Veröffentlicht: 23.07.10
Globetrotter

Der Mann der Verbindungen

Er lebt seit 1997 in Kalifornien und hat eine neue Art von Schweizer Wissenschaftsdiplomatie wesentlich mitgeprägt: Christian Simm, Gründer und Direktor von swissnex San Francisco. Roman Klingler, ETH-Mediensprecher und zurzeit in San Francisco im Sabbatical, hat ihn getroffen. Notizen einer Begegnung.

Roman Klingler
Christian Simm, Gründer und Direktor von swissnex San Francisco. (Bild: Roman Klingler / ETH Zürich)
Christian Simm, Gründer und Direktor von swissnex San Francisco. (Bild: Roman Klingler / ETH Zürich) (Grossbild)

Bestünde die Aufgabe darin, Christian Simm mit einem Satzzeichen zu charakterisieren, es wäre der Bindestrich. Wo er auch tätig war in den letzten zwanzig Jahren, er vermittelte und brachte Leute und Ideen zusammen. Eigentlich träumte Klein-Christian, wie so viele Buben, von einem Leben als Astronaut. Daraus ist nichts geworden, aber mit der Gründung von swissnex San Francisco vor acht Jahren hat er sich trotzdem einen Traum erfüllt. Als Teil eines weltweiten Netzwerks fördert swissnex San Francisco den Austausch von Wissenschaft, Technologie und Kultur. Das Motto von Simm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern lautet: connecting the dots. Das tönt zwar unspektakulär, bedeutet aber in der Praxis, dass aus dem Verbinden zweier Enden oft etwas Neues entsteht.

Aufgewachsen in Lausanne, studierte Christian Simm Physik an der EPFL, wo er über Plasmaphysik promovierte. Er merkte bald, dass ihn das Vermitteln und Zusammenführen von Ideen und Personen mehr reizte als eine wissenschaftliche Karriere. Seine ersten PR-Erfahrungen machte er während seines Doktorats. Nach einem zweieinhalbjährigen Abstecher nach Kanada kehrte er 1990 wieder an die EPFL zurück, wo das Zentrum für wissenschaftliche und technische Unterstützung «CAST» eben gegründet wurde. Drei Jahre später leitete Simm die Technologiestelle als Direktor. «Dort habe ich sehr viel über die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Privatindustrie gelernt», erinnert sich der swissnex-Gründer. Das Geschäftsmodell von CAST war das einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Die EPFL stellte Infrastruktur zur Verfügung, die Leute von CAST wurden von der Industrie und über Mandate finanziert.

Im Auge des Orkans

1997 schrieb die damalige Gruppe für Wissenschaft und Forschung die Stelle eines zusätzlichen Wissenschafts- und Technologierates aus, von denen es je einen in Brüssel, Tokio und zwei in Washington D.C. gab. Erstmals sollte dieser Posten nicht in einer Landeshauptstadt angesiedelt sein, sondern in San Francisco. Simm bewarb sich - und bekam den Job. «Was folgte, war die verrückteste Zeit meines Lebens», sagt Christian Simm, «denn ich war mitten drin in einem Sog, der die ganze Bay Area erfasst hatte und in dem alle restlos überzeugt waren, das Internet würde die Welt revolutionieren und zwar sofort».

San Francisco, die ganze Bay Area und der Ballungsraum um Boston an der Ostküste der USA profilierten sich als die Innovationsmotoren, die auch immer mehr Schweizer anzogen. Simms Aufgabe als Technologierat war es, dieses chaotisch-kreative Gewusel, in dem neue Technologien entstanden, die das Zeug hatten, ganze Industrien umzupflügen, zu beobachten, zu verstehen und in die Schweiz zu rapportieren. Bald wurde ihm aber klar, dass es nicht mehr genügte, als Einzelperson in einem Büro des Konsulats seinen Job zu verrichten. Im Lärm der Protagonisten des anbrechenden Internet-Zeitalters musste man sich etwas einfallen lassen, «um gehört zu werden» – so Simm. Der Internet-Boom Mitte der 90er Jahre wirkte somit auch als Katalysator für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Technologierat.

Swissnex – eine Idee bahnt sich ihren Weg

In Xavier Comtesse, der Mitte der 90er Jahre als Technologierat in Washington stationiert war, fand Christian Simm einen Verbündeten. In langen Gesprächen entwickelten sie die Idee, ausserhalb der offiziellen diplomatischen Vertretungen einen neuen Ort der Begegnung zu schaffen. Die Zeit für etwas Neues war reif. Der damalige Staatssekretär Charles Kleiber unterstützte das Vorhaben. Xavier Comtesse startete in Boston, Christian Simm in San Francisco - mit swissnex. Und bald darauf nahm das Pendant in Singapur seinen Betrieb auf. In der Zwischenzeit besteht das im Auftrag des Bundes betriebene swissnex-Netzwerk aus fünf Vertretungen: Boston, Bangalore, San Francisco, Singapur und Shanghai.

