Veröffentlicht: 02.05.11
Campus

Wer innovativ sein will, muss Fehler machen

Am 45. Nationalen Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» sind Gymnasiasten und Berufsschüler für die besten Forschungsprojekte ausgezeichnet worden. Bei der feierlichen Prämierung im Auditorium Maximum der ETH zeigte sich Bundesrat Johann Schneider-Ammann beeindruckt von den Leistungen der Jungforscher.

Alice Werner
Bundesrat Johann Schneider-Ammann lässt sich gemeinsam mit ETH-Forschungschef Roland Siegwart (hinten links) und Stiftungspräsident Heinz Müller (Mitte) das Setonat-Projekt erklären, das einen Sonderpreis erhalten hat. (Bild:Stiftung Schweizer Jugend forscht)
Bundesrat Johann Schneider-Ammann lässt sich gemeinsam mit ETH-Forschungschef Roland Siegwart (hinten links) und Stiftungspräsident Heinz Müller (Mitte) das Setonat-Projekt erklären, das einen Sonderpreis erhalten hat. (Bild:Stiftung Schweizer Jugend forscht) (Grossbild)

ETH-Präsident Ralph Eichler wusste schon mit sechs, was er später einmal werden wollte. Nicht Feuerwehrmann, nicht Polizist, auch nicht Helikopterpilot. Der Erstklässler hatte anderes im Sinn: Physiker werden. «Der Weltraum wurde erobert und am Radio liefen Sendungen mit populärwissenschaftlichem Inhalt. Das hat mich fasziniert», sagt Eichler. 1967, im Alter von zwanzig Jahren, nahm er am ersten Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» teil. Der Titel seiner Arbeit: «Ein zahlenlesender Computer für Addition und Multiplikation». Der ETH-Präsident erinnert sich noch an eine Auseinandersetzung mit seinem Vater: «Er meinte, ich dürfe kein Gehäuse für den Computer bauen, das sei eine Ablenkung vom Wesentlichen.» Eichlers Physiklehrer war gegenteiliger Meinung, der Computer bekam ein Gehäuse – und der Jungforscher den zweiten Preis.

Auch unter den achtundsiebzig Jugendlichen aus Mittel- und Berufsschulen, die es fast fünfundvierzig Jahre später in die Endrunde des Nationalen Wettbewerbs von «Schweizer Jugend forscht» geschafft haben, scheinen viele ihr Steckenpferd schon gefunden zu haben. «Electric movement. Entwicklung und Konstruktion eines strassentauglichen Elektromotorrades», «In dubio pro Google. Das WWW als statistische Entscheidungshilfe am Beispiel eines Lateinübersetzungsprogramms» oder «47, XX, +mar: Charakterisierung eines eigenen Markerchromosoms» – allein die Titel der eingereichten Forschungsarbeiten zeigen: Hier will jemand – allein oder im Team – einem ganz spezifischen Problem lösungsorientiert auf den Grund gehen.

Besonderes Können und Wissen

«Das Interesse der Jugend an wissenschaftlichen Themen ist in der Tat gross», eröffnet Heinz Müller, Stiftungsratspräsident «Schweizer Jugend forscht», die diesjährige Prämierungsfeier im Auditorium Maximum der ETH. Pro Jahr nehmen über fünfhundert talentierte Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis dreiundzwanzig an den verschiedenen Förderungsangeboten der Stiftung teil. «Ihr aber habt euch durch ganz besonderes Können und Wissen ausgezeichnet», lobt Müller die Preisträger und Preisträgerinnen 2011. So hätten sie Forschersinn, Ausdauer und Hartnäckigkeit bewiesen.

