Veröffentlicht: 25.06.09
Dossier Citius

Den optimalen Luftwiderstand erforschen

Der Druck war gross für das Team Aerodynamik der ETH Zürich. Beim Bau des Citius-Bob galt es durch die aerodynamische Form zehntel Sekunden heraus zu holen. Das Know-how der Bob-Bauer zu toppen, war kein einfaches Unterfangen.

Simone Ulmer
Benjamin Zoller erklärt die Wasserkanal-Versuche (Alle Bilder: Pablo Faccinetto/ETH Zürich)
Benjamin Zoller erklärt die Wasserkanal-Versuche (Alle Bilder: Pablo Faccinetto/ETH Zürich) (Grossbild)

Windschnittige Formen von Autos oder Bobs erscheinen in der Regel als ästhetische Gefährte. Deshalb ist Patrick Jenny, Professor am Institut für Fluiddynamik an der ETH Zürich, davon überzeugt, dass eine Skizze von einem Künstler, der einen schnittigen Bob zeichnet, bereits gute aerodynamische Eigenschaften besitzt. Leider decken sich derartige Entwürfe meist nicht mit den realen Anforderungen an einen Bob oder den strengen Reglements, die im Bob-Bau zu beachten sind.

Qualitative Annäherung

Die Aufgabe des Teams von Patrick Jenny und seinem Doktoranden, Benjamin Zoller, war es, die Aerodynamik des Bobs zu optimieren, ohne dabei die strengen Reglements des Internationalen Bobverbandes zu verletzen. Hierfür analysierten sie zunächst einen Bericht, dem eine holländische Masterarbeit zu einem 2er-Bob zugrunde lag. Anschliessend führte Zoller mit einem Modell-Bob qualitative Tests im Wasserkanal durch. Ein 3D-Drucker hatte das Modell anhand der digitalisierten Daten des 4er-Bob, der in der vergangenen Saison von der Schweizer Mannschaft eingesetzt wurde, hergestellt. Mit Kinderknete veränderten die Wissenschaftler mehrfach die Hülle des Modells, die sie jeweils im Wasserkanal testeten, und erhielten so erste Hinweise auf die aerodynamisch optimale Bauart.

«Für qualitative Abschätzungen eignen sich die Wasserkanal-Versuche sehr gut», erklärt Jenny. Denn das Gas – im Fall des Bobs die Luft – verhält sich bei Strömungen, im Vergleich zur Schallgeschwindigkeit, langsam, ähnlich wie Wasser. Über die Strömungsmuster lässt sich schnell erkennen, wie gut das aerodynamische Verhalten des Testfahrzeuges ist.

Wasser- und Eiskanal zur Stromlinien-Analyse

Im Winter 2007/2008 gab es im Eiskanal von St. Moritz Testläufe mit einem Original-2er-Bob, den das Team mir Wollfäden beklebte. Sowohl die Tests im Eiskanal wie auch die im Wasserkanal gaben Aufschluss über den Stromlinienverlauf und die Strömungsmuster. Die sich im Wind bewegenden Fäden lieferten den Forschern mehr Detailerkenntnisse, beispielsweise über das aerodynamische Verhalten der Abweiser, die seitlich am Bob angebracht sind, und die im Wasserkanalmodell wegen ihrer geringen Grösse schwierig zu visualisieren sind. Die Abweiser verhindern, dass sich die Bob-Kufen beim seitlichen Kontakt des Bobs mit der Eisbahn verhaken, und sind deshalb obligatorisch. Sie wirken sich aber auf die Aerodynamik ungünstig aus.

Athleten geben den Ausschlag

Die Daten über das Strömungsverhalten des Bobs speisten die Forscher in bestimmte Simulationsprogramme ein, um nach der optimalen Form zu suchen. «Wenn es glatt lief, brauchten wir vierundzwanzig Stunden, um eine Form zu simulieren», sagt Zoller. Der Optimierungs-Spielraum ist jedoch gering: Befände sich die Bobbahn im Vakuum, so dass der aerodynamische Widerstand gegen Null ginge, wäre es möglich, maximal 4 bis 5 Sekunden einzusparen, erklären die Wissenschaftler. Die Aerodynamik fällt deshalb vor allem dann ins Gewicht, wenn hundertstel Sekunden über den Sieger entscheiden. Trotz viel Technik spielen die Athleten nach wie vor eine entscheidende Rolle, betont Jenny.

