Veröffentlicht: 28.02.11
Science

Dank Überzug mehr Strom aus Nanodraht

Mit den richtigen Materialien lässt sich in einem Stromkreis aus einer Temperaturdifferenz elektrische Energie erzeugen. ETH-Wissenschaftler zeigen in Simulationen, welche Materialien sich besonders gut für thermoelektrische Verfahren eignen.

Peter Rüegg
Bisher nur am Computer möglich: Ein mit Germanium ummantelter Silizium-Nanodraht senkt die Wärmeleitfähigkeit des Drahts wirksam ab. Nur die roten Flecken im Querschnitt deuten auf einen geringen Wärmetransport hin. (Bilder: aus H. Ming et al. 2011 / ETH Zürich)
Bisher nur am Computer möglich: Ein mit Germanium ummantelter Silizium-Nanodraht senkt die Wärmeleitfähigkeit des Drahts wirksam ab. Nur die roten Flecken im Querschnitt deuten auf einen geringen Wärmetransport hin. (Bilder: aus H. Ming et al. 2011 / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Nanodrähte sehen aus wie Pommes Frites: längliche Quader, über 300 Silizium-Einheitszellen lang und 9 mal 9 Einheitszellen im Querschnitt breit, respektive hoch. Das Stäbchen ist winzig klein, nur gerade 160 Nanometer lang und ungefähr fünf Nanometer im äquivalenten Durchmesser – 10‘000 mal dünner als ein Haar. Überzogen sind die Nanodrähte von einer hauchdünnen Schicht aus Germanium, die Dicke der Schicht beträgt lediglich eine bis zwei Einheitszellen des Halbleitermaterials.

Mit diesem Aufbau ist – oder besser wäre - der Silizium-Germanium-Nanodraht ein valabler Kandidat für eine Anwendung in der Thermoelektrizität. Nur: Der winzige Halbleiter-Draht existiert bisher erst auf dem Computer von Hu Ming, Postdoc bei Dimos Poulikakos, Professor für Thermodynamik am Institut für Energietechnik. An der in silico-Entwicklung beteiligt ist auch Professor Konstantinos Giapis vom California Institute of Technology, USA, der einen Forschungsaufenthalt an der ETH Zürich absolvierte.

Nanodrähte wirksamer

Temperatur kann in Elektrizität umgewandelt werden und umgekehrt – diesen Umstand nützt die Thermoelektrizität aus. Durch den so genannten Seebeck-Effekt entsteht in einem Stromkreis eine kleine elektrische Spannung, wenn zwischen den Kontaktstellen von zwei verschiedenartigen elektrischen Leitern eines Stromkreises eine Temperaturdifferenz besteht. Allerdings taugen nicht alle leitenden oder halbleitenden Materialien für die Erzeugung von Thermoelektrizität. So muss insbesondere die Wärmeleitfähigkeit eines Material möglichst klein, die elektrische Leitfähigkeit hingegen gross sein. «Solche Materialien gibt es in der Natur praktisch nicht», sagt Dimos Poulikakos.

Die Forschung musste deshalb selbst ein geeignetes Material kreieren, das diese Eigenschaften hat. Silizium hat sich diesbezüglich als besonders günstig erwiesen. Zwar ist die thermische Leitfähigkeit von solidem Silizium hoch. Sobald aber dieser Halbleiter in eine drahtartige Nanostruktur überführt wird, verschlechtert sich die Wärmeleitfähigkeit. «Reine Silizium-Nanodrähte sind aber nicht gut genug für eine effiziente Energieumwandlung», gibt der ETH-Professor zu bedenken.

Germaniumschicht senkt Wärmeleitung

Mit seinen Simulationen am Computer hat Hu Ming nun herausgefunden, wie das Problem gelöst werden könnte. Er konnte zeigen, dass Silizium-Nanodrähte die Wärme noch schlechter leiten, wenn sie von einer hauchdünnen Schicht Germanium, einem anderen Halbleitermaterial, ummantelt sind. Die Wärmeleitfähigkeit nimmt gegenüber reinen Siliziumnanodrähten um 75 Prozent ab, und dies bei Raumtemperatur. Fügte Hu in seinem Modell mehr Germaniumschichten hinzu, stieg die Wärmeleitfähigkeit hingegen wieder an.

Als Grund für die dramatische Abnahme der Wärmeleitfähigkeit von Germanium ummantelten Silizium-Nanodrähten sehen die Forscher die veränderten Schwingungsmodi der Phononen, welche die Wärme durch das Kristallgitter transportieren. An der Grenzschicht zwischen Silizium und Germanium wurden die Wellenlängen der Teilchen verkürzt und zusammengestaucht, was den Wärmetransport fast völlig verhindert. Die Forscher schliessen daher, dass Silizium-Nanodrähte mit einer bis zwei Schichten von elementarem Germanium beschichtet werden sollten, damit der thermoelektrische Prozess optimal ablaufen kann.

Vom Computer ins Labor

Noch existieren die Si/Ge-Nanodrähte nur auf dem Computer von Ming Hu. Bald aber sollen sie auch in Poulikakos' Labor für reale Versuche hergestellt werden. Thermoelektrische Verfahren könnten in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur alternativen Energieproduktion leisten. Der ETH-Professor kann sich vorstellen, dass man damit zum Beispiel die Abwärme von Maschinen oder Gebäuden ausnützen könnte, um mit Hilfe geeigneter Installationen Strom zu produzieren, welcher gespeichert oder ins Netz eingespeist werden kann.

Nach dem heutigen Stand der Erkenntnis könnte man sich Einrichtungen vorstellen, die Einzelhäuser oder tragbare Geräte mit Strom versorgen. Thermoelektrische Module, zum Beispiel so gross wie ein Esstisch, könnten auch als Solarpanels dienen, um aus Sonnenenergie elektrische Energie herzustellen. Das sind im Moment jedoch erste Gedankenexperimente, so wie der Silizium-Germanium-Nanodraht auch. «Der Weg zu einer solchen konkreten Anwendung ist jedoch noch weit», sagt Poulikakos.

Literaturhinweis

Hu M, Giapis KP, Goicochea JV, Zhang X and Poulikakos D. Significant Reduction of Thermal Conductivity in Si/Ge Core-Shell Nanowires. Nano Lett. 2011, 11, 618–623. doi: 10.1021/nl103718a

 
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