Neugier, Entdeckergeist und Kreativität der Wettbewerbsteilnehmenden würdigt Roland Siegwart, Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH. In seiner Ansprache betont der Professor, der am Institut für Robotik und Intelligente Systeme forscht, dass Wissen der wichtigste Rohstoff im Land sei. «Es ist schön zu sehen, dass der Schweiz, die weltweit einen Spitzenplatz einnimmt, wenn es um Entdeckungen und Innovationen geht, die Jungforscher nicht ausgehen.» Daher wolle er den Anlass nutzen, so Siegwart weiter, ein wenig Werbung für die eigene Hochschule zu machen – dem «Schweizer Motor für erkenntnisgetriebene Innovation». Die Jugendlichen im Saal bekommen einen ersten Eindruck, was es heisst, an der besten kontinentaleuropäischen Universität zu studieren: «Die ETH ist sogar Weltmeister im Nano-Fussball», sagt Siegwart. Der Vizepräsident erwähnt noch eine weitere Erfolgsgeschichte: Es war einmal ein junger Abiturient, der wollte unbedingt einen Roboter-Fisch bauen, seit er im «Spektrum der Wissenschaft» von einem ähnlichen Objekt gelesen hatte. Für die Matura-Arbeit war das Thema aber zu komplex. Der junge Mann studierte und konnte sich schliesslich seinen (Forscher-)Traum vom «intelligenten Thunfisch» doch noch erfüllen – im Rahmen eines ETH-Fokusprojekts. «Studiert, was Euch fasziniert», gibt Siegwart den Jugendlichen mit auf den Weg – «hoffentlich an der ETH!»

Kluge Köpfe mit Ausdauer und Durchhaltewillen

Seine eigene Zeit an der ETH sei leider schon länger vorbei, bedauert Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu Beginn seiner Festrede. Gerade an einem Tag wie diesem, in einem Raum mit jungen Menschen, «die unser Land vorwärts bringen», komme Heimweh auf. «Bewahrt euch eure Neugier und Offenheit», so sein Ratschlag, «im Berufsleben wird man oft viel zu schnell zum Spezialisten.» Wie bereits in seiner 100-Tage-Bilanz im Januar dieses Jahres, betont Schneider-Ammann vor seinem jungen Publikum die Wichtigkeit von Bildung und Nachwuchsförderung für den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz. Als Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements weiss er um den engen Zusammenhang von Innovationskraft und Wettbewerb: «Eine gute Idee allein reicht noch nicht, man muss sie auch auf dem Markt durchzusetzen wissen.» Gefragt seien kluge Köpfe mit Ausdauer und Durchhaltewillen. Der Bundesrat findet anerkennende Worte für die Leistung der Jugendlichen: «Die Posterausstellung beweist mir: Ihr habt bei diesem Wettbewerb eindrückliche Ergebnisse vorgelegt.» Autonomie im Denken sei wichtig, aber auch Mut: «Nur wer Risiken eingeht, kommt zu originellen und neuen Erkenntnissen. Erst eine Fehlerkultur lässt eine Innovationskultur entstehen.»

Prädikate und Sonderpreise

Im zweiten Teil der Veranstaltung erfahren die jungen Forscher schliesslich, wie die Fachjury ihre Arbeiten bewertet hat. Neunzehn von vierundsechzig Projekten erhalten das Prädikat «hervorragend». Die Themen der ausgezeichneten Analysen, Untersuchungen und Prototypen reichen vom animierten Musikvideo, über den Bau einer funktionstüchtigen Gasturbine, bis zu einer Vergleichsstudie zum Rauchstopp bei Jugendlichen. Neben den Prädikaten werden dreiundzwanzig Sonderpreise für besonders innovative Ideen verliehen. Den Preisträgern wird damit zum Beispiel ein Forschungsaufenthalt in einem Unternehmen, die Teilnahme an einer Konferenz oder der Besuch einer internationalen Wissenschafts-Olympiade ermöglicht. Mit den Sonderpreisen im Ausland will die Stiftung «Schweizer Jugend forscht» neben ihrer nationalen Nachwuchsförderung auch den internationalen Austausch von wissenschaftlich interessierten Jugendlichen unterstützen. Wie bereichernd dies sein kann, erzählen zwei Preisträger des letzten Jahres, die zum «European Union Contest for young Scientists» in Lissabon eingeladen waren: «Ganz ehrlich: Das war eines der schönsten Erlebnisse in unserem Leben.»

 
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