An der Nase des Bobs und am Helm des Piloten, den so genannten Staupunkten, wird die Strömung auf Null abgebremst. Der dabei erzeugte Druckverlust sei zu 90 Prozent für den Aerodynamischen Widerstand verantwortlich, erklärt Zoller. Deshalb ist die Nase so zu konstruieren, dass die Strömungslinien seitlich entlang des Bobs umgelenkt werden. Der nächste Knackpunkt ist dort, wo sich die Strömungslinien vom Bob ablösen, am Ende des Bobs, wo die Athleten einsteigen. Der Einstieg bildet die Ablösefläche. Mit seiner Grösse wächst der Aerodynamische Widerstand. «Würde die Strömung am Heck voll anliegen, wie beispielsweise an einer langsam umströmten Kugel, gäbe es dort einen zweiten Staupunkt mit demselben Druck wie an der Front und der Druckverlust wäre dann Null», sagt Zoller. Da das beim Bob unmöglich ist, müssen die Nase und das Heck optimiert werden, um den Druckverlust, der den aerodynamische Widerstand ausmacht, gering zu halten.

Das Team Aerodynamik nahm neben der Hülle, insbesondere der Nase und den Abweisern, beispielsweise auch den Anschiebe-Bügel unter die Lupe: sie versuchten hinsichtlich der Aerodynamik alles zu verbessern. Ihre Möglichkeiten, insbesondere bei den Simulationen, seien aber durch Zeit- und Kostengründen begrenzt gewesen, erklären die Wissenschaftler. Aber auch der geringe Spielraum an Möglichkeiten war eine Herausforderung. Deshalb arbeitete das Team eng mit dem ehemaligen Bob-Fahrer und heutigen Bob-Bauer Christian Reich zusammen, der ohne das Know-how, das an der ETH zum Einsatz kommt, erfolgreiche Bobs baut.

Schnittstelle im Projekt

Das Team Kinematik II unter Leitung von Paolo Ermanni vom Institut für Mechanische Systeme baute in Zusammenarbeit mit den Industriepartnern auf der Grundlage der Daten des Teams Aerodynamik schliesslich die Hülle des Bobs. Das Team Kinematik II, namentlich Thomas Kern, war für das Projektmanagement zuständig. Dort laufen alle Teilprojekte zusammen. Kern wechselte im Frühjahr in die Industrie, sein Nachfolger wurde Carlo Zimmermann.

Nachdem das Team Aerodynamik die optimale Form definiert hatte, konnte das Team Kinematik II mit der Konstruktion der Hülle beginnen. «Dabei galt es, mit dem richtigen Baumaterial die ideale Steifigkeit und Festigkeit des Bobs zu finden», sagt Zimmermann. Die Konstruktion sollte die Reglements erfüllen und dem Bob das richtige Gewicht verleihen. Das Team entschied sich für Kohlenstofffaser als Baustoff und begann im Mai vergangenen Jahres in Zusammenarbeit mit der Firma Ruag mit der Konstruktion. Nachdem die ersten beiden Prototypen von den Piloten in der vergangenen Saison getestet wurden, kam der endgültige Feedback an die Bob-Bauer.Es zeigte sich, dass die Abweiser zu schwach ausgelegt waren und die Hülle den Piloten zu stark vibrierte. Nachgebessert und die Hülle verstärkt hat das Team innen im Bob, damit die äussere aerodynamische Form erhalten blieb. Bis kurz bevor der Bob Mitte April in die Serienproduktion ging, legten alle Teams noch mit Verbesserungen nach.

Zu guter letzt: Helm-Aerodynamik

In Ruhe kann sich das Team Aerodynamik momentan noch einem weiteren wichtigen Aspekt, der Aerodynamik der Helme, widmen. Dies macht Severin Merk in seiner Masterarbeit. Er testet unterschiedliche Motoradhelme der Firma IXS im Windkanal der ETH Zürich. Puppen, die die Athleten simulieren, tragen die Helme im Bob, der im Windkanal Windstärken von bis zu 180 Stundenkilometern trotzt, um den aerodynamischen Widerstand der Helme zu messen. Auch hier wird mit Hilfe von Wollfäden gearbeitet und das Strömungsverhalten studiert. Mit Hilfe einer Waage, welche den aerodynamischen Widerstand misst, wurde die optimale Helmkonfiguration gefunden. Die Helme sind den Fahren aber noch zu schwer – sie wünschen sich leichte Helme, die nicht zu gross sind, damit zumindest der Pilot gut den Kopf bewegen kann und ein optimales Blickfeld hat.

Auch wenn sie die Details geheim halten – die Teams werten den Bau des Citius-Bobs als erfolgreich.

 
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