Veröffentlicht: 12.01.12
Science

Dem Meer fehlt der Sauerstoff

Steigen die globalen Durchschnittstemperaturen, könnten weite Teile der Weltmeere zu sauerstofflosen Todeszonen werden. Das zeigt eine Analyse der Sauerstoffverhältnisse der vergangenen 20‘000 Jahre.

Peter Rüegg
Millionen von toten Sardinen am Redondo Beach, Kalifornien: Die Fische sind in sauerstoffarmem Wasser erstickt. (Bild: Seadigs/flickr.com)
Millionen von toten Sardinen am Redondo Beach, Kalifornien: Die Fische sind in sauerstoffarmem Wasser erstickt. (Bild: Seadigs/flickr.com) (Grossbild)

An einigen Stellen des nordwestlichen Pazifiks passiert es mittlerweile im Sommer alljährlich: Die Wellen spülen Unmengen toter Meerestiere, darunter Fische, Krabben oder Weichtiere, an die Strände. Für die lokale Fischerei ist dies eine finanzielle Katastrophe, für das Meer eine ökologische. Ursache des Massensterbens: Die Tiere sind erstickt, weil im Wasser kein oder zu wenig Sauerstoff vorhanden ist.

Noch ist dieses Phänomen regional. Dies könnte sich in Zukunft ändern, wie eine neue Publikation in «Nature Geoscience» aufzeigt. Die beiden Autoren Samuel Jaccard vom Geologischen Institut der ETH Zürich und Eric Galbraith von der kanadischen McGill-Universität haben die Sauerstoff-Daten aus Sedimentbohrkernen ausgewertet. Anhand dieser Daten haben sie rekonstruiert, wie sich weltweit der Sauerstoffgehalt der Ozeane, insbesondere des Pazifiks und des Indischen Ozeans, in den vergangenen 20‘000 Jahren verändert hat.

Steigt Temperatur, schwindet Sauerstoff

Ihre Analysen zeigen: Der markante globale durchschnittliche Anstieg der Temperatur von rund zwei Grad Celsius, der sich zwischen dem Höhepunkt und Ende der letzten Eiszeit, also vor 20‘000 bis 10‘000 Jahren ereignete, wirkte sich massiv auf den Sauerstoffgehalt des Meerwassers aus. Als Folge des Temperaturanstiegs sank der Sauerstoffgehalt vieler Meere dramatisch, und sauerstofflose Meereszonen dehnten sich stärker aus als während der Kaltzeit.

«Nun erwarten wir eine vergleichbare Erwärmung, die sich jedoch in nur wenigen 100 Jahren ereignet», betont Jaccard. Seit der industriellen Revolution hat sich die globale Durchschnittstemperatur um beinahe ein Grad Celsius erhöht. Optimistische Modelle errechnen bis 2100 eine weltweite Erwärmung um durchschnittlich zwei Grad. Obwohl ihre Analysen keine Analogieschlüsse für die zukünftige Entwicklung zulassen, gehen Jaccard und Galbraith davon aus, dass die aktuelle rasche Erwärmung des Klimas zu einem ähnlichen Phänomen führen könnte.

Ausdehnung der Todeszonen

Derzeit sind rund 15 Prozent der Ozeane sauerstoffarme oder –lose «Todeszonen». Sie dehnen sich insbesondere im Nordwestpazifik aus. Solche Todeszonen, so befürchtet Jaccard, dürften sich im Zug der Klimaerwärmung weiter ausdehnen. «Unsere Auswertung bestätigt Studien, die eine Ausdehnung der sauerstoffarmen Meeresgebiete beschreiben», sagt der ETH-Forscher, «insofern sind die Befürchtungen, dass steigende Temperaturen den Meeren Sauerstoff entziehen, berechtigt.»

Besonders dramatisch sind diese Todeszonen deshalb, weil sie in den Bereichen des Meeres liegen, die am meisten Leben beherbergen. So schrumpft insbesondere für die grossen Fische des offenen Meeres der Lebensraum. Ganze Nahrungsnetze drohen zu verarmen. Die biologische Vielfalt in den Meeren dürfte sinken, was auch die Fischerei vor ernste Probleme stellen dürfte.

Schlechte Durchmischung

Der Sauerstoff im Meerwasser stammt vor allem aus dem Gasaustausch der Meeresoberfläche mit der Atmosphäre. Weiter produzieren Algen über die Photosynthese das lebenswichtige Gas. Sauerstoff wird aber verbraucht, wenn tote organische Materie zum Meeresboden absinkt und dabei von verschiedenen Organismen, meist Mikrolebewesen, abgebaut und «veratmet» wird. Wärmere Temperaturen der obersten Wasserschichten stören dieses heikle Gleichgewicht. Denn warmes Wasser kann aus physikalischen Gründen weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes.

Wird das Meerwasser wärmer, bilden sich zudem stabilere Schichten. Warmes Wasser mit geringerer Dichte liegt über kaltem, dichterem Wasser. Diese Schichten durchmischen sich kaum, so dass auch der Gasaustausch mit der Atmosphäre und zwischen den verschiedenen Wassermassen weniger effizient ist.

Literaturhinweis

Jaccard SL & Galbraith ED. Large climate-driven changes of oceanic oxygen concentrations during the last deglaciation. Nature Geoscience (2011). Published online 18 December 2011. DOI: 10.1038/ngeo1352

 
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