Veröffentlicht: 31.08.11
Science

Hilfe für Materialforschung im Nanobereich

Werden Nanoteilchen in ein Material eingebaut, um diesem neue Funktionen zu verleihen, müssen die individuellen Eigenschaften unterschiedlicher Nanopartikel gut bekannt sein. Für einzelne Nanopartikel von weniger als 500 Nanometern Grösse waren diese Kenntnisse kaum vorhanden. Ein Verfahren aus der Biologie bringt nun Licht ins Dunkel der noch kleineren «Zwerge».

Simone Ulmer
Nanopartikel auf einer Wasser-Öl-Grenzfläche unter dem Kryo-Rasterelektronenmikroskop. Zur Messung des Kontaktwinkels wurde die Probe aufgebrochen und mit Schwermetallen bedampft. (Bild: Lucio Isa / EMEZ/ ETH Zürich)
Nanopartikel auf einer Wasser-Öl-Grenzfläche unter dem Kryo-Rasterelektronenmikroskop. Zur Messung des Kontaktwinkels wurde die Probe aufgebrochen und mit Schwermetallen bedampft. (Bild: Lucio Isa / EMEZ/ ETH Zürich) (Grossbild)

Wissenschaftlern der ETH Zürich ist es gelungen, ein zentrales Problem in der Materialforschung zu lösen. Sie entwickelten ein Verfahren, mit dem sie den Kontaktwinkel eines nur zehn Nanometer grossen Nanoteilchens an der Grenzfläche zweier Flüssigkeiten messen können. «Diesen Kontaktwinkel zu kennen ist essentiell für die Herstellung neuer Materialien, unter Nutzung der Grenzfläche als ‚Template‘», sagt Lucio Isa, Postdoc an der Professur für Oberflächentechnik und Erstautor der Studie, die in «Nature Communications» publiziert wurde. Der Winkel enthält alle wichtigen Informationen über das Nanoteilchen und das neu entwickelte Material. Über ihn können die Wissenschaftler die Eigenschaften des Partikels und die Struktur des Materials ableiten, um dann Materialien mit genau den Eigenschaften herzustellen, die sie sich wünschen.

Eigenschaften kleinster Nanopartikel sichtbar machen

Für ihre Forschung nutzen die Wissenschaftler Einzellagen von einer öligen und einer wässrigen Substanz, die sie übereinander «schichten». Auf diese flüssige Grenzfläche bringen sie wasserliebende (hydrophile) und fettliebende (hydrophobe) Nanopartikel auf, die bis zu 5000 Mal kleiner als der Durchmesser eines Menschenhaars sind. Je tiefer die Partikel im Wasser eintauchen, desto kleiner ist der Kontaktwinkel. Mit herkömmlichen bildgebenden Verfahren unter dem Elektronenmikroskop war es bis anhin jedoch nicht möglich, diesen Winkel für einzelne Nanopartikel, die kleiner als 500 Nanometer sind, direkt zu messen. «Bei dieser Grössenordnung fangen Lichtoptik und Probe an zu interferieren», erklärt Roger Wepf, Leiter des Elektronenmikroskopie-Zentrums der ETH Zürich. Der Winkel konnte deshalb nur indirekt mit Hilfe von bestimmten Substanzen gemessen werden, die jedoch die Proben chemisch beeinflussen. Der gemessene Winkel war deshalb nur eine Annäherung an den realen Wert.

Wepf brachte Isa auf die Idee, ein altbewährtes, rein physikalisches Verfahren zum Messen der Winkel zu verwenden: Die sogenannte Gefrierätztechnik wurde in den vergangenen 15 Jahren vor allem von Biologen benutzt. Damit froren sie Proben innert Mikrosekunden ein und erzeugten davon Gefrierbrüche, um sie unter dem Kryo-Rasterelektronenmikroskop zu untersuchen. Isa und sein Team nutzten nun die Gefrierätztechnik, froren die mit den Nanopartikeln angereicherten Grenzflächen ein und erzeugten Brüche entlang der Grenzflächen. Dadurch ragen die Nanopartikel aus einer der Grenzflächen heraus, während auf der gegenüberliegenden Bruchseite die Abdrücke der Partikel erhalten bleiben. Die Partikel bedampften sie anschliessend in einem definierten Winkel mit Schwermetallen.

Der ein bis drei Nanometer dünne Schwermetallüberzug macht die Nanopartikel unter dem Tieftemperatur Rasterelektronenmikroskop sichtbar und ermöglicht, ihre Grösse und ihren Abstand zueinander präzise zu messen. Der Überzug verursacht einen Schattenwurf der Partikel wie bei einer Sonnenuhr. Über die gemessene Schattenlänge wird die relative Höhe der Partikel zur Grenzfläche gemessen, welche wiederum den Kontaktwinkel bestimmt. Der Kontaktwinkel liefert den Wissenschaftlern Informationen darüber, wie viel Platz die Partikel auf der Grenzfläche einnehmen. Darüber können die Forscher Rückschlüsse darauf ziehen, mit welcher Energie die Teilchen an Ort und Stelle festgehalten werden.

Partikel als Stabilisatoren

Wichtig ist diese Information in unserem Alltag unter anderem für die Herstellung von Emulsionen, in denen Fette und Flüssigkeiten zusammen verarbeitet werden. Etwa bei Salben, Cremes oder Mayonnaise, bei denen unter anderem kleine Proteine die Rolle der Nanopartikel übernehmen und die Emulsion stabilisieren. «Giesst man Öl und Essig zusammen, verrührt sie und geht zwischendurch telefonieren, haben sich Öl und Essig nach dem Telefonat wieder getrennt», verdeutlicht Isa. Mische man jedoch Pfeffer dazu, besetze das Pfefferpulver die Grenzfläche zwischen Essig und Öl und stabilisiere so die Emulsion.

Isa betont die neuen und attraktiven Möglichkeiten, die diese Methode der Medizin eröffne. Etwa bei der Erforschung von «Nano-Medizintransportern», mit denen Medikamente direkt in die Tumorzelle transportiert werden sollen. Isas Herz schlägt jedoch für die klassische Materialforschung: «Für mich ist es von grosser Bedeutung, derartige Grenzflächen mit ihren Einzellagen zu verstehen, um dann herauszufinden, wie wir sie herstellen können.»

Die Messungen zeigen aber auch, dass sich zwischen gleichartigen Partikeln der Kontaktwinkel verändern kann. Kriegt man diese Variationen in den Griff, könnten in Zukunft Nano-Materialien mit viel besser definierten Eigenschaften hergestellt werden.

Literaturhinweis

Isa L, Lucas F, Wepf R & Reimhult E: Measuring single-nanoparticle wetting properties by freeze-fracture shadow-casting cryo-scanning electron microscopy, Nature Communications (2011), doi: 10.1038/ncomms1441

 
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