Veröffentlicht: 27.10.10
Science

Krebsausbreitung früher erkennen

Forschende der ETH Zürich haben eine neue Methode entwickelt, mit welcher man Veränderungen von Lymphknoten erkennen kann, ehe sich darin Krebszellen einnisten. Das Verfahren könnte künftig helfen, die Verbreitung gewisser Krebsarten im Körper früher als bisher zu erkennen und sie dadurch gezielter zu behandeln.

Peter Rüegg
Was aussieht wie die lodernden Flammen eines Feuers, ist die mit einem neuen Verfahren sichtbar gemachte Veränderung eines Lymphknotens, ehe sich Krebszellen darin festsetzen. (Bild: V. Mumprecht / ETH Zürich)
Was aussieht wie die lodernden Flammen eines Feuers, ist die mit einem neuen Verfahren sichtbar gemachte Veränderung eines Lymphknotens, ehe sich Krebszellen darin festsetzen. (Bild: V. Mumprecht / ETH Zürich) (Grossbild)

Postdoktorandin Viviane Mumprecht ist keine, die sich rasch entmutigen lässt. Schon gar nicht, wenn behauptet wird, dass ihr Vorhaben nicht funktionieren werde. Angespornt durch skeptische Rückmeldungen, entwickelte die junge Forscherin aus der Gruppe von Michael Detmar, Professor am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften an der ETH Zürich, ein neues Verfahren zur Erkennung von Veränderungen der Lymphknoten. Diese Veränderungen stellen sich bereits ein, ehe Krebszellen aus benachbarten Tumoren in die Lymphknoten einwandern.

Viele Krebsarten, darunter Brustkrebs und Haut-Melanome, haben eine gefürchtete Eigenschaft: Sie wandern entlang von Lymphgefässen in Lymphknoten ein und bilden darin und in weiteren Organen Ableger, sogenannte Metastasen, die oft zum Tod des Patienten führen. Metastasen lassen sich mit nicht-invasiven Methoden bis anhin erst nachweisen, wenn sie bereits ungefähr einen halben Zentimeter gross sind.

Gewebe verändert sich vorgängig

Der Tumor sendet aber schon vor der Wanderung Signalstoffe aus. Diese regen die Lymphgefässe im Lymphknoten zum Wachstum an. Diese Wucherung lässt sich mit herkömmlichen Methoden nicht nachweisen, deutet aber darauf hin, dass der Krebs zu metastasieren beginnt. Viviane Mumprecht machte sich zunutze, dass auf der Oberfläche von Zellen der lymphatischen Gefässe ganz bestimmte Proteine zu finden sind. Die junge Forscherin kam auf die Idee, diese Proteine mit Antikörpern, die intravenös verabreicht werden, nachzuweisen. Dazu braucht man den richtigen Antikörper sowie eine radioaktive Markierung, damit der Antikörper mit einem PET-Scanner nicht-invasiv dargestellt werden kann. Kurz: Das Verfahren soll erstmals die durch den Tumor ausgelösten Veränderungen im Körper nachweisen und nicht die Tumorzellen selber.

Selbst Michael Detmar räumt ein, dass er nicht daran geglaubt hätte, dass dies klappen würde. Antikörper sind grosse Proteine, und ob sie über das Blut transportiert überhaupt zu den fraglichen Lymphknoten gelangen könnten, war umstritten.

Steiniger Weg

Dennoch fanden die Forschenden für das Lymphgewebe spezifische Proteine, an welche ebenso spezifisch entsprechende Antikörper andocken können. Die Antikörper liessen sich intravenös verabreichen, dockten zuverlässig und gezielt an die entsprechenden Oberflächenproteine auf den fraglichen Lymphknoten an. Aufgrund der radioaktiven Markierung der Antikörper konnte Viviane Mumprecht danach mit dem PET-Scanner erkennen, welche Lymphknoten sich verändert hatten.

Doch der Weg dahin war steinig. Um ein geeignetes Zielobjekt auf der Oberfläche von entarteten Lymphknoten zu finden, musste sie zuerst Proteine bestimmen, die dort vorkommen. «Und dann war immer noch unbekannt, ob die Antikörper das fragliche Protein erreichen können», erklärt sie. Nachdem sie mögliche Angriffspunkte gefunden hatte, waren etliche technische Probleme zu lösen. Der Durchbruch gelang schliesslich mit einem neuen PET-Scanner, der sich feiner einstellen liess.

Entfernung von Lymphknoten minimieren

Die Methode funktionierte in Experimenten mit Mäusen sensitiver als eine derzeit bei Tumorpatienten angewendete Methode. In einem nächsten Schritt möchten die ETH-Forscher dieses Verfahren für die Behandlung am Menschen weiterentwickeln.

Die beiden Forschenden glauben, dass das neue Verfahren Potenzial hat, die Verbreitung gewisser Krebsarten im Körper früher als bisher zu erkennen und dass dadurch Krebspatienten gezielter behandelt werden können. «Wenn Metastasen gefunden werden, sind die Prognosen meist schlecht», sagt Michael Detmar. Das neue Verfahren würde es erlauben, anhand von Gewebeveränderungen Metastasen früh zu detektieren. Damit könnte verhindert werden, dass beispielsweise Lymphknoten präventiv operativ entfernt werden, obwohl sie nicht befallen sind. So würden gefürchtete Nebenwirkungen, wie bleibende Schwellungen, vermindert auftreten. Der ETH-Professor hofft, dass die entsprechende Methode bei Menschen zur Routine werden kann.

Literaturhinweis

Mumprecht V, Honer M, Vigl B, et al. In vivo imaging of inflammation- and tumor-induced lymph node lymphangiogenesis by immuno-positron emission tomography. Cancer Res. October 26, 2010. doi:10.1158/0008-5472.CAN-10-0896.

 
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