Kolumne Renate Schubert: Mehr Souveränität

Ich denke nicht, dass es in dem Beitrag von Frau Schubert darum geht, ob Frauen wollen oder nicht, sondern darum, dass die Frauen, die wollen, auch die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen erhalten. Im Prinzip versucht sie, für die eigentlich gesetzlich garantierte Chancengleichheit mit ökonomischen Faktoren zu werben. Dass dies überhaupt notwendig ist, spricht für sich.

Dass Frauen in den naturwissenschaftlich-technischen Gebieten so unterrepräsentiert sind, liegt nicht nur an der schweren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ärztinnen, Krankenpflegerinnen, Verkäuferinnen usw. arbeiten ja schliesslich auch - und nicht nur Teilzeit. Es liegt auch nicht am fehlenden Interesse oder an mangelnder Begabung. Der entscheidende Punkt ist, ob das berufliche Umfeld stimmt oder - wie auch aus einigen der vorangegangenen Kommentare ersichtlich – von Vorurteilen und Klischees geprägt ist.

Die Einstellung, dass den meisten Frauen der Ehrgeiz und die Aufopferungsbereitschaft fehlt, ist nicht nur gefährlich pauschalisierend, sondern beschreibt ganz genau das Problem: Eine Frau muss erst einmal die Energie investieren, um solchen Männern zu beweisen, dass sie genau die gleichen beruflichen Ziele und Ansprüche wie ein Mann hat. Und das ist a priori eine Benachteiligung, die auf jeder Karrierestufe, bei jedem Job- oder Chefwechsel aufs Neue auftreten kann. Es kostet unendlich viel Energie, gegen Ignoranz und Vorurteile anzukämpfen. Energie, die dann an anderer Stelle fehlt. Und durch diese Vorurteile und Klischees fehlen oft auch berufliche Optionen und damit Chancen, die der Frau gar nicht erst angeboten werden, weil man davon ausgeht, dass sie ja beruflich nicht weiterkommen will.

Um mehr Frauen in leitende Funktionen der naturwissenschaftlich-technischen Gebiete zu holen, muss sich als erstes das Umfeld ändern. Es muss die Akzeptanz der Frau als gleichwertige KollegIn, der Respekt und die Anerkennung ihrer Leistung geboten sein. Und gerade mit letzterem wird sich hierzulande eher schwer getan: nämlich zu akzeptieren, dass Frauen in höheren Positionen verdienter Massen dorthin gekommen sind und sie es mit diesem Leistungsnachweis nicht verdient haben, dass ihre Fähigkeiten permanent in Frage gestellt werden. Die positive Einstellung zu Frauen in Top-Positionen setzt natürlich ein gewisses Mass an Souveränität der männlichen Kollegen voraus. Nach 14 Jahren ETH kann ich da nur sagen: „Gentlemen, there is room for improvement!!“.

Silke Schön - 02.04.11

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