Veröffentlicht: 16.07.10
Campus

Nachhaltiger Austausch

Seit gut zwei Wochen sind 18 ETH-Studenten als Teilnehmer der «ETHiopia Summer School» in Addis Abeba. Am dortigen «Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development» arbeiten sie gemeinsam mit äthiopischen Studierenden an einem nachhaltigen Wohngebäude. Die bisherige Bilanz ist durchweg positiv.

Christine Heidemann
Die Baustelle des SUDU-Projektes. Hier bauen äthiopische und Zürcher Studenten gemeinsam ein nachhaltiges Haus aus gestampftem Lehm. (Bild: Lindsay Howe / ETH Zürich)
Die Baustelle des SUDU-Projektes. Hier bauen äthiopische und Zürcher Studenten gemeinsam ein nachhaltiges Haus aus gestampftem Lehm. (Bild: Lindsay Howe / ETH Zürich) (Grossbild)

Sie sind angehende Architekten, Umweltingenieure oder Ökonomen. 18 Bachelor-, Master- und PhD-Studierende aus unterschiedlichen Disziplinen, die für die «ETHiopia Summer School» ausgewählt wurden – einem von der ETH Zürich und dem «Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development», kurz EiABC, initiierten Austauschprogramm mit Seminaren, Vorlesungen und praktischen Arbeiten.

Für insgesamt drei Wochen sind die Zürcher Studenten Gäste am EiABC, einem eigenständigen Institut unter dem Dach der Addis Abeba University. Hier errichten sie gemeinsam mit äthiopischen Studierenden, unterstützt von Dozenten, Projekt-Entwicklern und einheimischen Bauarbeitern den Prototyp eines nachhaltigen Gebäudes – SUDU, Sustainable Urban Dwelling Unit, genannt. Aus einheimischen Materialien hergestellt, soll SUDU der ärmeren Bevölkerung Äthiopiens eine alternative und einfach zu konstruierende Unterkunft zu den Wellblechhütten bieten.

Grosse Herausforderungen

Durch den Austausch sollen praktikable Lösungen aufgezeigt und angegangen werden, um den Problemen, denen sich die Regierungsverantwortlichen des ostafrikanischen Landes in den kommenden Jahren stellen müssen, zu begegnen. So werden in den nächsten 15 Jahren in Äthiopien 45 Millionen zusätzliche Menschen leben. Die Hauptstadt Addis Abeba muss umgestaltet und neue Städte geschaffen werden. Ein riesige Herausforderung, zumal bereits heute 75 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat.

«Wir sind von den Äthiopiern sehr offen und warmherzig empfangen worden», berichtet Teilnehmerin Lindsay Howe von ihren bisherigen Erfahrungen. «Vor allem haben wir von ihnen gelernt, wie man unter den gegeben Umständen nachhaltig und kostengünstig bauen kann». Die intensive Zusammenarbeit und Kommunikation mit allen Beteiligten, vom Professor bis zum Tagelöhner, hätten ihr schon jetzt sehr viel gebracht – beruflich wie persönlich.

In der ersten Woche standen vor allem Vorlesungen über die sozio-ökonomischen und infrastrukturellen Voraussetzungen in Äthiopien, über lokale Baumaterialien und zukunftsweisende Bautechniken auf dem Stundenplan. «Das war eine wunderbare Gelegenheit für meine äthiopischen Studenten, gemeinsam mit den Schweizer Studenten zu lernen. Wir hatten hier im Institut noch nie eine so geballte Macht an Wissen», freut sich Dirk Hebel, der wissenschaftliche Leiter des EiABC und ehemalige Oberassistent am Departement für Architektur der ETH Zürich.

In der zweiten und dritten Woche geht es jetzt um die praktische Umsetzung des SUDU-Projektes – in drei Arbeitsgruppen: Architektur, Wasser und sanitäre Anlagen sowie Entrepreneurship.

Interdisziplinäre Teamarbeit

Die erste Gruppe, die Architekten, lernen auf der SUDU-Baustelle an vier Stationen, wie sie die Materialien für das Haus herstellen können. Das besteht vor allem aus Lehm, der fest gestampft wird. Durch diese Technik muss kaum noch Zement beigemischt werden – ein Baustoff, den die Äthiopier mit ausländischer Währung importieren müssen. Und auch die aus gepressten und getrockneten Lehmziegeln gefertigten Rundbögen des SUDU-Hauses brauchen, dank einer Idee von ETH-Assistenzprofessor Philippe Block, nur wenig Zement und zudem kein Gerüst.

Die zweite Arbeitsgruppe, Wasser und sanitäre Anlagen, versuchen unterdessen, ein System für die Ver- und Entsorgung des SUDU zu entwerfen – und, wenn die Zeit reicht, auch zu bauen. Und die dritte Gruppe, Entrepreneurship, hat das Ziel, die Lehmziegeln und Gewölbe zu vermarkten.

Ganz fertig, so wie geplant, wird der Prototyp zwar in den drei Wochen nicht werden. Das liegt aber nicht am fehlenden Einsatz der Beteiligten, sondern daran, dass es in Addis Abeba zur Zeit ungewöhnlich viel regnet und die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist. Dadurch trocknet der Lehm nicht so schnell wie gewünscht.

Der Wissenstransfer steht im Vordergrund

Doch selbst wenn die Zürcher Studenten nur einen Teil errichten können, für Lindsay Howe ist das SUDU-Projekt «ein Prozess, bei dem wir sehr viel über die Kommunikation und das Bauen in Äthiopien gelernt haben. Vor allem, dass man viel Geduld braucht». Ausserdem sei es für sie und die anderen ETH-Studenten wichtig und ein gutes Gefühl, Teil dieses Projektes zu sein, das so viel Potenzial habe. «Wir haben schon jetzt Vorschläge, was wir künftig noch verbessern könnten», wenn es denn eine Fortsetzung der Summer School geben sollte – was nicht nur die Studierenden hoffen, wie Lindsay Howe sagt. «Es wäre wunderbar, wenn wir regelmässig und interdisziplinär Informationen und Technologien austauschen und die äthiopischen Studenten irgendwann einmal zu uns nach Zürich kommen könnten.»

Auch für Dirk Hebel geht es bei der Summer School um weit mehr als nachhaltige Bauweisen. «Es geht vor allem um die Nachhaltigkeit des Wissensaustausches. Und SUDU ist ein ideales Vehikel, um einen solchen Austausch voranzutreiben.»

ETHiopia Summer School

Die ETHiopia Summer School ist ein Austauschprogramm, das von der ETH Zürich und dem «Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development» (EiABC) in Addis Abeba durchgeführt wird. Die Koordinationsstelle für Nachhaltigkeit der ETH Zürich (ETH Sustainability) hat das Projekt initiiert und gemeinsam mit dem Departement für Architektur der ETH Zürich und dem Nord-Süd-Zentrum finanziert und organisiert.

 
Leserkommentare: