Veröffentlicht: 05.08.10
Science

Mit Mikro-Saugnapf Zellen manipulieren

Forscher am Institut für Biomedizinische Technik haben eine neue Methode entwickelt, um einzelne Zellen mit einer Mikrospitze anzusaugen und diese unbeschädigt zu verschieben. Damit könnte in Zukunft auch überprüft werden, wie robust künstliche Gewebestrukturen bei Implantaten sind.

Samuel Schläfli
Mit einer Mikronadel (blau), die über den Laser (rot) eines Rasterkraftmikroskops gesteuert wird, können einzelne Zellen (türkis) angesaugt und verschoben werden.  (Bild: ZVg)
Mit einer Mikronadel (blau), die über den Laser (rot) eines Rasterkraftmikroskops gesteuert wird, können einzelne Zellen (türkis) angesaugt und verschoben werden. (Bild: ZVg) (Grossbild)

Die Forschungsgruppe von Tomaso Zambelli vom Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich machte bereits vor einem Jahr mit einer Publikation von sich reden: Mit Hilfe einer Mikrospritze mit einer Öffnung von 200 Nanometern (ca. 500 Mal kleiner als der Durchmesser eines Haares) gelang es dem Team, Wirkstoffe in einzelne Zellen zu injizieren (siehe ETH Life vom 26.06.2009).

Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie der ETH Zürich haben nun die beiden Doktoranden Pablo Dörig und Philipp Stiefel eine neue Anwendung des damals vorgestellten «Fluidic force microscope» (FluidFM) entwickelt, das auf der Technologie eines Rasterkraft-Mikroskops basiert. Im Fachmagazin «Applied Physics Letters» beschreiben sie eine Methode, mit welcher einzelne lebende Zellen mit einer hohlen Nadel von einem Durchmesser zwischen 0.5 und sechs Mikrometer über ein Vakuum angesaugt werden können. Für die Kraftkontrolle der hohlen Nadel ist ein Laser verantwortlich, der die ausgeübte Kraft auf die Zelle mehrere 1000 Male pro Sekunde erfasst.

Einzelne Erreger aus Versuchsprobe «fischen»

Die Gruppe hat anhand von Neuronen, Hefezellen und E-Coli-Bakterien von wenigen Mikrometern Grösse bewiesen, dass sie einzelne lebende Zellen mit dem System ansaugen und neu anordnen kann, ohne diese dabei zu verletzen. Mit herkömmlichen Verfahren, wie zum Beispiel winzigen Glaspipetten, werden lebende Zellen und Mikroben bei der Behandlung oft beschädigt. Mit der neuen Technik könnten zum Beispiel einzelne Bakterien sehr gezielt aus einer Versuchsprobe entfernt und anschliessend analysiert werden, was bislang praktisch nicht möglich war. Doch auch für den Aufbau von neuen Zellstrukturen, zum Beispiel aus einzelnen Nervenzellen, eignet sich der Saugnapf des FluidFM.

Darüber hinaus glauben die Forscher aber noch an eine weitere wichtige Anwendung ihrer Erfindung: Die Adhäsion einer Zelle, also die Kraft mit welcher sie am umliegenden Gewebe oder einer anderen Unterlage «haftet», kann anhand des Saugnapfs mit einer bislang unerreichten Geschwindigkeit gemessen werden. «Besonders bei der Qualitätskontrolle von künstlichem Gewebe für Implantate ist es äusserst wichtig zu wissen, wie stark die aufgebauten Zellstrukturen miteinander verbunden sind. Mit unserem Saugnapf können wir solche Messungen schnell und standardisiert durchführen», erzählt Michael Gabi, der in die Arbeit involviert war. Bereits hat das Unispital Zürich Interesse an einem solchen System für die Kontrolle von künstlichen Herzklappen angekündigt. Der Saugnapf wurde nun patentiert und soll in Zukunft vom ETH-Start-up-Unternehmen Cytosurge vertrieben werden.

Literaturhinweis:

Dörig P., Stiefel P. et al.: Force-controlled spatial manipulation of viable mammalian cells and micro-organisms by means of FluidFM technology. Applied Physics Letters 2010; 97. DOI:10.1063/1.3462979

 
Leserkommentare: