Veröffentlicht: 04.11.11
Science

Zentraler Enzymkomplex im Detail entschlüsselt

Forscher unter der Leitung von Nenad Ban, Professor für Strukturbiologie an der ETH Zürich, haben die Form der grösseren von zwei Untereinheiten des Ribosoms höherer Organismen aufgeklärt. Dies wird es Wissenschaftlern nicht nur ermöglichen, die Funktion dieser zellulären «Protein-Fabrik» besser zu verstehen, sondern auch, neue Medikamente zu entwickeln.

Fabio Bergamin
Modell der grossen Untereinheit des Ribosoms eines höheren Organismus. (Bild: Katharina Bohm, Felix Voigts-Hoffmann / ETH Zürich)
Modell der grossen Untereinheit des Ribosoms eines höheren Organismus. (Bild: Katharina Bohm, Felix Voigts-Hoffmann / ETH Zürich) (Grossbild)

Die zelluläre Maschine, die die Erbinformation Stück für Stück abliest und darauf basierend Eiweisse herstellt, das sogenannte Ribosom, ist eines der komplexesten Enzyme, das es in der Biologie gibt. Es besteht aus zwei Untereinheiten, die ihrerseits aus mehreren Dutzend Proteinen und weiteren Molekülen zusammengesetzt sind. Vor einem Jahr haben Forscher unter der Leitung von ETH-Professor Nenad Ban bereits die dreidimensionale Struktur der kleineren der beiden Untereinheiten bei einem höheren Organismus entschlüsselt, die sogenannte 40S-Untereinheit (vgl. ETH Life von 15.02.2011). Nun doppelten sie nach und veröffentlichten im Fachmagazin «Science» die Form der grösseren 60S-Untereinheit.

Diese Struktur klärten die Forscher beim einzelligen Wimperntierchen Tetrahymena thermophila auf. Damit haben die Forscher zum ersten Mal die Struktur der grossen Ribosomen-Untereinheit eines höheren Lebewesens aufgelöst. Zu dieser Gruppe von Lebewesen gehören auch Pilze, Pflanzen und Tiere. Die Ribosomen-Untereinheit des Wimperntierchens ist jenem von anderen höheren Lebewesen ähnlich, darunter auch der des Menschen.

Bereits vor zehn Jahren haben Forscher die Struktur beider Untereinheiten von Bakterien-Ribosomen entschlüsselt. In der Arbeitsgruppe von Tom Steitz von der Yale University daran beteiligt war damals auch der heutige ETH-Professor Ban. Steitz und zwei weitere Forschenden wurde für die Arbeit 2009 der Nobelpreis für Chemie verliehen. Die Ribosomen höherer Lebewesen sind grösser und komplexer aufgebaut als jene von Bakterien. Sie sind seit 2001 der Forschungsschwerpunkt des Labors von Professor Ban an der ETH Zürich.

Neue Antibiotika und Fungizide

Der Vergleich der Ribosomen-Struktur von Bakterien und von höheren Lebewesen wird es Wissenschaftlern ermöglichen, neue artspezifische Wirkstoffe gegen schädliche Organismen zu entwickeln. Dazu gehören die gegen Bakterien gerichteten Antibiotika und die gegen Pilze gerichteten Fungizide. Der Ansatz dazu ist, spezifische Wirkstoffe zu entwickeln, die nur bei Schädlingen an das Ribosom binden und somit die lebenswichtige Herstellung von Proteinen zu blockieren.

Ausserdem kann die Erkenntnis auch der Entwicklung von Medikamenten gegen Viren dienen. Dies, weil sich viele Viren nur verbreiten können, wenn sie an die Ribosomen ihrer Wirtszellen binden und diese manipulieren.

Die Kenntnis der Struktur ist darüber hinaus notwendig, um die Funktion der Ribosomen höherer Lebewesen besser zu untersuchen sowie um Erkenntnisse über ihre Entstehung in der Evolution zu gewinnen.

Literaturhinweis

Klinge S, Voigts-Hoffmann F, Leibundgut M, Arpagaus S, Ban N: Crystal Structure of the Eukaryotic 60S Ribosomal Subunit in Complex with Initiation Factor 6. Science, 2011, doi:120.1126/science.1211204

 
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