Veröffentlicht: 18.02.11
Science

Personalisierte Medizin rückt in Griffnähe

Ein Team aus Biologen, klinischen Onkologen, Pathologen, und Informatikern präsentiert eine Strategie zur Identifikation von Biomarkern. Kann ein bestimmtes Muster von solchen Biomarkern im Blut nachgewiesen werden, weist dies auf eine Krebserkrankung hin. Ein interdisziplinärer Forschungserfolg, der viele Tore öffnet.

Anna Ehlert
Krebszelle umgeben von roten Blutkörperchen (Bild: iStockphoto)
Krebszelle umgeben von roten Blutkörperchen (Bild: iStockphoto)

Mit einem kleinen Piks in den Finger kann man vielleicht schon bald verschiedenste Arten von Krebs zuverlässig diagnostizieren und charakterisieren. Heutige Diagnoseverfahren, die Tumor-Antigene im Blut nachweisen, liefern oft falsche Resultate. Das ist nicht nur teuer, sondern die Patienten müssen sich dann schmerzhaften und dazu unnötigen Biopsien unterziehen. Erst danach ist eine sichere Diagnose möglich.

Hochpräzis hingegen ist die Diagnosemethode für Prostatakrebs, die eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlern der ETH, des Universitätsspitals Zürich und des Kantonsspitals St. Gallen nach fünfjähriger Forschungsarbeit präsentiert. Mit ihrer Arbeit, die in der neusten Ausgabe von PNAS publiziert wird, liefern die Forscher ausserdem eine generell anwendbare Strategie zur Identifikation von Biomarkern. Damit rückt auch die Frühdiagnose anderer Krebsarten in greifbare Nähe. Das Biomarker-Muster enthält zudem Informationen über die Art des Tumors, wodurch die bestmöglichste Therapie ergriffen werden kann.

Strategisches Vorgehen

Die Wissenschaftler gingen bei der Suche nach dem Biomarker-Muster, das auf Prostatakrebs hinweist, äusserst gezielt vor. Ausgangspunkt der Forschungsarbeit war das Gen «Pten», das in 60% aller Prostatakrebs-Patienten inaktiviert ist und unter anderem zu unkontrolliertem Zellwachstum führt. Damit stellten die Forscher sicher, dass die folgenden Schritte, die im Modellorganismus Maus durchgeführt wurden, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Relevanz für den Menschen haben würden. Im ersten Schritt inaktivierten die Wissenschaftler das Pten-Gen gezielt in der Prostata der Maus. Dann identifizierten sie hunderte von Prostata-Oberflächenproteinen gesunder Mäuse, aber auch solcher Mäuse, die aufgrund des inaktivierten Gens Prostatakrebs entwickelt hatten. Die Forscher verglichen darauf die Proteinsätze der gesunden Mäuse mit denen der krebskranken Mäuse. Daraus ermittelten sie ein Muster von Proteinen, das für die mutierte Version von Pten und somit auch für Prostatakrebs typisch ist.

Zurück zum Menschen

Im zweiten Schritt wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob die Erkenntnisse aus dem Mausmodell auch für den Menschen von Bedeutung sind. Dazu untersuchten sie Gewebe- und Serumproben von Prostatakrebs-Patienten und einer Kontrollgruppe. Ausgehend von der mit dem Mausmodell erstellten Liste von spezifischen Proteinen, identifizierten die Forscher 39 entsprechende Proteine im Menschen, die auf Prostatakrebs hinwiesen. Aus diesen 39 Kandidaten berechneten Informatiker mit über 20 000 Modellen jene vier Proteine, mit denen die zuverlässigste Diagnose gestellt werden konnte.

«Mit diesem Biomarker-Muster haben wir dann eine Kohorte von Patienten untersucht, deren Blut noch nie zuvor analysiert worden war. Wir konnten dank des neuen Musters mit Präzision, Stabilität und Reproduzierbarkeit voraussagen, ob sie an Prostatakrebs erkrankt waren», sagt Krek. Das Verfahren muss nun in grösseren klinischen Studien überprüft werden. Die Weiterentwicklung dieses vielversprechenden Projekts übernimmt das ETH Spin-off Proteomedix AG, welches zur Zeit ein Diagnose-Kit entwickelt.

Am Anfang war das Gen

Der Biomarker-Strategie liegt das Konzept zugrunde, dass die Entstehung von Krebs, ausgelöst durch eine Mutation wie beispielsweise der Inaktivierung eines Gens, mit einer Veränderung des Proteinmusters im betroffenen Organ einhergeht. Da ungefähr 20% der Oberflächenproteine bestimmter Gewebe, so auch der Prostata, abgespalten und im Serum nachgewiesen werden können, stellt die Detektion eines solchen, für die Krankheit spezifischen Proteinmusters eine mögliche zuverlässige Diagnosemethode dar.

Schon seit Jahren versuchen Wissenschaftler mit verschiedensten Hightech-Methoden Biomarker zu identifizieren, die zuverlässig auf eine Krebserkrankung hinweisen. Diese Aufgabe stellte bis anhin eine grosse Herausforderung dar und manchmal wurde recht ziellos gemessen und analysiert: «Die ermittelten Protein-Muster widerspiegelten womöglich die Essgewohnheiten der Patienten, vermochten aber nichts darüber auszusagen, ob eine Krebserkrankung vorlag oder nicht», erzählt Krek. Die jetzt erzielten, vielversprechenden Forschungsresultate zeigen auf eindrückliche Weise, dass oft erst die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forschern, in diesem Fall Zellbiologen, Proteomikexperten, Pathologen, klinischen Onkologen und Informatikern, zum Erfolg führt. An der Arbeit beteiligt waren namentlich Wilhelm Krek, Professor für Zellbiologie an der ETH Zürich, Ruedi Aebersold und Joachim Buhmann ebenfalls von der ETH Zürich, Holger Moch vom Universitätsspital Zürich und Silke Gillessen und Thomas Cerny vom Kantonsspital St. Gallen.

Literaturhinweis:

Cima I, Schiess R, Wild P, Kaelin M, Schüffler P, Lange V, Picotti P, Ossola R, Templeton A, Schubert O, Fuchs T, Leippold T, Wyler S, Zehetner J, Jochum W, Buhmann J, Cerny T, Moch H, Gillessen S, Aebersold R & Krek W. Cancer genetics-guided discovery of serum biomarker signatures for diagnosis and prognosis of prostate cancer. Published online before Print. PNAS, February 7, 2011. doi: 10.1073/pnas.1013699108

 
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