Veröffentlicht: 17.05.10
Science

Wo Hitzewellen vermehrt zum Gesundheitsrisiko werden könnten

In Flusstälern Südeuropas und entlang der Mittelmeerküste könnten Hitzewellen in diesem Jahrhundert besonders stark das Gesundheitsrisiko erhöhen. Dies zeigt eine Studie zweier ETH-Wissenschaftler.

Simone Ulmer
Metropolen entlang der europäischen Küsten könnten in Zukunft besonders unter Hitzewellen leiden. Blick über Neapel. (Bild: peachy6 / Flickr)
Metropolen entlang der europäischen Küsten könnten in Zukunft besonders unter Hitzewellen leiden. Blick über Neapel. (Bild: peachy6 / Flickr) (Grossbild)

Im Hitzesommer 2003 kletterte die Thermometeranzeige in den ersten beiden Augustwochen verbreitet auf über 40 Grad Celsius. In Europa starben in Folge der lang anhaltenden Hitze 40‘000 Menschen mehr als in einem durchschnittlichen Sommer. Wasserknappheit führte zu Engpässen in der Trinkwasser- und Energieversorgung und die hohe Wassertemperaturen zu Fischsterben. Die Schäden durch Ernteeinbussen wurden von Swiss Re auf etwa 13 Milliarden Euro geschätzt.

Häufigere, stärkere und längere Hitzewellen

Dass solche Hitzewellen künftig vom Jahrhundertereignis zu regelmässig wiederkehrenden Ereignissen werden könnten, zeigten ETH-Forscher bereits 2004 in einer viel beachteten Studie. Demnach ist zu erwarten, dass die durchschnittliche Anzahl von Hitzewellen steigt: von einer Hitzewelle alle drei bis fünf Jahre (1961-1990) auf zwei bis drei Hitzewellen pro Sommer (2071-2100). Zudem dürfte die Länge der Hitzewellen bis zum Ende des Jahrhunderts um einen Faktor 2 bis 5 zunehmen. Nun legen Erich Fischer, Postdoc, und Christoph Schär, Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, detailliert dar, in welchen Teilen Europas sich die klimatischen Gesundheits-Risikofaktoren am stärksten ändern könnten. Die Studie ist soeben in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ erschienen.

Mit sechs neuen Klimamodellen, welche eine Auflösung von 25 Kilometern haben, untersuchen die Forscher, wie sich die Gesundheitsrisiken in Europa entwickeln könnten. «Wir wollten herausfinden, ob man die zukünftigen Gefährdungsgebiete lokalisieren kann, trotz der erheblichen Unsicherheiten bei der zukünftigen Entwicklung der klimatischen Faktoren, welche die Gesundheit beeinträchtigen», sagt Fischer.

Die beiden Klimaforscher bezogen in ihre Studie die wichtigsten klimatischen Gesundheits-Risikofaktoren von Hitzewellen ein: die Kombination von extrem hohen Tages- und Nachttemperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit und die Dauer der Hitzewelle. Eine wichtige Frage für die Wissenschaftler war, wie sich mögliche Änderungen der Luftfeuchtigkeit auf das Gesundheitsrisiko auswirken. Dabei untersuchten die beiden Forscher Änderungen des Hitzeindex, eines Indikators, der die Gesundheitsrisiken von Temperatur und relativer Feuchte kombiniert. Sie berechneten, wie oft und in welchen Regionen der Hitzeindex in diesem Jahrhundert einen kritischen Schwellenwert von 40.6 Grad Celsius (der Wert, bei dem die USA Hitzewarnung ausgeben) überschreiten könnte. Die Modelle zeigen, dass Flusstäler und die Mittelmeerküsten besonders betroffen sein werden. Dort könnten die hohen Hitzeindexwerte Risikogruppen wie alten Menschen, Kleinkindern und am Herzkreislauf- oder Atmungssystem erkrankten Menschen besonders zusetzen.

Die verwendeten Klimamodelle zeigen erhebliche Unterschiede, was die Erwärmung und Veränderungen der Luftfeuchtigkeit über Südeuropa betrifft und gelangen deshalb zu unterschiedlichen zukünftigen Risikoszenarien. Unsicherheiten gebe es beispielsweise bei den Prognosen, wie lange eine Hitzewelle andauere, so Fischer. Nichtsdestotrotz waren die Muster, wo sich die klimatischen Risikofaktoren am meisten ändern, überraschend eindeutig. Egal, welches Modell als Grundlage für ihre Berechnungen diente, es waren immer dieselben Regionen, in denen die Anzahl gesundheitsgefährdender Hitzetage am stärksten zunimmt: in den Flusstälern Südeuropas, wie der Poebene und dem Unterlauf der Donau, sowie entlang der Mittelmeerküsten. Die ETH-Forscher sehen deshalb in ihren Berechnungen einen wichtigen Beitrag für Anpassungsmassnahmen und den Aufbau von eigentlichen Hitzewarnsystemen.

Temperatur und Luftfeuchtigkeit entscheidend

Die Wissenschaftler sehen zwei Gründe dafür, dass die geographische Verteilung der künftig betroffenen Gebiete in allen Modellen konsistent ist: Erstens werden die hohen Temperaturen vor allem in diesen tiefliegenden Gebieten auftreten und zweitens macht die vergleichsweise hohe absolute Luftfeuchtigkeit den Menschen bei Hitzewellen besonders zu schaffen. Die Modelle prognostizieren zwar, dass die zunehmende Trockenheit Südeuropas die relative Luftfeuchtigkeit etwas reduziert. Aber genau in den besonders stark betroffenen Regionen, entlang von Küsten, bleibt naturgemäss eine gewisse Feuchtigkeit erhalten. Hinzu kommt, dass der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen gleich bleibt, das heisst, die Tages- und Nachttemperaturen steigen parallel. In anderen Regionen Europas würden sich die Nächte etwas weniger stark erwärmen.

Ballungszentren besonders gefährdet

Beunruhigend sei, meint Fischer, dass diese Risikogebiete meist sehr hohe Bevölkerungsdichten aufweisen. Betroffen sind grosse Städte wie etwa Mailand, Athen oder Neapel. Städte heizen sich stärker auf und kühlen schlechter ab als das offene Land. Dieser sogenannte «Wärmeinseleffekt» und die Luftverschmutzung der Städte wurde in den Berechnungen der Wissenschaftler aber gar nicht berücksichtigt – die Situation vor Ort könnte sich deshalb noch zusätzlich verschärfen. Die beiden Forscher betonen aber, dass eine Anpassung an die neuen Verhältnisse durch eine entsprechende Infrastruktur und Verhaltensmassnahmen bis zu einem gewissen Grad möglich sei.

Literaturhinweis

Fischer EM, Schär C: Consistent geographical patterns of changes in high-impact European heatwaves. 2010. Nature Geoscience, doi:10.1038/NGEO866.

 
Leserkommentare: