«Einzigartige Möglichkeiten»
Vanessa Wood gehört zu jenen Wissenschaftlern, die man gerne als «Überflieger» bezeichnet: Yale-Absolventin mit 22, Doktorin mit 26, Professorin mit 27 Jahren. Im Interview erzählt die sympathische Nano-Forscherin, was sie vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) an die ETH gelockt hat - wo sie heute unter anderem im neuen «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center» arbeitet.
Frau Wood, wie
haben Sie davon erfahren, dass die ETH eine Professorin für Nanophotonik und
Nanoelektronik sucht?
Im Februar 2010 bekam ich von der ETH einen Anruf. Die ETH
suchte einen Vertreter aus meinem Fachbereich und hatte gehört, dass ich mich
als Professorin bewerbe. Also baten sie mich, meine Bewerbungsunterlagen einzureichen, und das habe
ich getan.
Was hat den Ausschlag für Ihre Entscheidung zugunsten Zürichs gegeben?
Ich war extrem beeindruckt von den hier zur Verfügung
stehenden Ressourcen und den anderen Wissenschaftlern, die ich hier bei meinem
Besuch kennenlernte. Da war eindeutig ein starker Kooperationsgeist und viel Begeisterung für
die Forschung zu spüren.
Mit den
Ressourcen meinen Sie vor allem das neue Nanoforschungszentrum in Rüschlikon,
das die ETH Zürich gemeinsam mit IBM betreibt.
Mein Team und ich sind in der glücklichen Lage, zwei
Forschungsstandorte zu haben: das optoelektronische Labor im ETH-Zentrum
und das Energiespeicher-Labor im «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center».
In diesem Center gibt es einen Reinraum, der von der ETH und IBM gemeinsam
genutzt wird. Er ist speziell darauf ausgelegt, neue Materialien und Verfahren
in die Standardfertigung einzuführen. Eine solche Einrichtung ist wesentlich, um das
wissenschaftliche und industrielle Potenzial der Nanotechnologie nutzbar zu
machen. In
den meisten Reinräumen darf man mit Nanomaterialien zu Forschungszwecken gar
nicht arbeiten. Insofern schliesst das «Binnig and Rohrer Nanotechnology
Center» eine wichtige Lücke und setzt dabei neue Massstäbe.
An was genau arbeiten Sie in den beiden Laboratorien?
Wir untersuchen den Ladungstransport in nanoskaligen
Systemen und verwenden die dabei gewonnenen Erkenntnisse beispielsweise für die
Konstruktion von Solarzellen, Akkumulatoren und Leuchtdioden. Zum Beispiel konzentrieren wir
uns auf neue Methoden zur Charakterisierung von Akkumaterialien und zur Konzeption
neuartiger Akkuarchitekturen. Wenn man die aktive Masse von Akkus verkleinert, erhöht
sich das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Damit
erreicht man höhere Lade- und Entladeströme, die für Anwendungen in
Elektrofahrzeugen interessant sein könnten.
Über welchen
Grössenordnungen reden wir bei den Nanomaterialien, die Sie nutzen?
Wir reden von einer Grössenordnung, die 80.000-mal
kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars ist. In unseren
Labors interessieren wir uns für Werkstoffe mit Abmessungen von unter
50 Nanometern. Unterhalb dieser Schwelle verhalten sich Materialien völlig anders als
grössere Partikel desselben Materials.
Können Sie ein
Beispiel dafür geben?
Wenn Sie beispielsweise ein paar grosse Stücke eines
optisch aktiven Halbleitermaterials nehmen, dann wird jedes Stück dieselbe
Lichtfarbe absorbieren. Wenn Sie hingegen aus demselben Halbleitermaterial Partikel in einer
Grössenordnung von zwei bis zehn Nanometer Durchmesser herstellen, wird von
jedem solchen Partikel unterschiedliches farbiges Licht absorbiert, da die elektronische
Struktur des Materials verändert wurde. Diese Nanopartikel, die wir als Quantenpunkte bezeichnen,
sind äusserst interessant für Anwendungen in Solarzellen und in der
Beleuchtungstechnik. Solche Quantenpunkte besitzen zwar aussergewöhnliche optische
Eigenschaften, durch ihre geringe Grösse wird jedoch der Ladungstransport
erschwert. Eines
unserer Forschungsprojekte am Labor für Nanoelektronik will Mittel und Wege
finden, um die günstigen optischen Eigenschaften dieser Materialien nutzen zu
können, ohne den Beschränkungen des schlechten Ladungstransports unterworfen zu
sein.
