Veröffentlicht: 09.10.09
Urban Design

ETH unterstützt äthiopischen Städtebau

Mitte Oktober wird in Addis Abeba das «Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development» eröffnet. Das Ziel des neuen Instituts ist, die Architekten gezielter in nachhaltigem und effizientem Städtebau auszubilden. Mit Dirk Hebel übernimmt ein renommierter Architekt und ETH-Dozent die Institutsleitung.

Lukas Langhart
Mit dem Material bauen, das man zur Verfügung hat: Die ETH entwickelt in Äthiopien neue städtebauliche Konzepte. Die Container dienen als Ausstellungsfläche am neuen Architekturinstitut in Addis Abeba. (Bild: Benjamin Stähli / ETH Zürich)
Mit dem Material bauen, das man zur Verfügung hat: Die ETH entwickelt in Äthiopien neue städtebauliche Konzepte. Die Container dienen als Ausstellungsfläche am neuen Architekturinstitut in Addis Abeba. (Bild: Benjamin Stähli / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Bevölkerungszahl in Äthiopien wächst und wächst. Experten prognostizieren für die kommenden 15 Jahre ein Wachstum von zurzeit 78 auf 120 Millionen Menschen. Die Städte platzen bereits heute aus allen Nähten. Der Vielvölkerstaat im Nord-Osten Afrikas stösst an seine Grenzen: Es fehlt das Know-how, um auf das Bevölkerungswachstum nachhaltig zu reagieren. 2006 wurde eine Zusammenarbeit zwischen der Professur Marc Angélil am Architekturdepartement der ETH Zürich und der Technologischen Fakultät der Universität Addis Abeba initiiert, um das nötige Know-how zu transferieren.

Didaktik für äthiopische Studenten

Seit vier Jahren läuft in Äthiopien das Engineering Capacity Building Program (ECBP). Dieses von der Deutschen Regierung finanzierte Reformprogramm hat zum Ziel, die äthiopische Wirtschaft und Bildung zu fördern. Im Jahr 2006 hat das ECBP das Architekturdepartement der ETH Zürich um Unterstützung angefragt. Als Leiter des Master of Advanced Studies in Urban Design an der ETH Zürich ist der deutsche Architekt Dirk Hebel der Hauptverantwortliche für die schweizerisch-äthiopische Zusammenarbeit.

Der Wissenstransfer wird einerseits dadurch unterstützt, dass jeweils zwei Studenten aus Äthiopien einen Platz im einjährigen Master-Kurs an der ETH Zürich erhalten. Ausserdem haben Angélil und Hebel in den vergangenen drei Jahren mehrere äthiopische Architekten als wissenschaftliche Mitarbeiter an die ETH eingeladen. Laut Hebel geht es darum, die bisher in Äthiopien angewendeten didaktischen Methoden weiterzuentwickeln und zu verbessern sowie gemeinsam neue Forschungsschwerpunkte auszuarbeiten.

Neues Architekturinstitut in Addis Abeba

Auf der anderen Seite engagiert sich die ETH in Äthiopien in der umfassenden Reform der universitären Architektenausbildung. Am 15. Oktober öffnet in der Hauptstadt Addis Abeba das neue «Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development», in dem nach schweizerischem Vorbild Architektur und Städtebau unterrichtet, erforscht und weiterentwickelt werden. «Äthiopien hatte bisher nicht die Strukturen, neue Wege zu beschreiten», sagt Dirk Hebel. Mit dem neuen Institut soll das nötige Know-how vermittelt werden, damit das Land die Fachkräfte ausbilden kann, die es benötigt.

Es gehe nicht darum, in Addis Abeba Schweizer Architektur zu lehren, erklärt Hebel: «Äthiopien muss aufhören, Europa oder China zu kopieren, und sich wieder auf die eigene Baukultur sowie auf die lokalen Baumaterialien besinnen, um eine Abhängigkeit zu vermeiden.» Mit der Geschichte und Theorie der landeseigenen Architektur befasst sich denn auch eines der fünf Kompetenzzentren, aus denen das neue Institut besteht. Die weiteren Zentren widmen sich dem Städtebau, der Baukonstruktion, dem Entwerfen sowie dem nachhaltigen Bauen.

Transparente Strukturen schaffen

«Die bisherigen Strukturen waren intransparent und kompliziert», sagt Hebel über das Architekturdepartement der Universität Addis Abeba. Anstatt autonomer Fachschaften sollen deshalb am neuen Institut fachübergreifende Professuren für die nötige Transparenz und einen gewissen Grad an demokratischen Organisationsstrukturen sorgen. Um die Entwicklung der Kompetenzzentren zu koordinieren, übernimmt Dirk Hebel in der Anfangsphase die Institutsleitung in Addis Abeba. Sein Stellvertreter und designierter Nachfolger ist der äthiopische Architekturdozent Zegeye Cherenet, der während eines Jahres in Hebels Team an der ETH gearbeitet hat. Ebenfalls am neuen Institut dozieren wird Franz Oswald, Professor Emeritus des Departements für Architektur an der ETH Zürich und Hauptinitiant dieser schweizerisch-äthiopischen Kooperation.

Der 38-jährige Hebel, der am 10. Oktober nach Addis Abeba fliegt, um seine neue Stelle anzutreten, freut sich auf die verantwortungsvolle Aufgabe. Die offizielle Übergangsphase, in der das neue Institut die bestehenden Studiengänge integrieren und die alten Strukturen auflösen will, dauert drei Jahre. «Ich hoffe jedoch, dass sich die ETH bereits nach eineinhalb Jahren aus dem Projekt zurückziehen und die Institutsleitung vollständig in äthiopische Hände übergeben kann», sagt Hebel.

Stadtentwicklung in alten Containern

Am 23. Oktober wird an der Universität in Addis Abeba die Ausstellung «Urban Laboratory ETHiopia» eröffnet. Das Ausserordentliche an der Architekturausstellung sind die Räumlichkeiten: In Zusammenarbeit zwischen der Universität Addis Abeba und der ETH Zürich wurde auf dem Campus der technologischen Fakultät eine zweistöckige Ausstellungsfläche aus alten Schiffscontainern konstruiert. Die Ausstellung zeigt die Methoden und Ideen, mit denen Äthiopien den Herausforderungen begegnen kann, die sich durch das rasante Bevölkerungswachstum ergeben. In den Containern werden sowohl Arbeiten von äthiopischen Architekten und Studierenden wie auch diejenigen des ETH-Masterkurses in Urban Design präsentiert. Die Ausstellung läuft bis Ende 2009. Am 24. Oktober findet am neuen Institut zum selben Thema ein Symposium statt, dass paritätisch mit Schweizer und äthiopischen Architekten besetzt sein wird.

 
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