibung, als wenn sie an ihnen entlang gleiten. Die Rillen müssen übrigens nicht zwingend parallel angeordnet sein, ergänzt Aldo Ferrari, der Biologe im Team. Möglich wäre je nach Bedarf auch eine sternförmige Anordnung für runde Hautverletzungen.

Rückstandslos entfernbar

Da die Fibroblasten zwar direkten Kontakt haben mit dem Pflaster, mit diesem aber keinerlei Bindung eingehen, sondern in Richtung der Silikonrillen wandern und durch diese rein mechanisch gelenkt werden, kann das Pflaster zu jedem Zeitpunkt entfernt werden, ohne dass darunter liegende Gewebe oder einzelne Zellen daran hängen bleiben. Dies ist gänzlich neu, wie Vartan Kurtcuoglu ausführt. In früheren Versuchen setzten andere Forscher auf Materialien, an die sich die Fibroblasten auf ihrem Marsch anlagerten. Dies führte zwar die Reparaturzellen zu ihrem Einsatzort, am Schluss war aber das Pflaster auf der Wunde festgewachsen.

Praktischer Einsatz wahrscheinlich

Bisher haben die ETH-Forscher ihr neues Pflaster nur an Zellkulturen mit einer einfachen Zellschicht getestet. Das nächste Ziel werden in vivo Experimente sein, in denen die Forscher überprüfen wollen, ob die Methode auch an Tieren oder Menschen funktioniert. Sie sehen den Einsatz des Pflasters vor allem bei der Behandlung von Brandwunden. Die Hoffnung ist, dass mit dem Pflaster auch grosse Wunden wesentlich schneller heilen und durch die gleichmässige Einwanderung der Reparaturzellen weniger Narben entstehen.

Für die Nutzung und Vermarktung des neuen Pflasters mit der besonderen Oberflächenstruktur sieht es vielversprechend aus. Das Patent für die Methode ist eingereicht. Und laut Stefan Lux von ETH-Transfer, der Kontakte zu interessierten Firmen herstellt, haben sich bereits Interessenten aus der Industrie gemeldet.

Literaturhinweis

Marmaras A, Lendenmann T, Civenni G, Franco D, Poulikakos D, Kurtcuoglu V & Ferrari A. Topography-mediated apical guidance in epidermal wound healing. Soft Matter, 2012, Advance Article DOI: 10.1039/C2SM00030J

 
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