Veröffentlicht: 18.12.09
EU-Förderprogramm

Startpfiff für das Climate-KIC

Das Konsortium Climate-KIC, an dem die ETH Zürich federführend beteiligt ist, hat vom EIT den Zuschlag erhalten. Wie dem ambitionierten Projekt zum Erfolg verholfen werden soll, erklärt der ETH-Professor Nicolas Gruber im Interview.

Simone Ulmer
Nicolas Gruber freut sich auf das Climate-KIC-Projekt. (Bild: Susi Lindig/ETH Zürich)
Nicolas Gruber freut sich auf das Climate-KIC-Projekt. (Bild: Susi Lindig/ETH Zürich) (Grossbild)

Das European Institute of Innovation and Technology (EIT) ist eine neue Förderinstitution der EU, mit dem die europäische Innovationskraft und der Wissensaustausch zwischen Hochschulen und Privatwirtschaft wie auch der öffentlichen Hand gestärkt werden sollen. Im April erliess das EIT einen Call for Proposals für sogenannte Knowledge and Innovation Communities (KIC), d.h. für die Bildung von Konsortien in drei Themenbereichen. Die ETH Zürich hat sich mit anderen Hochschulen in Europa, mit grossen Wirtschaftspartnern und mit einem Verbund verschiedener Regionen (siehe Kasten) zusammengeschlossen, um ein KIC im Bereich des Klimawandels aufzubauen (Climate-KIC). Gestern wurde bekannt gegeben, dass diese Bewerbung erfolgreich war. Der ETH Professor und Klimawissenschaftler Nicolas Gruber ist federführend am Projekt beteiligt und erzählt im Interview, was mit dem erwarteten Zuspruch von etwa 100 Millionen Euro geplant ist.

Herr Gruber, wie fühlt es sich an, wenn man den Zuschlag für ein derartig grosses Projekt erhalten hat und eine solch enorme Summe zugesprochen bekommt?
Natürlich bin ich hocherfreut – ein grosses und breitabgestütztes Team hat mehr als ein Jahr an diesem Projekt gearbeitet, und da erntet man natürlich gerne die Früchte dieser Arbeit. Ich bin aber auch ehrfürchtig, denn die Ziele sind hoch gesteckt, und die eigentliche Arbeit steht uns ja erst noch bevor.

Was sind die Pläne des Climate-KIC?
Auf der einen Seite geht es uns darum, Ideen, Konzepte und Technologien zu entwickeln, mit denen ein grosser Teil des antizipierten Klimawandels verhindert werden soll. Unser Ziel ist es aufzuzeigen, wie eine nachhaltige Gesellschaft und Wirtschaft in 20-50 Jahren aussehen soll, und dann die entsprechenden Lösungen zu erarbeiten. Wir wollen konkret Produkteketten entwickeln, die unsere elementaren Bedürfnisse wie Transport, Wohnen, und Arbeiten abdecken, dabei aber einen viel geringeren Ausstoss von Treibhausgasen verursachen. Der zweite Aspekt gilt der optimalen Anpassung an den Klimawandel. Denn selbst wenn wir einen zusätzlichen Klimawandel verhindern können, haben wir beim Klima bereits heute ein System in Bewegung gesetzt, das sich nur langsam abbremsen lässt.

Wie sieht die Strategie konkret aus?
Wir haben vier Themenbereiche definiert. Einer davon umfasst Wasser, Nahrung und integrierte Landnutzung. Hier geht es beispielsweise um optimale Wassernutzung bei Bewässerung oder den Einsatz von Pflanzen, die mit wenig Wasser leben können. Unter dieses Thema fällt aber auch der Hochwasserschutz. Weitere Themen sind Klimaextreme im allgemeinen, wie beispielsweise Dürre, sowie Kohlenstoff-Management.

Das sind in erster Linie Adaptionsmassnahmen. Wie sehen die Pläne zur Verhinderung des Klimawandels aus?
Beim Schwerpunktthema Dekarbonisierung der Energie geht es beispielsweise um die Idee des CO2-Capture und Storage, also darum, wie wir CO2 vor oder nach dem Verbrennungsprozess abfangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Ein weiterer Themenbereich befasst sich mit Städten und Mobilität, denn diese Sektoren sind ebenfalls grosse Treibhausquellen. Die Infrastruktur und Häuser der Zukunft sollen so gestaltet werden, dass sie nicht nur energieeffizient und gut integriert sind in moderne Energiesysteme, sondern, dass beispielweise bei einer Hitzewelle Gebäude kühl bleiben. Beim Verkehr ist die elektrifizierte Mobilität ein Schwerpunkt.

Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an das Climate-KIC?
Ich habe grosse Erwartungen daran. Ziel soll sein, Lösungsansätze zu entwickeln, so dass wir die Herausforderung des menschgemachten Klimawandels an der Wurzel anpacken können. Als Klimawissenschafter und Mitautor des 4. Klimaberichtes des IPCC konnte ich mithelfen aufzuzeigen, was die Dimension des Problems ist. Nun geht es darum, den nächsten Schritt zu machen. Die Herausforderung ist gewaltig, denn wir müssen bei sehr grundlegenden Aspekten unserer Gesellschaft und Wirtschaft ansetzen, um dem Klimawandel effektiv zu begegnen.

Wie werden die Pläne nun umgesetzt?
Die Idee ist, fünf starke Zentren zu haben, wo die Mehrheit der Aktivitäten, d.h. die Forschung, die Innovation, aber auch die Ausbildung durchgeführt werden. Diese Zentren werden von den fünf in Europa verteilten Hochschulknotenpunkten (siehe Kasten) aufgebaut. Zürich wird dabei eines dieser Zentren betreiben, zusammen mit lokalen Partnern wie z.B. der Stadt Zürich. Zum Climate-KIC Konsortium kommen auch noch zehn grosse europäische Firmen, die in verschiedenen den Klimawandel tangierenden Bereichen tätig sind, so wie eine Reihe von europäischen Regionen. Die letzteren werden sich vor allem mit der Umsetzung beschäftigen.

Derartig viele und unterschiedliche Partner, sind da Probleme und Interessenskonflikte nicht vorprogrammiert?
Einfach ist das alles sicher nicht. Die KIC-Projekte sind sehr ambitiös und komplex. Zusätzlich müssen finanzielle und politische Aspekte berücksichtigt werden. Dabei wird es immer wieder vorkommen, dass eine Gruppe nur ihre partikulären Interessen verfolgt. Die positive Erfahrung der letzten Monate macht uns aber sehr optimistisch, dass wir die Stärken der Partner und die daraus entstehenden Synergien voll nutzen können werden.

Gibt es bisher vergleichbare Projekte?
Nein, der Ansatz ist auf europäischer Ebene ganz neu. Eine derartige Zusammenarbeit hat es bis anhin noch nicht gegeben.

Was war für das Engagement der ETH ausschlaggebend?
Dass die Verhinderung des menschgemachten Klimawandels von entscheidender Wichtigkeit ist. Zusätzlich handelt es sich dabei um einen Bereich, in dem der Austausch zwischen den verschiedenen Bereichen Forschung, Lehre und Innovation bis jetzt eher klein war, und wo die Innovation im Schnitt eher langsam fortschritt. Hier bringt der Anschub für einen Austausch zwischen den drei Bereichen am meisten. Zudem ist das Potential riesig. Das Klimaproblem ist ein globales. Alle auf dieser Welt werden Lösungsansätze und neue Technologien brauchen. Wir sind hervorragend aufgestellt, diese Chance wahrzunehmen und diesen Markt zu besetzen. Strategisch ist für mich sonnenklar, dass wir handeln müssen. Durch das EIT bekommen wir die Chance, das nun zu tun.

War es einfach, Partner zu gewinnen?
Nein, das war aufwändig, insbesondere da wir sicherstellen mussten, dass die Partner bereit sind, den grössten Teil der Mittel bereit zu stellen. Das EIT gibt uns maximal 25 Prozent des gesamten Budgets, den Rest müssen wir selber auftreiben. Das verlangte von allen Kern-Partnern aus der Wirtschaft verbindliche Zusagen in Millionenhöhe. Da haben uns die guten Kontakte der verschiedenen Hochschulen und auch das persönliche Engagement der Schulleitung, insbesondere vom vormaligen Vizepräsidenten für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, Peter Chen, sehr geholfen. Zusätzlich mussten wir die ganze Organisation des KIC zuerst einmal definieren. Es ging darum zu bestimmen, wie das Ganze geführt wird, woher das Geld kommt und wer entscheidet, wie das Geld verteilt wird – das musste vorab, unter enormen Zeitdruck, geklärt werden.

Zu dem Förderbetrag des EIT muss das Konsortium noch rund vier Mal so viel einbringen. Was geschieht, wenn es das nicht schafft?
Dann waren wir ganz klar nicht erfolgreich, und wir können das Climate-KIC am Ende seiner ersten Phase, d.h. nach 4 Jahren wieder beerdigen. Wir werden natürlich alles daran setzen, dass dies nicht geschehen wird. Im Vorfeld haben wir sehr genaue Abklärungen gemacht und einen detaillierten Businessplan aufgestellt, der aufzeigt, wie wir die zusätzlichen Geldmittel beschaffen. Die beteiligten Firmen haben schon namhafte Beträge in Aussicht gestellt, und als starkes Konsortium haben wir gute Chancen, an europäische Fördergelder zu gelangen. Mittelfristig kommen noch Einkünfte, etwa von Spin-offs, dazu.