Wie wichtig ist
dabei die Zusammenarbeit mit den Forschern von IBM?
Die Studierenden
der ETH, die im Reinraum des «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center»
arbeiten, haben die einzigartige Gelegenheit, die dortigen Räumlichkeiten,
Gerätschaften und Wissensressourcen mit IBM-Wissenschaftlern zu teilen, die in
der Nanotechnologie-Forschung und Entwicklung führend sind. Durch die räumliche und geistige Nähe
im Center wird unsere Interaktion mit IBM-Forschern erheblich gefördert, und so
freuen wir uns darauf, mit den IBM-Kollegen eine noch weitreichendere
Zusammenarbeit aufzubauen.
Viele Menschen haben Angst davor, dass Nanopartikel unkontrolliert in die
Umwelt gelangen könnten. Was sagen Sie denen?
Als Erstes muss man sich klar machen, dass unter
Nanotechnologie ganz unterschiedliche Dinge zu verstehen sind: Manche
Forschergruppen möchten Nanopartikel im Gesundheitsbereich einsetzen. Unser Labor
arbeitet hingegen nicht an biologischen Anwendungen. Unsere
Nanopartikel sind in Geräten verkapselt, so dass sie mit dem menschlichen
Körper oder der Umwelt nicht in Berührung kommen. Dennoch
sind alle Labors bei uns mit speziellen Be- und Entlüftungssystemen
ausgestattet und verfügen über spezielle chemische Entsorgungsverfahren, um die
Nanopartikel zu isolieren. Wir sind der Meinung, dass man alle Vorsichtsmassnahmen
treffen sollte, um die Sicherheit der Forscher zu gewährleisten und jegliche
Umwelteinwirkungen zu vermeiden.
Wie steht es mit der Verantwortung der Wissenschaftler selbst?
Insgesamt glaube ich, dass wir als Wissenschaftler und
Ingenieure die ethische Verpflichtung haben, auch die Auswirkungen der
Herstellung und Entsorgung der von uns entwickelten Werkstoffe und Produkte zu
berücksichtigen. Das gilt aber für jede Technologie, nicht nur für Nanomaterialien. Ein erster
Schritt besteht in der Erforschung der Risiken. In der
Schweiz sind wir in der glücklichen Lage, über das nationale Forschungsprogramm
«Chancen und Risiken von Nanomaterialien» gleichzeitig einen positiven Dialog
über die Sicherheit zu führen und in die Sicherheit zu investieren.
Wann werden denn die ersten Nano-Solarzellen auf den Markt
kommen?
Das Interesse seitens der Wirtschaft
ist derzeit sehr gross; deshalb rechne ich in ein paar Jahren mit den ersten
Produkten. Allerdings wird es meiner Meinung nach noch etliche Jahre dauern, bis die
Verwendung von Nanowerkstoffen in Solarzellen wirklich ausgereift ist. Nanomaterialien verbessern ja nicht
augenblicklich die Technologie. Vielmehr müssen wir begreifen, wie und wann wir
sie am effektivsten einsetzen können. Aber gerade diese offenen Fragen zu den
Nanowerkstoffen, zum Beispiel, wie wir ihre neuartigen Eigenschaften am besten
nutzen können, sind der Grund, warum es so spannend ist, in diesem
Forschungsbereich tätig zu sein.
Vanessa Wood
ist seit Januar 2011 am Departement für Informationstechnologie und
Elektrotechnik der ETH Zürich tätig. Sie leitet dort das Labor für
Nanoelektronik. Zuvor hatte sie als Forscherin eine
Postdoc-Stelle unter der Leitung von Professor Yet-Ming Chiang und Professor
Craig Carter in der Abteilung für Werkstoffkunde und -technik am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) inne, wo sie nanostrukturierte
Kolloidsuspensionen für Energiespeicheranwendungen untersuchte. Vanessa Wood erwarb einen Master of
Science und promovierte in der Abteilung für Elektrotechnik und Informatik des
MIT. Dort forschte sie an kolloidalen Nanokristallen und untersuchte deren
Einsatz in optoelektronischen Vorrichtungen wie Leuchtdioden und Solarzellen.
Siehe auch ETH Life
vom 18.05.2011 und 19.05.2011.
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