Das zweistöckige Gebäude von swissnex San Francisco liegt an der Montgomery Street 730, einen Steinwurf vom Finanzbezirk entfernt und in unmittelbarer Nähe des Schweizer Generalkonsulats. Erbaut im Jahre 1852, beherbergte das Gebäude in den Anfangszeiten die Zeitung «Golden Era», für die unter anderen ein gewisser Mark Twain schrieb. Das Backstein-Haus hat inzwischen drei Erdbeben ohne grösseren Schaden überstanden. Der Ort sei mitbestimmend für die Atmosphäre, die ein Anlass ausstrahle, ist Christian Simm überzeugt. Er betreibt swissnex als Bürogemeinschaft; nebst seinen zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird das Gebäude auch noch von der «Greater Zurich Area» sowie Schweizer Start-up-Firmen genutzt.

Die unternehmerische Seite

Swissnex San Francisco versteht sich als Plattform, um die Sichtbarkeit der Schweiz in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Kunst und Innovation an der US-Westküste zu erhöhen. Anderseits gehört es auch zu Simms Aufgaben, die Trends zu verfolgen, das Gras wachsen zu hören und zu antizipieren, was das nächste grosse Ding sein könnte in einer Gegend, die immer wieder technologische Schockwellen aussendet, die die ganze Welt verspürt. Schliesslich ist der swissnex-Chef in San Francisco auch Unternehmer, denn Zweidrittel aller Projektkosten, so will es der Leistungsauftrag, müssen durch Drittmittel gedeckt sein.

Montgomery Street 730 ist inzwischen zu einer «Passage obligé» geworden für Personen, Jungunternehmen und Hochschulen aus der Schweiz, die in der Bay Area Fuss fassen möchten. Swissnex organisiert Studienreisen, berät, vermittelt und organisiert jährlich rund 70 öffentliche Events zu den unterschiedlichsten Themen: von einer Diskussion zu Internationalem humanitärem Recht über neuste Erkenntnisse aus der Schlafforschung bis hin zu einer Ausstellung über Licht ist alles möglich. Gemäss dem Motto – connecting the dots – gehört es zum Eventkonzept, Gäste aus der Schweiz mit Leuten aus der Bay Area zusammenbringen.

Kein Ersatz für reale Begegnungen

ETH-Professor Konstantinos Boulouchos diskutierte hier bei swissnex San Francisco schon mit einem Kollegen von Stanford über Energiestrategien; erst kürzlich sprachen ein Disney-Vertreter und ETH-Informatikprofessor Markus Gross über Computeranimation für die Unterhaltungsindustrie. Wir sind die «Ermöglicher» (facilitators), umschreibt Christian Simm, sein Selbstverständnis. Es ist das eines Gastgebers, der den sicheren Hafen zur Verfügung stellt für Begegnungen, die sonst nicht stattfinden würden. Eine Rolle, die ihm, dem Vielsprachigen, der beide Welten kennt, sichtlich behagt. Was swissnex tut, lässt sich schliesslich als eine neue Art der Diplomatie der Guten Dienste lesen.

Es mag paradox tönen, so Simm, aber gerade mit den Möglichkeiten der virtuellen Welten, die heute zunehmend unsere Kommunikation prägen, sind reale Begegnungen noch wichtiger geworden. Wenn ich hunderte von Kontakten habe, bleiben doch diejenigen am einprägsamsten, die ich persönlich kenne. Und es sind diese persönlichen Kontakte, die den kleinen Unterschied ausmachen können, ob am Ende ein Geschäft zustande kommt oder ob sich jemand aus der Schweiz hier in der Bay Area erfolgreich etabliert.

Zum Autor

Roman Klingler studierte Politische Wissenschaften an der Universität Lausanne und arbeitete während mehr als zwölf Jahren als Journalist (Print und TV), bevor er zur Hochschulkommunikation der ETH Zürich stiess. Seit 2006 leitet er das Team Media Relations. Zurzeit verbringt er sein Sabbatical bei swissnex in San Francisco. swissnex ist ein Netzwerk von Aussenstellen, die in Asien und in den USA den Austausch in Wissenschaft, Bildung und Kunst fördern. Das Netzwerk operiert im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung und Forschung und hat Vertretungen in Bangalore, Boston, San Francisco, Singapur und Shanghai.

 
Leserkommentare: