Veröffentlicht: 16.11.11
Campus

Globaler Campus als Modell für Spitzenhochschulen

Der internationale Wettbewerb um die begabtesten Studierenden, Forschenden und Fachkräfte nimmt zu. Viele Länder haben Strategien entwickelt, um die wissenschaftlichen Talente anzuwerben oder der Abwanderung vorzubeugen. Die Wissenschaftsrätinnen und –räte des Bundes haben die Strategien von 20 Ländern verglichen und an der ETH Zürich vorgestellt.

Florian Meyer
Die Sommerakademie 2011 von ETH Sustainability brachte Studierende aus 18 Ländern zusammen: Sie ist ein Musterbeispiel für einen «globalen Campus». (Bild: Philippe Neidhart / ETH Zürich)
Die Sommerakademie 2011 von ETH Sustainability brachte Studierende aus 18 Ländern zusammen: Sie ist ein Musterbeispiel für einen «globalen Campus». (Bild: Philippe Neidhart / ETH Zürich) (Grossbild)

Vor gut einem Jahr hat der Bundesrat seine internationale Strategie für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) festgelegt. Ziel dieser Strategie ist es, dass sich die Schweiz langfristig als global bevorzugter Wissenschafts- und Innovationsstandort behaupten und die weltweit besten Studierenden, Forschenden und Fachkräfte anziehen kann.

Allein ist die Schweiz mit dieser Absicht nicht. Viele forschungsstarke Staaten, darunter China, Japan, Südkorea, Russland und Deutschland, aber auch Skandinavien und die EU, haben erkannt, dass sie aktiv werden müssen, wenn sie sich auf dem globalen Markt für wissenschaftliche Talente attraktiv positionieren und die Abwanderung talentierter Studierender und Forschender verhindern wollen.

Auf der anderen Seite hat die weltweite Mobilität der Studierenden seit 2000 gemäss der Bildungsstatistik der OECD um 77 Prozent zugenommen.

Vier Strategien der Internationalisierung

Vor diesem Hintergrund hat das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) seine Wissenschaftsrätinnen und -räte beauftragt, die Internationalisierungsstrategien von 20 Ländern und der EU zu sichten und sie in einem Diskussionspapier zusammenzufassen.

«Die Schweiz steht im internationalen Wettbewerb mit anderen Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstandorten. Darum liefert der Blick auf die Strategien anderer Länder eine wertvolle Grundlage für die Diskussion in der Schweiz», sagte Lutz-Peter Berg, der das «Science and Technology Counselors Global Statement 2011» am Dienstag, 15. November 2011 im Rahmen der Jahrestagung der Wissenschaftsrätinnen und -räte an der ETH Zürich vorstellte.

Wie Lutz-Peter Berg, selber Botschaftsrat für Wissenschaft und Technologie in London und zuständig für Grossbritannien, Irland und Skandinavien, darlegte, zeichnen sich weltweit vier Motivationen oder Strategien zur Talentgewinnung ab.

Hochschulbildung als wirtschaftliches Gut

Die Strategie, Hochschulbildung als Wirtschaftsgut zu betrachten, verfolgen angelsächsische Staaten seit Jahrzehnten. Entsprechend haben Länder wie die USA, Grossbritannien, Australien und Kanada Studienprogramme für ausländische Studierende zu einem attraktiven Geschäft gemacht. Die Studiengebühren für die ausländischen Studierenden sind dabei drei bis viermal höher als jene für einheimische Studierende. Sie schaffen eine zusätzliche Einkommensquelle für die Hochschulen und die Wirtschaft dieser Länder, zumal diese Länder ihre Studienprogramme auch «exportieren» und im Ausland anbieten.

Riskant werden solche Strategien, wenn die Hochschulen, wie dies teilweise in Australien und in Kanada beobachtet wird, Quantität vor Qualität setzen oder wenn die Strategien zur Gewinnung von internationalen Studierenden nicht mit der Einwanderungspolitik zusammenpassen.

«Brain gain» und Rückkehr der Köpfe

Eine weitere Strategie ist es, wenn Länder um ausländische Talente werben, weil sie Fachkräfte für ihre Wissenschaft und die Industrie benötigen. Deutschland, Japan, Südkorea, Russland, UK, Kanada, Schweden oder Dänemark – aber auch die Schweiz - sind Länder, die gezielt in die Gewinnung von Talenten investieren.

