An der Schnittstelle von Pharmazie
Ausgebildet wurde Jean-Christophe Leroux als Pharmazeut. Heute forscht er an den Grenzen von Chemie, Biologie und Pharmazie mit dem Ziel, effektivere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen zu schaffen.
Was betrachten Sie als grösste Errungenschaft oder
wichtigste Entdeckung der Chemie?
Das ist eine schwierige Frage, und ich nehme an, dass die
Antwort erheblich von den eigenen Forschungsinteressen beeinflusst wird. In der
Wirkstoffformulierung kann kein Forscher die enorm wichtigen Beiträge von Paul
J. Flory und Irving Langmuir auf dem Gebiet der Makromoleküle bzw. der
Oberflächenchemie ignorieren. In jüngster Zeit wurde durch herausragende Entdeckungen
an der Schnittstelle von Biologie und Chemie die Art und Weise revolutioniert,
wie man heutzutage Pharmaforschung betreibt. Dazu gehört
beispielsweise die Entwicklung der Polymerase-Kettenreaktion oder die
Entdeckung von grün fluoreszierendem Protein, dem GFP.
Was ist der Schwerpunkt Ihrer Forschung, und welche
Aspekte davon sind im täglichen Leben sichtbar oder einsetzbar?
Ich bin gelernter Pharmazeut, deshalb habe ich mich
wissenschaftlich immer sowohl für Chemie als auch für Medizin interessiert. In meinem
Labor versuchen wir, Mittel und Wege zu finden, um Wirkstoffe besser
verabreichen zu können. Unser Ziel ist, die Wirksamkeit von Arzneistoffen zu verbessern und Nebenwirkungen
zu vermindern, wobei wir in den meisten Fällen die chemische Struktur der
Arzneistoffverbindung unangetastet lassen. Wir
entwickeln häufig Formulierungen auf der Basis von Polymeren, die wichtige
biopharmazeutische Parameter beeinflussen, wie die Aufnahme des Wirkstoffs,
seine Verteilung im Organismus und seine Ausscheidung. Derzeit
entwickeln wir beispielsweise synthetische, virusähnliche Partikel in Nanogrösse,
die Nukleinsäuren wie siRNAs schützen und in bestimmte Zellen schleusen
könnten. Generell
aber sollte ein Patient sich jedes Mal, wenn er im Alltag eine Tablette oder
eine andere Darreichungsform einnimmt, bewusst sein, mit wie viel Aufwand die
Formulierung optimiert und die chemische Stabilität und Wirksamkeit des
Wirkstoffs abgesichert wurde.
Haben Sie in der Chemie ein Vorbild? Und wenn
ja, wer ist es und warum gerade diese Person?
Ich bewundere Forscher, die auf mehreren Gebieten
gleichzeitig bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen können. Dafür gibt
es Beispiele in unserer eigenen Abteilung; ausserhalb der ETH war die Arbeit
von Jean M. J. Fréchet vom UC Berkeley für mich stets ein Quelle der
Inspiration. Obschon seine Forschungstätigkeit sehr vielfältig ist - organische Chemie,
Polymere, biologische Fragestellungen und Werkstoffchemie-, gelingt es ihm
häufig, sich in vielen Bereichen an die Spitze zu setzen. Insgesamt
bewundere ich erfolgreiche Wissenschaftler, die ohne grosses Ego auskommen.
Professor K. Matyjaszewski von der Carnegie Mellon University ist für seine
bemerkenswerten Leistungen auf dem Gebiet der kontrollierten
Radikalpolymerisation berühmt geworden, und doch ist er bescheiden und überaus
sympathisch geblieben.
Wie wird sich Ihr Forschungsbereich weiterentwickeln? Wo liegen
die Potenziale?
Mein Forschungsbereich entwickelt sich durch den
Fortschritt der Chemie, der Biologie und der Medizin. Die
Wirkstoffmoleküle, wie Peptide, Proteine oder Nukleinsäuren, werden immer
komplexer und ihre Verabreichung wird zu einer echten Herausforderung. Wir müssen
wirklich besser verstehen, wie diese neueren Arzneistoffe mit dem biologischen
Milieu und den Zellen interagieren, um so bessere Verabreichungsstrategien
entwickeln zu können. Gleichzeitig müssen Forscher auf dem Gebiet der Pharmazie schon sehr früh
beim chemischen Design von Wirkstoffmolekülen die biopharmazeutischen Grenzen
berücksichtigen, damit der Formulierungsschritt effizienter werden kann. Mit dem
raschen Voranschreiten der supramolekularen Chemie kann man in unserem Forschungsbereich
heute eine grosse Bandbreite unterschiedlicher Systeme nutzen, um komplexe
Wirkstoffmoleküle entwerfen zu können, und ich bin überzeugt: Das Beste kommt
erst noch.
Welchen chemischen Begriff sollte bis zum Ende des
Internationalen Jahrs der Chemie jeder kennen und warum?
Aus pharmazeutischer Sicht das
Wort «Excipient» - auf Deutsch etwa: Arzneiträger, pharmazeutischer Hilfsstoff: Der Begriff wird für alle nicht pharmakologischen
chemischen Komponenten verwendet, die in einer Arznei enthalten sind und dafür
sorgen, dass der Arzneistoff in einem klinischen Umfeld seine Wirkung entfalten
kann.
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