Veröffentlicht: 15.07.10
Science

Kohlenstoff-Nanoröhre als Transistormaterial

Forscher der ETH Zürich haben einen Transistor gebaut, dessen Kernstück ein zwischen zwei Kontakten aufgehängtes Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit hervorragenden elektronischen Eigenschaften ist. Dabei gelang es den Wissenschaftlern, einen Transistor ohne Gate-Hysterese herzustellen. Das eröffnet neue Wege für die Herstellung von Nano-Sensoren und Bauelementen, die besonders wenig Energie brauchen.

Peter Rüegg
Ein einzelnes Kohlenstoff-Röhrchen (CNT) ist zwischen zwei Kontakten gewachsen. Um es anzuschliessen, wurden die Enden mit Palladium bedampft. (Bild: M. Muoth / ETH Zürich)
Ein einzelnes Kohlenstoff-Röhrchen (CNT) ist zwischen zwei Kontakten gewachsen. Um es anzuschliessen, wurden die Enden mit Palladium bedampft. (Bild: M. Muoth / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Grenzen in der konventionellen Mikrotechnik, die vor allem auf Silizium basiert, sind erreicht. Kleiner und besser geht es nur mit neuen Materialien und Technologien. Die Forschung setzt deshalb grosse Hoffnungen in die Carbon Nanotubes (CNT), winzigste Röhrchen aus reinem Kohlenstoff mit wenigen Nanometern Durchmesser. CNT haben aussergewöhnliche strukturelle, mechanische und elektronische Eigenschaften. Diese in Bauelementen der Nanoelektronik zu nutzen, ist das Ziel der Forschungsgruppe von Christofer Hierold, Professor für Mikro- und Nanosysteme der ETH Zürich. Ihr und namentlich dem Doktoranden Matthias Muoth ist es nun gelungen, einen hysteresefreien Feldeffekt-Transistor herzustellen, der auf einer einzelnen CNT mit metallischen Nanokontakten beruht. Dies berichteten die Forscher kürzlich in «Nature Nanotechnology».

Nanoröhrchen wächst

Für den Bau des Transistors liessen die Forscher zwischen zwei Polysiliziumspitzen ein einzelnes CNT wachsen. Für einen guten elektrischen Kontakt bedampften sie die Enden des Röhrchens hochpräzise mit dem Metall Palladium. Um den Rest des CNT vor ungewollter Metallisierung zu schützen, integrierten die Wissenschaftler eine verschiebbare Abdeckung, die Schattenmaske, in die Anordnung. Als Steueranschluss, das so genannte Gate, diente das vom CNT drei Mikrometer entfernte ebenfalls metallisch beschichtete Substrat aus Silizium.

Für Christofer Hierold ist nicht nur der Umstand entscheidend, dass die Herstellung des Transistors mit der CNT geglückt ist und dass dessen Enden zielgenau mit Palladium angeschlossen werden konnten. Als Durchbruch betrachtet er die Tatsache, dass der Transistor keine so genannte Gate-Hysterese zeigt. Diese bleibt selbst bei einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 45 Prozent aus. «Das ist ein wesentlicher Fortschritt für Bauelemente, die als Sensoren eingesetzt werden sollen», sagt er.

Hochwertige Anordnung

Die Hysterese ist Ausdruck unerwünschter Eigenschaften eines elektronischen Systems. Erhöht man beispielsweise die Spannung am Steueranschluss des Transistors und fährt sie danach wieder herunter, kann sich die Einsatzspannung des Transistors ungewollt verschieben. Die Eigenschaften des Transistors in einem Arbeitspunkt hängen dann von seiner Geschichte ab, so zum Beispiel welche Spannungen er vorher am Gate «gesehen» hat. Diese unerwünschten Verschiebungen der Einsatzspannung stammen auch von Ladungen, die sich an Defekten der CNT oder in Oxiden in deren Nähe anlagern können.

Wird eine derartige Hysterese nicht beobachtet, dann werten die Forscher dies als Zeichen einer besonders hochwertigen Transistoranordnung mit defektarmen und hochreinen CNTs.

Neuartige Sensoren und Filter

Das neue Bauteil eröffnet interessante Anwendungen für Sensoren und weitere nano-elektromechanische Bauelemente. Der Transistor könnte etwa in hoch empfindlichen Gas- oder Dehnungssensoren sowie in einer Resonator-Anordnung als Nano-Waage eingesetzt werden. Auch als Filter, um die richtige Frequenz zu empfangen, könnten CNT-Transistoren in Handys gute Dienste leisten, da sie kleiner sind und weniger Energie brauchen als herkömmliche Frequenzfilter. Ein CNT mit einer charakteristischen Frequenz wird dabei durch eine elektromechanische Anregung zum Schwingen gebracht, ähnlich einer Gitarrensaite. Alle anderen Frequenzen hingegen vermögen das Nanoröhrchen nicht anzuregen. «Die Hoffnung ist, dass solche nano-elektromechanische Filter besser sind als die rein elektronischen Filter», so der ETH-Professor. Der geringe Energiebedarf sei auf alle Fälle ein grosser Vorteil der neuen Bauelemente.

Die Miniaturisierung beim Transistor sei noch nicht abgeschlossen, sagt Hierold. Nur die CNT als Nanostruktur mit einem Durchmesser von eins bis drei Nanometern und wie hier gezeigt mit Kanallängen von bis zu 30 Nanometern und möglicherweise darunter sei «miniaturisiert». «Für das ‚Drumherum‘ des neuen Bauelements nutzen wir noch herkömmliche Technologie», betont der Professor.

Grosser Schritt vorwärts

Die neue Technik ist noch nicht so weit, dass sie Transistoren, wie sie in heutigen Computer-Chips eingesetzt werden, bald verdrängen. Aber: «Wir haben jetzt ein Bauelement geschaffen, das es uns erlaubt, einen grossen Schritt vorwärts zu kommen, besonders bei der Mikro- und Nanosystemtechnik, also im Gebiet der integrierten funktionalen Materialien für Sensoren und Aktoren», betont Hierold.

Literaturhinweis

Muoth M, Helbling T, Durrer L, Lee SW, Roman C & Hierold C. Hysteresis-free operation of suspended carbon nanotube transistors. Nature Nanotechnology advance online publication Published online: 4 July 2010. DOI:10.1038/nnano.2010.129

 
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