Veröffentlicht: 13.04.10
Nanotechnologie

Starke Bor-Baumwolle

Mit Borkarbid verstärkte Baumwolle ist zäh, hart und trotzdem elastisch. Diese Eigenschaften sind ein Versprechen für die Zukunft, aber kugelsicher ist das Material noch nicht.

Peter Rüegg
Die Borkarbid-Nanofasern umgeben Baumwollfasern wie ein dichter Pelz. Das Schema rechts unten zeigt den Aufbau der verstärkten Fasern. (Bilder: aus Tao X. et al., 2010).
Die Borkarbid-Nanofasern umgeben Baumwollfasern wie ein dichter Pelz. Das Schema rechts unten zeigt den Aufbau der verstärkten Fasern. (Bilder: aus Tao X. et al., 2010).

Amerikanische und chinesische Forscher publizierten zusammen mit ETH-Professor Bradley Nelson vor kurzem ein Paper in der Zeitschrift «Advanced Materials», in dem sie eine neue Methode vorstellten, die aus einem gewöhnlichen Baumwoll-T-Shirt als Ausgangsmaterial ein zähes, hartes aber biegsames Gewebe macht. Aus diesem neuen Material, so schreibt in einem Communiqué die University of South Carolina, die in diesem Projekt die Federführung unter Professor Xiaodong Li hat, könnten beispielsweise bequemere und leichtere kugelsichere Westen für Polizisten hergestellt werden. Medien griffen das Thema euphorisch auf und meldeten, dass eine solche Weste bald zu haben sei.

Undenkbar sei es nicht, sagt Nelson, Professor für Robotik und Intelligente Systeme, der mit seinem ETH-Team am Forschungsprojekt beteiligt ist. Obwohl mit der Herstellungsmethode ein Durchbruch gelungen ist, braucht es aber noch viel Entwicklungsarbeit, bis es konventionelle kugelsichere Materialien wie zum Beispiel Kevlar ersetzen kann.

Bad im Bor

Um ihr neues Material zu schaffen, tauchten die Forscher Streifen des Baumwollshirts in eine mit Nickel angereicherte Bor-Lösung. Danach wurden die Stoffstücke in einem Ofen auf 1160°C erhitzt. Unter solch grosser Hitze und unter Zustrom von Argon bildet sich auf den Baumwolle-Mikrofasern ein Pelz aus Borkarbid-Nanofasern. Borkabid ist bei Raumtemperatur das dritthärteste, bei über 1100°C sogar das härteste, bekannte Material. Nach der Bildung der Nanofasern verwandeln sich die Baumwolle-Mikrofasern in Bor-verstärkte Kohlenstoff-Mikrofasern. Auf der Spitze jeder Nanofaser sitzt ein Tröpfchen aus Katalysatormaterial.

Diese Härchen sind im Gegensatz zu massivem Borkarbid ausserordentlich elastisch und biegsam. Dies zeigen Tests an einzelnen Nanofasern, die Nelson in seinem auf solche Untersuchungen spezialisierten Labor durchführte. Trotzdem weisen die Borkarbid-Nanofasern die Stärke und Steifigkeit von massivem Borkarbid auf. Das Gewebe selbst ist insgesamt leicht und biegsam wie das Baumwoll-T-Shirt geblieben, aber gleichzeitig auch zäher und steifer als dieses.

Ansatz verspricht viel

Bradley Nelson ist bekannt für seine innovativen Ansätze und Konzepte im Bereich der Mikro- und Nanorobotik. Für ihn steht ganz klar die Entwicklung des Rohmaterials im Vordergrund. Obwohl das T-Shirt als eine mögliche Anwendung wichtig ist, sei der Herstellungsprozess der Schlüssel. Das Konzept, ein Alltagsmaterial wie Baumwolle als Trägersubstanz und als Katalysator gleichzeitig nutzen zu können, um damit dessen Eigenschaften komplett zu verändern, sei vielversprechend und wegweisend, findet Nelson. Man könne sich allerdings eine grosse Anzahl von Anwendungen für solche Materialien vorstellen, von Membranen in Lautsprechern über Leichtbau-Flugzeuge bis zur Schutzkleidung für die Feuerwehr. Das Borkarbid-Gewebe blockiert zudem verschiedene Ultraviolett-Strahlen zu fast 100 Prozent.

Literaturhinweis

Tao X, Dong L, Wang X, Zhang W, Nelson BJ, Li X. B4C-Nanowires/Carbon-Microfiber Hybrid Structures and Composites from Cotton T-shirts. Advanced Materials 2010, 22, 1-5, doi: 10.1002/adma.200903071

 
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