Veröffentlicht: 14.10.10
Science

Gefangen in elektrostatischen Nano-Fallen

Wissenschaftler der ETH Zürich haben ein vergleichsweise einfaches Verfahren entwickelt, um kleinste Partikel einer Flüssigkeit über beliebige Zeiträume kontaktfrei an einer Stelle zu halten und sie somit in Ruhe studieren zu können. Das war bis anhin nur mit aufwendigen Methoden möglich.

Simone Ulmer
Das schematische Bild zeigt das «Glassandwich» mit einer glatten und einer mit Vertiefungen gravierten Glasscheibe. Zwischen den beiden Glasscheiben werden die Partikel durch ein elektrostatisches Feld in der Schwebe gehalten und über längere Zeit an Ort und Stelle fixiert. (Bild: Madhavi Krishnan / ETH Zürich)
Das schematische Bild zeigt das «Glassandwich» mit einer glatten und einer mit Vertiefungen gravierten Glasscheibe. Zwischen den beiden Glasscheiben werden die Partikel durch ein elektrostatisches Feld in der Schwebe gehalten und über längere Zeit an Ort und Stelle fixiert. (Bild: Madhavi Krishnan / ETH Zürich)

Auch wenn wir es mit dem blossen Auge nicht wahrnehmen, sind in Flüssigkeiten gelöste Teilchen ständig in Bewegung. Das Phänomen wird in Anlehnung an den Botaniker Robert Brown als «Brownsche Bewegung» bezeichnet. «Überall dort, wo wir jedoch einzelne kleinste Moleküle, deren Interaktionen und Eigenschaften beschreiben möchten, oder Moleküle kontrolliert miteinander reagieren lassen wollen, muss die Brownsche Bewegung überwunden werden», sagt Madhavi Krishnan, Marie Curie Research Fellow am Laboratorium für Physikalische Chemie der ETH Zürich. Wichtig sind derartige Studien in der Biophysik, der klinischen Medizin oder den Materialwissenschaften – beispielsweise, um Bindungsprozesse beobachten oder neue Werkstoffe im Nanometer-Massstab herstellen zu können.

Elektrische Ladung überwindet Brown

Krishnan ist Erstautorin einer kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature» erschienenen Studie, in der sie zusammen mit ihren Kollegen ein einfaches Verfahren vorstellt, mit dem es ihnen gelang, Partikel in einer Grössenordnung von zehn bis circa hundert Nanometern über längere Zeit an einem Ort festzuhalten. Die Wissenschaftler fertigten hierfür eine Art Glassandwich im Nanometer-Massstab an, in das sie in Wasser gelöste winzige Gold-Partikel, Polymerkügelchen oder Fettbläschen einbrachten. Eines der Glasplättchen war dabei von feinsten kreisrunden Vertiefungen im Massstab von ungefähr hundert Nanometern durchzogen. Mit Hilfe dieser winzigen Vertiefungen gelang es den Forschern, die Nanopartikel zu «fixieren».

«Glasoberflächen sind in Wasser negativ geladen», sagt Krishnan. Ein negativ geladenes Objekt spürt deshalb eine starke Abstossung von den umgebenden Glasflächen. Die Vertiefungen sorgen dafür, dass die Abstossung lokal abgeschwächt wird. Diese leichte Abnahme der Abstossungskräfte reicht bereits aus, um die Partikel über der Vertiefung sozusagen frei schwebend längere Zeit festzuhalten – die Abstossungskräfte sind nämlich grösser als die Kräfte der Brownschen Bewegung. Die Forscher generierten mit den Vertiefungen eine elektrostatische Falle, die es ihnen ermöglicht, ohne viel Aufwand das Objekt über einen längeren Zeitraum genau zu studieren.

Verfahren eröffnet neue Möglichkeiten

Bis anhin gelang es nur mit aufwendigen und teuren Verfahren, etwa optisch mit Hilfe von Lasern, derart kleine Partikel «festzuhalten». Diese erlauben, im Gegensatz zu dem neu entwickelten Verfahren, das Objekt räumlich zu bewegen, heisst es in einem Kommentar zur Studie in «Nature». Ein grosser Vorteil der neuen Methode ist jedoch, dass das Verfahren rein von der elektrischen Ladung abhängt und unabhängig von der Masse oder der Grösse des Objekts ist. Doch es gilt noch eine Hürde zu nehmen: Biologische Objekte müssen in Lösungen mit einem hohen Salzgehalt in das Glassandwich eingebracht werden. Bei einem hohen Salzgehalt der Lösung verschwindet jedoch aufgrund der positiv geladenen Salz-Ionen das von den Oberflächen erzeugte Kraftfeld, welches das Objekt in Schwebe hält. Die Forscher gehen jedoch anhand von Berechnungen davon aus, dass das Problem überwunden werden kann, indem der Abstand zwischen den beiden Glasplatten noch kleiner gewählt wird.

Die Kommentatoren in «Nature» betonen die verlockenden Möglichkeiten, welche die von Krishnan und ihrem Team entwickelte Methode liefert. Für spezielle Studien in der klinischen Chemie und Biologie könnten Millionen von «Nano-Fallen» in wenige Quadratzentimeter Glas eingefräst werden und damit umfassende Untersuchungen ermöglichen.

Literaturhinweis:

Krishnan M et al. : Geometry-induced electrostatic trapping of nanometric objects in a fluid, Nature 467 (2010), 692–695, doi:10.1038/nature09404

 
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