Veröffentlicht: 04.05.12
Science

Tropisches Klima im Tropfstein gespeichert

Ein internationales Forscherteam unter Führung der ETH Zürich liefert erstmals Daten zum Niederschlag in den Tropen, die bis zu 570'000 Jahre zurückreichen. Die aus Tropfsteinen gewonnenen Daten zeigen ein detailliertes Bild zum regionalen tropischen Niederschlag – und sie zeigen, wie komplex die Zusammenhänge im globalen Klimasystem sind.

Claudia Naegeli
Ein Höhlenforscher bewundert die «Night Watchmen»-Stalagmiten in der Whiterock-Höhle im malaysischen Gunung Mulu Nationalpark auf Borneo. Tropische Stalagmiten sind Klimaarchive, da sie Informationen, z.B. über Veränderungen im Niederschlag, speichern. (Bild: Robbie Shone www.shonephotography.com)
Ein Höhlenforscher bewundert die «Night Watchmen»-Stalagmiten in der Whiterock-Höhle im malaysischen Gunung Mulu Nationalpark auf Borneo. Tropische Stalagmiten sind Klimaarchive, da sie Informationen, z.B. über Veränderungen im Niederschlag, speichern. (Bild: Robbie Shone www.shonephotography.com) (Grossbild)

Daten zu Klimaveränderungen aus der Vergangenheit können Aufschluss geben, wie die verschiedenen Komponenten des Klimasystems zusammenhängen. Dazu versuchen Wissenschaftler, Daten aus den verschiedenen Regionen und über verschiedene Aspekte des Klimas, wie Temperatur und Niederschlag, zusammenzutragen. Für weit zurückliegende Zeiträume der letzten Million Jahre stammt der überwiegende Teil der Daten aus den Polargebieten.

So lieferten beispielsweise Eisbohrkerne Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Temperatur der Antarktis. Meeressedimente zeigen, wie sich die globalen Landeismengen im Laufe der Jahrtausende verändert haben. Was bislang fehlte, waren verlässliche Daten aus den Tropen, vor allem zur Veränderung des dortigen Niederschlags. Dies obwohl insbesondere der West-Pazifik als Quelle von Feuchtigkeit und Wärme ein entscheidender Faktor im globalen Klimasystem ist.

Stalagmiten als Klimaarchiv

Wissenschaftler der ETH Zürich, des California Institute of Technology, der University of Edinburgh und des Georgia Institute of Technology liefern nun umfassende Daten zur Geschichte des Niederschlags in den zentralen Tropen, die bis 570'000 Jahre zurückreichen. Die Wissenschaftler untersuchten Stalagmiten aus Höhlen in Borneo. Die Ergebnisse sind die ältesten derzeit existierenden Klimadaten von Stalagmiten. Diese Tropfstein-Formationen sind wie die bekannten Bohrkerne wertvolle Klimaarchive. Stalagmiten halten über lange Zeiträume chemische Veränderungen im Tropfwasser fest. So konnten die Wissenschaftler anhand von Gesteinsproben zeigen, wie sich der regionale Niederschlag entwickelte. Ihre Ergebnisse stellen sie in der Zeitschrift Science vor.

«Unsere Daten geben Aufschluss über einen Zeitraum, in welchem eine spannende Klimaveränderung vonstattenging», erklärt Nele Meckler vom Geologischen Institut der ETH Zürich und Erstautorin der Studie. Daten aus den Polargebieten sprechen eine deutliche Sprache: Vor ungefähr 430'000 Jahren gab es markante Veränderungen bei den Warmzeiten. Vorher waren die Warmzeiten nur «lauwarm», d.h. die Temperatur der Antarktis war kühler, es gab mehr Eis an Land und die atmosphärische CO2-Konzentration war niedriger. Die folgenden Warmzeiten waren wärmer und der CO2-Gehalt in der Atmosphäre höher. Der Grund für diese Veränderung ist noch unbekannt, die Forscher gingen bislang jedoch davon aus, dass diese Veränderungen das Klima weltweit beeinflussten.

Komplexes Klimasystem

Mit ihrer Studie konnten Meckler und ihre Forscherkollegen nun aber zeigen, dass sich der Niederschlag in den zentralen Tropen in den Warmzeiten vor und nach diesem Wechsel nicht stark verändert hat. «Das ist überraschend. Die kühleren warmzeitlichen Temperaturen in der Antarktis und der niedrigere CO2-Gehalt in der Atmosphäre scheinen keinen grossen Einfluss auf den Niederschlag im tropischen Westpazifik gehabt zu haben. Dieser war während aller Warmzeiten der letzten 570'000 Jahre gleich hoch», erklärt Meckler.

Meckler betont jedoch, dass der tropische Niederschlag durchaus von Veränderungen beeinflusst wird, welche in hohen Breitengraden gemessen werden. So untersuchten die Forschenden auch die Übergänge von Eis- zu Warmzeiten. Die erhobenen Niederschlagsdaten liefern Hinweise darauf, dass sich schnelle und kurzfristige Klimaveränderungen in den nördlichen Breiten auch stark in den Tropen manifestierten. Die Wissenschaftler vermuten, dass es sich dabei um eine Reaktion auf Veränderungen der Ozeanzirkulation oder auf verhältnismässig schnelle polare Klimaveränderungen handelt.

«Künftige Klimamodelle müssen die besondere Situation in den Tropen berücksichtigen», sagt Meckler. Zudem sei es wichtig, künftig mit Modellen zu untersuchen wie und wann sich in den hohen Breitengraden gemessene Klimaveränderungen auf die Tropen auswirken.

Literaturhinweis

Meckler AN, Clarkson MO, Cobb KM, Sodemann H, Adkins JF: Interglacial Hydroclimate in the Tropical West Pacific Through The Late Pleistocene. Science, 2012, doi: 10.1126/science.1218340.

 
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