Neue Methode für die Brustkrebserkennung
Forscher des Paul Scherrer Instituts und der ETH Zürich haben eine neue Methode zur Diagnose von Brustkrebs entwickelt und mit dem Kantonsspital Baden erstmals an menschlichem Gewebe getestet. Die Methode macht Strukturen sichtbar, welche die herkömmliche Mammografie nicht abbildet. Die Firma Philips plant einen Prototyp für die klinische Praxis.
Regelmässige Untersuchungen der weiblichen Brust sollen helfen, allfällige Tumore frühzeitig zu erkennen, um sie rechtzeitig behandeln zu können. Dabei erwartet man von einem guten Mammografie-Verfahren, dass der Arzt damit möglichst alle Veränderungen erkennt und Tumorgewebe gut von anderen Gewebeveränderungen unterscheiden kann. Gleichzeitig sollte die Strahlendosis bei der Untersuchung möglichst gering sein.
Für Mammografien setzen Mediziner seit Längerem
konventionelle Röntgenverfahren ein. Damit bestimmt man allerdings nur, wie
stark verschiedene Gewebestrukturen das Röntgenlicht abschwächen.
Die neue Methode hingegen nutzt auch die Tatsache, dass Licht eigentlich aus Wellen besteht und sich die Welleneigenschaften des Lichts auf dem Weg durch das Gewebe ein wenig verändern. Wissenschaftler können diese Abweichungen messen und daraus ein aussagekräftiges Bild des Untersuchungsobjekts erstellen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in der Online-Ausgabe der Zeitschrift «Investigative Radiology».
Test unter realitätsnahen Bedingungen
Das Verfahren haben Forscher des Paul Scherrer Instituts (PSI) und der ETH Zürich entwickelt. In Zusammenarbeit mit Ärzten des Kantonsspitals Baden haben sie damit erstmals Bilder von Gewebe aus Brustoperationen erzeugen können. Die Patientinnen haben der Verwendung ihres Gewebes schriftlich zugestimmt. Die Studie wurde vom Institutional Review Board des Kantonsspitals gebilligt. Damit kamen die Wissenschaftler der Situation einer tatsächlichen Untersuchung am Menschen sehr nahe.
«Mit dem neuen Verfahren konnten wir zum Beispiel Narben
von Tumorgewebe unterscheiden oder kleinste Krebsknötchen identifizieren, die
mit den heutigen Untersuchungstechniken noch nicht erkannt werden» sagt Nik
Hauser, Leitender Arzt der Frauenklinik und des zertifizierten Brustzentrums am
Kantonsspital Baden. Zurzeit wird eine klinische Studie durchgeführt, die die
Vorteile der neuen Methode an einer grösseren Patientenzahl nachweisen soll.
Insbesondere sollen hier Ärzte, die nicht an der Entwicklung der Methode beteiligt waren, die Vorteile der neuen Bilder gegenüber herkömmlichen Röntgenbildern beurteilen. Auch auf Forschungsseite steht noch Arbeit an: «Wir müssen besser verstehen, was die zusätzlichen Signale, die wir neu messen können, in einem klinischen Bild bedeuten. Das ist ein sehr grosser Schritt», sagt Marco Stampanoni, Professor am Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich und der Universität Zürich und Projektleiter am Labor für Makromoleküle und Bioimaging am Paul Scherrer Institut.
Methode aus dem Paul Scherrer Institut
Bei dem neuen Verfahren, dem so genannten
Phasenkontrastverfahren, wird die Brust wie bis anhin mit Röntgenstrahlen
durchleuchtet. Eine gewöhnliche Röntgenaufnahme zeigt aber nur, wie viel von
der Röntgenstrahlung im Gewebe zurückgehalten wird.
Es bildet im Prinzip nur den Schatten des untersuchten Objekts ab. Auf dem Weg durch das Untersuchungsobjekt verändert sich das Röntgenlicht aber auf subtile Weise: Licht ist eine elektromagnetische Welle. Auf ihrem Weg durch die verschiedenen Gewebestrukturen ändert sich die Richtung der Welle geringfügig - ein Effekt, den man ähnlich bei Wasserwellen beobachten kann, die am Ufer auf einen Stein auftreffen.
Eine Besonderheit des verwendeten Phasenkontrastverfahrens sind drei sehr feine Gitter, die das Röntgenlicht passieren muss - eines vor dem Untersuchungsgegenstand und zwei dahinter. Hier wechselwirken die verschiedenen Teile der Lichtwellen so miteinander, dass die gewünschte Information zugänglich gemacht wird. Eine Röntgenröhre, die den im klinischen Alltag zum Einsatz kommenden Röhren im Wesentlichen gleicht, erzeugt das Röntgenlicht.
Nächstes Ziel: Prototyp für die Praxis
Ziel der Arbeiten ist die Entwicklung eines Geräts, das
zur regelmässigen Routine-Brustuntersuchung in der klinischen Praxis zum
Einsatz kommen kann und aussagekräftige Bilder des Brutgewebes liefert. Die Kosten
sollen deutlich niedriger sein als im Fall von Computer- oder
Kernspin-Tomografie-Aufnahmen. «Theoretisch sollte es mit dieser Methode möglich
sein, viel bessere Bilder zu erzeugen.
Davon kann man mit der bestehenden Technologie im Moment nur träumen», erklärt Stampanoni. Falls man mit vernünftigem finanziellem Aufwand ein Produkt entwickeln könne, dürften viele Spitäler daran interessiert sein», betont der ETH-Professor.
Als Partner auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung hat sich die Firma Philips auf das Projekt eingelassen. «Das Potenzial der Methode definiert sich dadurch, dass die gemessenen Informationen neuartig sind und dass herkömmliche, in der Medizintechnik verbreitete Technologien zur Erzeugung und Detektion von Röntgenstrahlung eingesetzt werden», sagt Ewald Rössl, Projektleiter des entsprechenden Forschungsprojekts bei Philips.
Literaturhinweis
Stampanoni M, Wang Z, Thuring T, David C, Roessl E, Trippel M, Kubik-Huch RA, Singer G, Hohl MK & Hauser N. The First Analysis and Clinical Evaluation of Native Breast Tissue Using Differential Phase-Contrast Mammography. Investigative Radiology Preliminary Report 22 July 2011. DOI: 10.1097/RLI.0b013e31822a585f .
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