Antwort auf "welche Köpfe lösen Probleme?"

Sehr geehrte Frau Hellermann,

Sie bezweifeln, "dass die frühe Konditionierung auf die Sprache der Maschinen wirklich frei denkende, kreative Köpfe hervorbringt, die die Menschheitsprobleme zu lösen vermögen". Ferner schreiben Sie: "Unsrere Generation hat erst im Erwachsenenalter gelernt, mit dem Computer umzugehen - und? Wir haben es auch hingekriegt - wir sollten den Grundsatz "Je früher, desto besser" tiefgründig hinterfragen!"

Da sind gleich zwei Missverständnisse zu klären. Beim Programmierunterricht für alle in der Schule geht es nicht in erster Linie um das Erlernen einer Computersprache. Ebenfalls geht es auch nicht um das "Hinkriegen" des Umgangs mit Computern, also um Computeranwendungen (oft mit ICT bezeichnet) wie etwa um Microsoft Office.

Es ist Zeit, dass wir die Bildungsinhalte im 21. Jahrhunderts überdenken. Um unsere Welt zu verstehen, müssen wir Informatik Grundlagen unterrichten, so wie wir es auch mit der Mathematik für alle tun. Wir lernen nicht Mathematik wegen des späteren Berufs "Mathematiker" sondern, weil wir überzeugt sind, dass es das logische Denken, das Abstrahieren, die Entwicklung des Geistes des jungen Menschen fördert. Im gleichen Sinne wird "Programmieren für Alle" bei unserer Jugend das algorithmische Denken schulen und so beitragen, dass sie sich in unserer voll computerisierten Welt besser zurechtfinden. Zudem ist es das einzige Schulfach, dass konstruktiv und kreativ zugleich ist und sehr exaktes Arbeiten verlangt. Dies damit zu schulen ist ein sehr erstrebenswertes Ziel. Das "Center for Computational Thinking at Carnegie Mellon" definiert: "Computational thinking is a way of solving problems, designing systems, and understanding human behavior that draws on concepts fundamental to computer science. To flourish in today's world, computational thinking has to be a fundamental part of the way people think and understand the world."

Sie schreiben: "Was mit 16 Jahren gut tut, nämlich das eigene Denken zu entwickeln, ist mit elf Jahren ein Eingriff, dessen Folgen niemand abschätzen kann." Dass erst mit der Pubertät das eigene Denken kommt, trifft nicht zu, auch wenn manchmal es danach aussieht. Das heisst aber auch nicht, dass man nicht schon früher etwas lernen kann. Hier in Hong Kong, wo ich zur Zeit eine Gastprofessur übernommen habe, lernen die Kinder schon vor der ersten Klasse die Chinesischen Buchstaben und zwar so gut, dass sie in der zweiten Klasse Zeitungen lesen koennen. Wenn ein Kind sich im frühen Alter nicht bewegt, keinen Sport betreibt, wird es Defizite haben, die es später schwer kompensieren kann. Dasselbe gilt auch für die Sprachfähigkeit, das logische Denken und eben Algorithmik und Programmieren. Wir sind im Vergleich mit anderen Ländern wo Informatik ein obligatorisches Schulfach ist schlicht im Rückstand, müssen das einsehen und endlich dringend aufholen.

Walter Gander - 03.03.11

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