Veröffentlicht: 23.04.10
Campus

Ein Archiv der Steine

Der Erdwissenschaftler Francis de Quervain kannte die Gesteinsvielfalt der Schweiz wie kaum ein anderer. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit beschrieb er tausende von historischen Bauobjekten aus Stein auf Karteikarten. Diese sind nun online einsehbar.

Simone Ulmer
Karteikarten wie diese hat Francis de Quervain zu tausenden erstellt. (Bild: Geotechnische Kommission / ETH Zürich)
Karteikarten wie diese hat Francis de Quervain zu tausenden erstellt. (Bild: Geotechnische Kommission / ETH Zürich) (Grossbild)

Francis de Quervain, ehemaliger ETH-Professor für Technische Petrographie an der ETH Zürich, hat aus der Not eine Tugend gemacht: Der Erdwissenschaftler befasste sich neben seiner Forschungstätigkeit, die er gezwungenermassen mehrheitlich im Büro ausübte, mit historischen Bauwerken und Kunstwerken aus Stein. Diese waren für den gehbehinderten Forscher mit Chauffeur und Gehstöcken erreichbar. Als der Wissenschaftler 1984 im Alter von 82 Jahren verstarb, hinterliess er der Nachwelt einen reichen Wissensschatz über historische Bauwerke und Denkmäler aus Gesteinen der Schweiz, den er quasi nebenbei angesammelt hatte.

Belegt mit über 1000 Gesteinen

Auf rund 10‘000 Karteikarten, häufig mit einem Foto oder einer Zeichnung versehen, beschrieb de Quervain, aus welcher Gesteinsart ein Objekt stammt, wann es gebaut wurde, seine Besonderheiten - und manchmal gelang es ihm auch, den Ursprungsort des verwendeten Gesteins zu rekonstruieren. Auf diese Weise beschrieb de Quervain etwa 4000 Objekte, gebaut aus Hunderten verschiedenen Gesteinsarten. Neben seinen umfassenden und präzisen Gesteinskenntnissen stützte er sich dabei auch auf die Gesteine der Belegsammlungen zu der Standard-Publikationen «Die natürlichen Bausteine und Dachschiefer der Schweiz» von 1915. Diese Sammlung erweiterte er mit der Belegsammlung zu seinem Buch «Die nutzbaren Gesteine der Schweiz» von 1969. Die Gesamt-Gesteinssammlung ist bei der Schweizerischen Geotechnischen Kommission (SGTK) der ETH Zürich hinterlegt.

Die gebundenen Aufzeichnungen de Quervains füllen zehn Bände mit 2500 Seiten. Sie bildeten die Grundlage zu zahlreichen Publikationen de Quervains. Nun hat die SGTK zusammen mit dem ETH-Institut Denkmalpflege und Bauforschung in einem Drei-Jahres-Projekt eine Datenbank erstellt, in der alle Objekte erfasst sind. Die Datenbank ist nun über den «Geologieviewer » der Landesgeologie/swisstopo öffentlich zugänglich.

Der Projektausführende Konrad Zehnder von der SGTK navigiert durch die Anwendung. Zu sehen sind farbige Punkte auf der topographischen Karte der Schweiz. Die Farben repräsentieren unterschiedliche Bauwerkstypen wie Kirchen, Profanbauten, Brunnen und archäologische Stätten etc. Klickt man einen der Punkte an, erscheint das PDF der eingescannten Original-Karteikarte von de Quervain.

Scheint die Bedienung der Datenbank noch etwas schwerfällig, begeistert die Anwendung über Google Earth. Vergleichsweise rasant lässt sie einen durch die Schweiz navigieren. Mit einem Klick befindet man sich an der Stützmauer am Central und erfährt etwa, aus welchem Gestein sie erbaut wurde. Leider ist diese Anwendung derzeit noch nicht öffentlich verfügbar. Doch Zehnder hofft, dass es damit nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Zuvor müssten noch einige Copyright-technischen Fragen geklärt werden. Dann jedoch wird die Datenbank, die vor allem für die Denkmalpflege, Restauratoren oder Architekten als Recherchehilfe gedacht ist, auch für interessierte iPhone-Benutzer spannend: Weckt ein besonderes Bauwerk beim Sonntagsausflug das Interesse, können vor Ort die Fakten zum Baumaterial abgerufen werden.