Veröffentlicht: 04.08.11
Science

«Einzigartige Möglichkeiten»

Vanessa Wood gehört zu jenen Wissenschaftlern, die man gerne als «Überflieger» bezeichnet: Yale-Absolventin mit 22, Doktorin mit 26, Professorin mit 27 Jahren. Im Interview erzählt die sympathische Nano-Forscherin, was sie vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) an die ETH gelockt hat - wo sie heute unter anderem im neuen «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center» arbeitet.

Christine Heidemann
Vanessa Wood in ihrem Labor an der ETH Zürich. Mit den Geräten im Hintergrund können die Forscher Leuchtdioden, Solarzellen und Akkus, eingebettet in hauchdünne Filme, herstellen. (Bild: Tom Kawara)
Vanessa Wood in ihrem Labor an der ETH Zürich. Mit den Geräten im Hintergrund können die Forscher Leuchtdioden, Solarzellen und Akkus, eingebettet in hauchdünne Filme, herstellen. (Bild: Tom Kawara) (Grossbild)

Frau Wood, wie haben Sie davon erfahren, dass die ETH eine Professorin für Nanophotonik und Nanoelektronik sucht?
Im Februar 2010 bekam ich von der ETH einen Anruf. Die ETH suchte einen Vertreter aus meinem Fachbereich und hatte gehört, dass ich mich als Professorin bewerbe. Also baten sie mich, meine Bewerbungsunterlagen einzureichen, und das habe ich getan.

Was hat den Ausschlag für Ihre Entscheidung zugunsten Zürichs gegeben?
Ich war extrem beeindruckt von den hier zur Verfügung stehenden Ressourcen und den anderen Wissenschaftlern, die ich hier bei meinem Besuch kennenlernte. Da war eindeutig ein starker Kooperationsgeist und viel Begeisterung für die Forschung zu spüren.

Mit den Ressourcen meinen Sie vor allem das neue Nanoforschungszentrum in Rüschlikon, das die ETH Zürich gemeinsam mit IBM betreibt.
Mein Team und ich sind in der glücklichen Lage, zwei Forschungsstandorte zu haben: das optoelektronische Labor im ETH-Zentrum und das Energiespeicher-Labor im «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center». In diesem Center gibt es einen Reinraum, der von der ETH und IBM gemeinsam genutzt wird. Er ist speziell darauf ausgelegt, neue Materialien und Verfahren in die Standardfertigung einzuführen. Eine solche Einrichtung ist wesentlich, um das wissenschaftliche und industrielle Potenzial der Nanotechnologie nutzbar zu machen. In den meisten Reinräumen darf man mit Nanomaterialien zu Forschungszwecken gar nicht arbeiten. Insofern schliesst das «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center» eine wichtige Lücke und setzt dabei neue Massstäbe.

An was genau arbeiten Sie in den beiden Laboratorien?
Wir untersuchen den Ladungstransport in nanoskaligen Systemen und verwenden die dabei gewonnenen Erkenntnisse beispielsweise für die Konstruktion von Solarzellen, Akkumulatoren und Leuchtdioden. Zum Beispiel konzentrieren wir uns auf neue Methoden zur Charakterisierung von Akkumaterialien und zur Konzeption neuartiger Akkuarchitekturen. Wenn man die aktive Masse von Akkus verkleinert, erhöht sich das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Damit erreicht man höhere Lade- und Entladeströme, die für Anwendungen in Elektrofahrzeugen interessant sein könnten.

Über welchen Grössenordnungen reden wir bei den Nanomaterialien, die Sie nutzen?
Wir reden von einer Grössenordnung, die 80.000-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars ist. In unseren Labors interessieren wir uns für Werkstoffe mit Abmessungen von unter 50 Nanometern. Unterhalb dieser Schwelle verhalten sich Materialien völlig anders als grössere Partikel desselben Materials.

Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Wenn Sie beispielsweise ein paar grosse Stücke eines optisch aktiven Halbleitermaterials nehmen, dann wird jedes Stück dieselbe Lichtfarbe absorbieren. Wenn Sie hingegen aus demselben Halbleitermaterial Partikel in einer Grössenordnung von zwei bis zehn Nanometer Durchmesser herstellen, wird von jedem solchen Partikel unterschiedliches farbiges Licht absorbiert, da die elektronische Struktur des Materials verändert wurde. Diese Nanopartikel, die wir als Quantenpunkte bezeichnen, sind äusserst interessant für Anwendungen in Solarzellen und in der Beleuchtungstechnik. Solche Quantenpunkte besitzen zwar aussergewöhnliche optische Eigenschaften, durch ihre geringe Grösse wird jedoch der Ladungstransport erschwert. Eines unserer Forschungsprojekte am Labor für Nanoelektronik will Mittel und Wege finden, um die günstigen optischen Eigenschaften dieser Materialien nutzen zu können, ohne den Beschränkungen des schlechten Ladungstransports unterworfen zu sein.