«Die Strategien dieser Länder basieren eher auf Zusammenarbeit und Austausch und weniger auf professionell gemanagter Massenrekrutierung wie im angelsächsischen Profitmodell», sagte Lutz-Peter Berg. Solche Strategien kombinieren oft Massnahmen der Studienauswahl mit der Möglichkeit, dass ausländische Studierende anschliessend leichter eine Stelle im Arbeitsmarkt finden.

Notgedrungen einen anderen Weg wählen Schwellenländer wie Indien: Sie konzentrieren ihre Kräfte darauf, die ausgewanderten Talente und Forschenden mit prestigeträchtigen Positionen, guten Gehältern und guten Forschungsressourcen zurückzuholen. Länder wie Brasilien, Russland, China oder Südafrika sind dabei bereits so erfolgreich, dass sie zugleich auch um Talente aus anderen Ländern werben oder einzelne Programme ihrer Hochschulbildung auch im Ausland anbieten.

Globaler Campus als Universität des 21. Jahrhunderts

Eine weitere Strategie der Talentgewinnung, die sich vor allem in Deutschland, Japan, Südkorea, Singapur, Schweden und Dänemark zunehmend durchsetzt, ist der «globale Campus»: Dieses Modell setzt auf die Devise «Qualität vor Quantität». Bevorzugte Mittel sind die aktive Rekrutierung von Talenten, leistungsabhängige Stipendien, gemeinsame Abschlüsse, spezielle Betreuung sowie internationale Zentren und Zusammenarbeit: «Kurse auf Englisch sind an deutschen oder schwedischen Universitäten kein reines ‹Lockmittel› für Ausländer, sondern Teil eines global ausgerichteten Studiums für einheimische Studierende», sagte Lutz-Peter Berg.

«Für die ETH Zürich sind die beiden Strategien ‹Brain gain› und ‹Globaler Campus› relevant. Sie spiegeln sich im Beschluss, die Master-Stufe an der ETH international auszurichten », sagte Anders Hagström von der ETH-Stelle für internationale institutionelle Angelegenheiten und ergänzt: «Mit 35 Prozent internationalen Master-Studierenden haben wir unser Ziel gut erreicht. Weil der Talentwettbewerb jedoch weltweit zunimmt, muss sich die ETH weiterhin anstrengen, um die Qualität auf der Master-Stufe hochzuhalten.»

Grosse Unterschiede in der Strategieumsetzung

Bei der Umsetzung ihrer Strategien unterscheiden sich die untersuchten Staaten erheblich. Ebenso gibt es wenige Gemeinsamkeiten, was die Höhe der Gebühren für ausländische Studierende betrifft. Eine Strategie, um die besten Talente mit Gebühren anzulocken, die deutlich höher sind als jene für einheimische Studierende, kennen freilich nur Dänemark und Schweden. An Bedeutung gewinnen internationale Austauschprogramme zwischen Hochschulen.

Rund zwei Drittel der internationalen Studierenden wählen eine Universität in den USA, Grossbritannien, Australien, Kanada, Deutschland und Frankreich aus. Zusätzlich zu den klassischen Zentren der Studierendenmobilität bilden sich jedoch regionale Knoten in Afrika und in Asien heraus, da zum Beispiel Südafrika oder Russland entsprechende Initiativen ergriffen haben.

Die Schweizer Wissenschaftsaussenpolitik

Der Bund verfügt (Stand 2011) über ein Netzwerk von 23 Wissenschaftsrätinnen und Wissenschaftsräten in 19 Ländern rund um den Globus. Sie beobachten die wissenschafts-, technologie-, innovations- und hochschulpolitischen Entwicklungen in der Gastregion und unterstützen die bilateralen Beziehungen auf der Ebene der Politik, der Verwaltung und der Bildungs- und Forschungsinstitutionen.

Internationalisierung in der Strategie 2012-2016 der ETH Zürich

Mit der Ausbildung motivierter und talentierter junger Menschen leistet die ETH Zürich einen wichtigen Beitrag zur Bildung der technisch-naturwissenschaftlichen Eliten in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft in der Schweiz.
In ihrer Strategie 2012-2016 setzt die ETH Zürich auf eine integrale Sichtweise, in der jede Ausbildungsstufe eine ihrem Ausbildungsziel angemessene Internationalität aufweisen soll: Auf Masterstufe schafft die ETH Zürich für ihre Studierenden ein internationales, leistungsstimulierendes Umfeld, das die Studierenden optimal auf ihr künftiges Arbeitsumfeld oder ein Doktorat im In- oder Ausland vorbereitet. Doktorarbeiten der ETH Zürich erfüllen höchste internationale Standards und tragen wesentlich zur internationalen Reputation der ETH Zürich bei.

 
Leserkommentare: