Veröffentlicht: 17.09.10
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Klimawandel – wie kommuniziert man ihn richtig?

Rund 600 Klimaforscher treffen sich zurzeit an der ETH Zürich, um aktuelle Fragen der Klimaforschung zu diskutieren. Die Frage, wie man den Klimawandel kommunizieren könne, stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung.

Martina Märki
Die Himalaya-Gletscher als Stein des Anstosses in der Klimakommunikation (Bild: i-stock)
Die Himalaya-Gletscher als Stein des Anstosses in der Klimakommunikation (Bild: i-stock) (Grossbild)

 «Wir mögen uns innerhalb unserer Wissenschaft noch so sicher fühlen - ausserhalb des Elfenbeinturms wird das Gelände für uns rau und unübersichtlich», sagte der Berner Klimaforscher Thomas Stocker anlässlich der 10. Jahresversammlung der Europäischen Meteorologischen Gesellschaft (EMS) und der Europäischen Konferenz für Angewandte Klimawissenschaft ECAC an der ETH Zürich. Der bekannteste Klimaforscher der Schweiz und Leiter einer der drei Hauptarbeitsgruppen des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) fasste damit zusammen, was viele seiner Kollegen seit den Vorgängen um den IPCC im Umfeld der Klimakonferenz von Kopenhagen im vergangenen Jahr und zu Beginn dieses Jahres empfinden. So stand die Diskussion um Kommunikation des Klimawandels, der die Konferenz einen ganzen Nachmittag widmete, fast überwiegend im Zeichen dieser Vorfälle.

Kritik der Klimaskeptiker

Im Vorfeld der Klimakonferenz waren E-Mail-Korrespondenzen britischer Klimaforscher durch Hacker gestohlen und öffentlich gemacht worden, in denen Klimaforscher sich unter anderem über einzelne strittige Punkte in der Klimaforschung austauschten. Klimaskeptiker wollten darin den Beweis sehen, dass die Klimaerwärmung nicht menschgemacht sei. Im Januar stellte sich zudem heraus, dass im IPCC-Bericht 2007 eine Aussage zur Schmelze der Gletscher im Himalaya fehlerhaft ist. In der kritisierten Passage des IPCC-Berichts stand, dass die Gletscher im Himalaya bis 2035 komplett abschmelzen könnten. Für diese Aussage gibt es jedoch keinen wissenschaftlich fundierten Beleg. Als mutmassliche Quelle der falschen Prognose gilt ein Artikel im populärwissenschaftlichen Magazin «New Scientist» aus dem Jahr 1999, der über einen Bericht der Umweltorganisation WWF aus dem Jahr 2005 in den IPCC-Bericht gelangte. Beide Vorfälle fanden unmittelbar ein riesiges Echo in den Medien und der Öffentlichkeit und führten dazu, dass UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und der IPCC den InterAcademy Council, eine multinationale Organisation der Wissenschaftsakademien, beauftragten, den IPCC-Bericht und die Prozesse, wie er zustande kommt, einer kritischen Analyse zu unterziehen. Im August legte der Council seine Einschätzung und seine Empfehlungen vor.

Die notwendige Brücke zur Politik

Robert Dijkgraaf, Präsident der Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences und Co-Leiter des InterAcademy Council, zeigte sich an der ETH Zürich von der Notwendigkeit und der Arbeit des IPCC überzeugt. «Der IPCC schafft eine Brücke zwischen Wissenschaft und Politik, die absolut notwendig ist», sagte er. Er bescheinigte dem IPCC grundsätzlich gute Arbeit. Die Verbesserungsvorschläge des Councils zielen vor allem darauf ab, das Management des IPCC zu stärken. Aber auch im Review-Prozess und in der Transparenz der Darstellung von Unsicherheiten sieht Dijkgraaf Verbesserungspotenzial. Graue Literatur soll konsequenter als solche gekennzeichnet sein, Review-Editors müssen sich stärker als bisher auf die substanziellen Korrekturen konzentrieren und diese auch durchsetzen. So sei die kritische Aussage zu den Himalaya-Gletschern zwar im Vorkorrekturprozess als zweifelhaft angemerkt worden, dieser Hinweis sei aber in der Endredaktion nicht berücksichtigt worden. Und schliesslich müssten konsequent einheitliche Standards im Umgang und in der Kennzeichnung von Unsicherheiten eingeführt und publiziert werden. Und nicht zuletzt müsse der IPCC eine klarere Kommunikationsstrategie implementieren. Dijkgraaf betonte, dass nicht nur die Klimaforschung davon profitieren werde: «Die Klimaforschung ist führend im Dialog mit der Gesellschaft und beispielhaft für alle Bereiche der Wissenschaftskommunikation.»

Wegmarken in unsicherem Terrain

Doch die Vorstellungen darüber, wie dieser Dialog erreicht werden könnte, blieben in der Veranstaltung, allen Bemühungen zum Trotz, etwas vague. «Internationale Organisatoren organisieren Wissenschaft, aber nicht die Kommunikation», fasste Martin Visbeck, Deputy Director von IFM-Geomar, Kiel, das Problem zusammen. Er sei überzeugt, dass der Dialog mit der Gesellschaft nicht nur über Fakten, sondern auch über emotionale Ansprache zustande kommen müsse. Das IFM-Geomar arbeitet deshalb bewusst mit Künstlern und Kommunikationsfachleuten zusammen. André Jol, Vertreter der European Environment Agency EEA argumentierte aus der politischen Perspektive. «Wir müssen stärker in Richtung Risiko-Management denken», betonte er. Statt über den Klimawandel selbst müsse man heute mehr über Massnahmen, wie man damit umgehen könne, sprechen. Mehr Climate-Service sei gefragt. Die Sicht der Wirtschaft brachte David Bresch von Swiss Re auf den Punkt: Die Wissenschaft müsse noch stärker aus der ökonomischen Kosten-Nutzenperspektive argumentieren. Das bestätigte auch Martin Bäumle, Chef der grünliberalen Partei der Schweiz und plädierte für raschere Kommunikation: Die Politik wartet nicht, legte er den Wissenschaftlern ans Herz.

Medien mit wenig Sorgfalt

Doch genau damit bekundeten die anwesenden Wissenschaftler Probleme. Die Nachrichten über den Himalaya-Passus im IPCC-Bericht hätten sich innerhalb von Minuten dank Internet und Blogs um den Globus verbreitet, dem seien grosse Medien sofort gefolgt, ohne den Bericht überhaupt eingehend gesehen zu haben, bemängelten sie. Weder die Sorgfaltspflicht noch die Relationen der Berichterstattung hätten gestimmt. «Heute gibt es mehr Players in der Kommunikations-Arena denn je und wir haben Mühe, uns darauf einzustellen», bekannte Thomas Stocker. Die Klimaforscher dürften nicht die einzigen sein, die noch Mühe haben, sich in den neuen Kommunikationslandschaften zurechtzufinden.

Klimakonferenz

Die 10. Jahresversammlung der Europäischen Meteorologischen Gesellschaft (EMS) und die 8. Europäische Konferenz für Angewandte Klimawissenschaft (EACAC) an der ETH Zürich steht unter dem Titel High Resolution climatology – towards climate change services. David Burridge wurde für seine Verdienste im Bereich der digitalen Wettervorhersage mit der EMS Silver Medal 2010 ausgezeichnet.

Videostream der Konferenz