Veröffentlicht: 11.10.11
Science

Wasserwirbel vermindern biologische Produktivität

ETH-Professor Nicolas Gruber gelang es, zusammen mit einem internationalen Forscherteam eine seit längerem gehegte Vermutung zu bestätigen: Turbulente Wasserwirbel, sogenannte Eddies, können die biologische Produktivität entlang nährstoffreicher Küsten beeinträchtigen. Solche Prozesse zu verstehen ist wichtig für die Klimamodellierung.

Simone Ulmer
Satellitenbild von der Küste Kaliforniens mit Oberflächentemperatur des Meeres (links), und Chlorophyll-a Konzentration (rechts).
Das durch die biologische Produktivität verursachte Chlorophyll-a wird in Falschfarben dargestellt (violett entspricht tiefen Konzentrationen, gelb bis rot hohen Konzentrationen). Die weissen Flecken über dem Ozean sind Wolken. Das Bild entstand Mitte August, in der Zeit, in welcher der Auftrieb seine maximale Stärke hat. (Quelle: MBARI http://www.mbari.org/)
Satellitenbild von der Küste Kaliforniens mit Oberflächentemperatur des Meeres (links), und Chlorophyll-a Konzentration (rechts). Das durch die biologische Produktivität verursachte Chlorophyll-a wird in Falschfarben dargestellt (violett entspricht tiefen Konzentrationen, gelb bis rot hohen Konzentrationen). Die weissen Flecken über dem Ozean sind Wolken. Das Bild entstand Mitte August, in der Zeit, in welcher der Auftrieb seine maximale Stärke hat. (Quelle: MBARI http://www.mbari.org/) (Grossbild)

Der wichtigste biologische Prozess im Ozean ist die Photosynthese, bei der Kohlenstoff gebunden und in organisches Material umgewandelt wird. Das übernehmen im lichtdurchfluteten Bereich der Ozeane mikroskopisch kleine Algen, das Phytoplankton. Doch nicht überall im Ozean sind diese Organismen in gleichem Masse aktiv. Am aktivsten sind sie in den sogenannten Auftriebsgebieten der Ozeane, dort, wo Winde das Oberflächenwasser von der Küste wegtransportieren und dadurch das nährstoffreiche Tiefenwasser an die Oberfläche nachfliessen kann: entlang der Westküsten von Nord- und Südamerika sowie von Afrika.

Eddies als Ursache

Aber selbst in den nährstoffreichen Auftriebsregionen ist die als Primärproduktion bezeichnete biologische Produktivität nicht so stark, wie sie aufgrund des Auftriebs erwartet würde. Nicolas Gruber, Professor am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik, und sein Team untersuchten, welche Faktoren die Primärproduktion – ein zentraler Bestandteil des globalen Kohlenstoffkreislaufs – kontrollieren. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, welche Faktoren neben dem Nährstoffangebot für die Stärke der Primärproduktion eine Rolle spielen. Ins Visier nahmen sie turbulente Wasserwirbel, sogenannte Eddies. Eddies sind kohärente Strömungs-Strukturen die eine Ausdehnung von circa 20 bis 200 Kilometer haben. Sie sind vergleichbar mit den Tief- und Hochdruckgebieten der Atmosphäre.

Die Wissenschaftler fanden anhand hochauflösender Modellsimulationen und statistischen Analysen heraus, dass je mehr turbulente Wirbel in den Auftriebsgebieten vorkommen, desto geringer die biologische Produktivität ist. «Das ist spannend», sagt Gruber, «da es sich hier genau umgekehrt verhält als im offenen Ozean.» Zu den Daten, die in die Analysen einflossen, gehörten die Messungen und Beobachtungen von Satelliten, welche die Höhen der Ozeanoberfläche, Windgeschwindigkeit- und –richtung massen, sowie Aufnahmen der Farbe des Wassers. Über die Wasserfarbe lässt sich die biologische Produktivität abschätzen, da das Chlorophyll der Organismen die Wasserfarbe beeinflusst – umso grüner das Wasser, desto höher ist der Gehalt an Biomasse und die durchschnittliche Primärproduktion.