Was wird der nächste Schritt sein?
Nun werden Leute für das Projekt eingestellt, alle bisher Beteiligten bleiben weiterhin mit dabei. Einen Interim-CEO haben wir schon bestimmt – er wird ab Januar das Zepter übernehmen. Im Februar gründen wir eine europäische Firma, mit voraussichtlichem Sitz in Brüssel. Diese wird das KIC führen und bei allen Hochschulknotenpunkten einen Ableger haben. Die Knotenpunkte sind die zentralen Elemente des KICs; dort finden die Projekte statt und auch vornehmlich der Kontakt zwischen den verschiedenen Bereichen. Hier werden Master-Studierende sowie Doktoranden ausgebildet. Jeder Knotenpunkt hat seine spezifischen Partner. In Zürich sind das, wie schon oben genannt, die Stadt Zürich, aber auch das Firmennetzwerk für nachhaltiges Wirtschaften (Oebu), die Firma VIVA!campus, und die Forschungsinstitution Eawag. IBM und Siemens sind ebenfalls dabei als sogenannte Venture Partner. Wir würden uns freuen, wenn wir noch weitere Partner gewinnen könnten.

Sie machen den Eindruck als stünden Sie in den Startlöchern und warten nur darauf loszulegen.
Ja, wir haben einen Businessplan und legale Strukturen, es ist alles definiert. Im Raum Zürich wird im Mai die Arbeit aufgenommen, das Gesamtprojekt soll im dritten Quartal laufen.

Welcher Zeithorizont ist vorgesehen?
Die Idee ist, dass das Projekt mindestens 15 Jahre läuft. Wir haben klare Zielvorgaben, die aber noch vom EIT abgesegnet werden müssen. Dabei gibt es Meilensteine, die eingehalten werden müssen. Unser langfristiges Ziel ist, dass das Climate-KIC durch Produktentwicklungen, etwa in Spin-offs, finanziell unabhängig wird.

Das klingt sehr business orientiert, eher untypisch für ein EU-Projekt.
Das EIT ist eine ganz neue, business orientierte Schiene, die von der EU kreiert wurde. Die Mehrheit des Governing Boards kommt aus der Wirtschaft. Der Chef des EIT, Martin Schuurmans, war beispielsweise lange Zeit Forschungschef bei den Philips Research Laboratories in Holland.

Wie kann die Schweiz das Climate KIC unterstützen?
Mir liegt am Herzen, dass wir weitere Schweizer Firmen einbinden können. Denn dadurch könnten wir den Standort Zürich noch mehr stärken. Wir sind in der Schweiz hervorragend aufgestellt. Wichtig ist, dass die Schweizer Wirtschaft realisiert, dass hier ein Potential für sie ist, Technologien zu entwickeln, für die in der Zukunft ein grosser Bedarf besteht.

Climate-KIC

Entstanden ist das Projekt aus der IDEA League heraus (siehe auch Artikel in ETH Life vom 7.12.2009). Die Partner der IDEA League haben im Vorfeld des Call for Proposals, vor etwa zwei Jahren, geschaut, ob die Kapazität und das Interesse an einem KIC da ist und wenn ja, in welchem Bereich. Die ETH übernahm dabei unter Leitung von Professor Jaboury Ghazoul zusammen mit Imperial College London den Lead bei der Machbarkeitsstudie zum Thema Klimawandel. Vor einem Jahr hat man sich dann entschieden, ein Konsortium für das Climate-KIC aufzubauen, und die ETH Zürich hat mit Imperial begonnen, zusätzliche Partner anzuwerben.Zum Climate-KIC-Konsortium haben sich bisher auf der akademischen Seite neben der ETH Zürich und dem Imperial College London in Grossbritannien, ein Konsortium in Paris unter Federführung des IPSL und der ParisTech zusammen mit CEA (Frankreich), ein Konsortium im Raume Berlin unter Leitung des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und der TU Berlin, sowie ein holländisches Konsortium bestehend aus der Universität von Utrecht, der Technischen Hochschule Delft, und der Universität von Wageningen (Holland) zusammen geschlossen. Partner aus der Wirtschaft sind Bayer, Beluga Shipping, Cisco, DSM, EDF, SAP, Shell, Schiphol Airport, Solar Valley und Thales. Zu den Partnern aus dem öffentlichen Bereich gehört ein Verbund von Regionen, der Zentral-Ungarn, Niederschlesien (Polen), Midlands (GB), Hessen (D), Emilia-Romagna (IT) und Valencia (SP) umfasst.

 
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