Wie wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit den Forschern von IBM?
Die Studierenden der ETH, die im Reinraum des «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center» arbeiten, haben die einzigartige Gelegenheit, die dortigen Räumlichkeiten, Gerätschaften und Wissensressourcen mit IBM-Wissenschaftlern zu teilen, die in der Nanotechnologie-Forschung und Entwicklung führend sind. Durch die räumliche und geistige Nähe im Center wird unsere Interaktion mit IBM-Forschern erheblich gefördert, und so freuen wir uns darauf, mit den IBM-Kollegen eine noch weitreichendere Zusammenarbeit aufzubauen.

Viele Menschen haben Angst davor, dass Nanopartikel unkontrolliert in die Umwelt gelangen könnten. Was sagen Sie denen?
Als Erstes muss man sich klar machen, dass unter Nanotechnologie ganz unterschiedliche Dinge zu verstehen sind: Manche Forschergruppen möchten Nanopartikel im Gesundheitsbereich einsetzen. Unser Labor arbeitet hingegen nicht an biologischen Anwendungen. Unsere Nanopartikel sind in Geräten verkapselt, so dass sie mit dem menschlichen Körper oder der Umwelt nicht in Berührung kommen. Dennoch sind alle Labors bei uns mit speziellen Be- und Entlüftungssystemen ausgestattet und verfügen über spezielle chemische Entsorgungsverfahren, um die Nanopartikel zu isolieren. Wir sind der Meinung, dass man alle Vorsichtsmassnahmen treffen sollte, um die Sicherheit der Forscher zu gewährleisten und jegliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden.

Wie steht es mit der Verantwortung der Wissenschaftler selbst?
Insgesamt glaube ich, dass wir als Wissenschaftler und Ingenieure die ethische Verpflichtung haben, auch die Auswirkungen der Herstellung und Entsorgung der von uns entwickelten Werkstoffe und Produkte zu berücksichtigen. Das gilt aber für jede Technologie, nicht nur für Nanomaterialien. Ein erster Schritt besteht in der Erforschung der Risiken. In der Schweiz sind wir in der glücklichen Lage, über das nationale Forschungsprogramm «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» gleichzeitig einen positiven Dialog über die Sicherheit zu führen und in die Sicherheit zu investieren.

Wann werden denn die ersten Nano-Solarzellen auf den Markt kommen?
Das Interesse seitens der Wirtschaft ist derzeit sehr gross; deshalb rechne ich in ein paar Jahren mit den ersten Produkten. Allerdings wird es meiner Meinung nach noch etliche Jahre dauern, bis die Verwendung von Nanowerkstoffen in Solarzellen wirklich ausgereift ist. Nanomaterialien verbessern ja nicht augenblicklich die Technologie. Vielmehr müssen wir begreifen, wie und wann wir sie am effektivsten einsetzen können. Aber gerade diese offenen Fragen zu den Nanowerkstoffen, zum Beispiel, wie wir ihre neuartigen Eigenschaften am besten nutzen können, sind der Grund, warum es so spannend ist, in diesem Forschungsbereich tätig zu sein.

Vanessa Wood

ist seit Januar 2011 am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik der ETH Zürich tätig. Sie leitet dort das Labor für Nanoelektronik. Zuvor hatte sie als Forscherin eine Postdoc-Stelle unter der Leitung von Professor Yet-Ming Chiang und Professor Craig Carter in der Abteilung für Werkstoffkunde und -technik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) inne, wo sie nanostrukturierte Kolloidsuspensionen für Energiespeicheranwendungen untersuchte. Vanessa Wood erwarb einen Master of Science und promovierte in der Abteilung für Elektrotechnik und Informatik des MIT. Dort forschte sie an kolloidalen Nanokristallen und untersuchte deren Einsatz in optoelektronischen Vorrichtungen wie Leuchtdioden und Solarzellen.
Siehe auch ETH Life vom 18.05.2011 und 19.05.2011.

 
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