Die Rolle der Eddies ist für die Forscher wichtig, da diese mit ihrer geringen Ausdehnung von weniger als 200 Kilometern sozusagen durch das Gitternetz der Klimamodelle fallen, also nicht von ihnen aufgelöst werden. Das könnte sich laut Gruber als eine essentielle Lücke in der Rekonstruktion des CO2-Kreislaufs erweisen, da die Produktion des Phytoplanktons beim Austausch von CO2 zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre eine wichtige Rolle spielt. Über die atmosphärische CO2-Konzentration nimmt das Phytoplankton somit auch Einfluss auf das Klima, betont Gruber. Deshalb könne es sein, dass ein möglicherweise wichtiger Kontrollfaktor der biologischen Produktivität in den Ozeanen fehlt, wenn die kleinräumigen turbulenten Wirbel in den Klimamodellen unberücksichtigt bleiben.

Eine Möglichkeit, das Problem zu lösen, ist, die Nettoauswirkungen dieser Eddies auf das Gesamtsystem mit Hilfe von empirischen Zusammenhängen abzuschätzen, das heisst, zu parametrisieren. Das ist aufgrund der neuen Studie nun möglich. «Eine Parametrisierung solcher Prozesse ist notwendig, wenn wir beispielsweise herausfinden wollen, was in den kommenden 100 Jahren mit unserem CO2 in der Atmosphäre und somit unserem Klima passiert», sagt der Umweltphysiker.

Nährstoffe ausser Reichweite

Die Forscher führten ihre zahlreichen Modellsimulationen in unterschiedlicher Auflösung und unter veränderten physikalischen Bedingungen durch. Die dreidimensionalen Modelle machen sichtbar, dass die turbulenten Wirbel die Nährstoffe von der Küste in den offenen Ozean hinaustransportieren und somit dem küstennahen Auftriebsgebiet entziehen. Das hat für die Küstenregion eine geringere Primärproduktion zur Folge. Der Transport der Nährstoffe in den offenen Ozean erhöht dort zwar die Produktion, aber insgesamt bleibt die Primärproduktion geringer als das Nahrungsangebot erwarten lässt. Grund dafür ist, dass der grösste Teil der Nährstoffe in der Tiefe – ausser Reichweite der Photosynthese betreibenden Organismen – von der Küste wegtransportiert wird.

Dass die turbulenten Wirbel einen Einfluss auf die Primärproduktion nehmen, wurde bereits vermutet. Nun jedoch wurde diese Annahme erstmals modelliert, erklärt und durch statistische Analysen untermauert. Die Studie, die in Nature Geoscience publiziert wurde, zeigt, dass Eddies hauptverantwortlich für die niedrige biologische Produktivität in den vergleichsweise nährstoffreichen Auftriebswässer sind. «Wichtig ist der langfristige Effekt», hebt Gruber hervor. Auf den Momentaufnahmen der Simulationen scheint die Primärproduktion an einzelnen Stellen nämlich hoch zu sein, doch über den simulierten Zeitraum von zehn Jahren zeigt sich eindeutig, dass die biologische Produktivität dort, wo Eddies vorkommen, geringer ist.

Entstehung der Eddies

Eddies sind eine Folge der turbulenten Natur der Ozeanzirkulation. Wenn die laminare Strömung instabil wird, beginnt sie Mäander zu bilden, von denen sich dann kohärente Wirbel, sogenannte Eddies, abtrennen können. Instabilitäten bilden sich vor allem an den Küsten aus oder wo grosse Strömungsgradienten bestehen, wie etwa im Golfstrom.

Literaturhinweis

Gruber, N et al.: Eddy-induced reduction of biological production in eastern boundary upwelling systems, Nature Geoscience (2011), published online 02 October 2011, doi:10.1038/ngeo1273

 
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