Veröffentlicht: 06.05.09
Evolution Blütenbiologie

Verderben giftige Pollen Bienen den Appetit?

Chemische Waffe gegen ungebetene Blütenbesucher: ETH-Forscher prüfen, ob die Pollen von gewissen Pflanzen Giftstoffe enthalten, welche Bienen den Magen verderben. Die Pflanzen schützen sich damit vor den fleissigen Pollensammlerinnen.

Peter Rüegg
Eine Colletes-Biene erntet Pollen eines Berufskrauts, einem Asterngewächs. (Bild: Andreas Müller / Angewandte Entomologie ETH Zürich)
Eine Colletes-Biene erntet Pollen eines Berufskrauts, einem Asterngewächs. (Bild: Andreas Müller / Angewandte Entomologie ETH Zürich) (Grossbild)

Bienen und Blumen, eine harmonische Wechselbeziehung mit ausgeglichener Rechnung für beide. Die Insekten erhalten Nektar und Pollen, bestäuben die Blüte und sichern der Pflanze die Fortpflanzung. Sogar der Mensch profitiert. Ohne Bienen gäbe es keine Äpfel, keinen Honig. Eine moralisch einwandfreie Win-win-Situation.

Andreas Müller, Kurator der Entomologischen Sammlung der ETH Zürich in der Gruppe für Angewandte Entomologie von Professorin Silvia Dorn, sieht dies mittlerweile etwas nüchterner. Bienen – neben der Honigbiene gibt es in der Schweiz über 600 Wildbienenarten – sind Pflanzenfresser, die sich im Lauf der Evolution auf eiweissreiche Pollen als Nahrung spezialisierten. Der Pollenbedarf der Bienen ist enorm. Sie brauchen oft den gesamten Pollengehalt von mehreren hundert Blüten, um einen einzigen Nachkommen zu erzeugen. Und das kann aus Sicht der Pflanzen ein grosser Nachteil sein, betont der Forscher. Jedes Pollenkorn, das in einer Bienen-Brutzelle verschwindet, ist eigentlich ein potenzieller Samen weniger. Je mehr die Bienen unspezifisch auf vielen verschiedenen Pflanzenarten und -familien Pollen sammeln, desto grösser die Gefahr, dass dieser nicht ans Ziel, die Narbe der Blüte der richtigen Art, gelangt und diese befruchtet. Überdies kostet die Pollenproduktion die Pflanzen viel Energie.

Pflanzen haben also ein «Interesse» daran, die Zahl der Pollenfresser einzuschränken, damit nicht zu viel Pollen verloren geht. Sie entwickelten deshalb im Laufe der Zeit spezielle Blütenformen, um Bienen die Pollenernte zu erschweren - wie etwa die Schiffchenform der Erbsen-Blüten. Gewisse Bienenarten haben sich wiederum an solch spezielle Blütenformen körperlich angepasst.

Gift hält Bienen vom Pollen fern

Andreas Müllers Forschungsteam hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem sich Pflanzen gegen Pollenfresser wehren. Die Forscher fanden zu ihrer Überraschung heraus, dass zahlreiche Bienenarten der Gattung Colletes auf Asterngewächse spezialisiert sind. Generalisten innerhalb der gleichen Gattung, die unspezifisch Pollen ernten, machen dagegen einen Bogen um diese Pflanzenfamilie, obwohl sie artenreich ist. Zudem machen es Asterngewächse - anders als Schmetterlingsblütler wie Erbsen - den Blütenbesuchern leicht, den Pollen zu ernten.

Der Gedanke an einen chemischen Schutz des Pollens lag für Müller deshalb nahe. «Gegen Insektenfrass wehren sich Pflanzen oft, indem sie Giftstoffe in Blätter einlagern. Wieso sollte das nicht auch bei den Pollen so sein?», fragt sich der Forscher, der seine Idee als «Astern-Paradox» in einer kürzlich erschienenen wissenschaftlichen Publikation beschrieb.

Die Insektenforscher der ETH starteten eine Reihe von Experimenten, um ihre Theorie zu prüfen. Unter anderem fütterte Christophe Praz für seine mit der Medaille der ETH geehrten Doktorarbeit die Larven von spezialisierten Bienen mit dem Pollen von Asterngewächsen, der nicht ihrer normalen Ernährung entsprach. Die Larven frassen zwar bis zu 30 Tage das falsche Futter, wuchsen aber nicht. Keine Art schaffte es, sich mit Pollen von Asterngewächsen von der Larve zur Biene zu entwickeln – ausser den Spezialisten für diese Pflanzenfamilie.

Ist Asternpollen ungeniessbar?

Claudio Sedivy, Doktorand in der Gruppe Angewandte Entomologie, prüft nun in Zusammenarbeit mit dem Chemiker Rafal Piskorski und dem Studenten Claude Hüsser, ob Pollen von Asterngewächsen Giftstoffe enthalten und ob die entsprechenden Bienen über besondere Stoffwechselanpassungen verfügen, damit sie den Pollen verwerten können.

Mit ihrer Forschung beschreiten die ETH-Wissenschaftler Neuland. Die Evolutionsforschung habe diesen Aspekt der Blütenbiologie vernachlässigt, gibt Müller zu bedenken. «Der chemische Schutz des Pollens dürfte sich jedoch massiv auf die Evolution der Insekten-Blüten-Wechselbeziehung ausgewirkt haben», betont er.

Literaturhinweise:

Praz, C.J., Müller, A. & Dorn, S. (2008): Specialized bees fail to develop on non-host pollen: do plants chemically protect their pollen? Ecology, 89, 795-804.

Müller, A. & Kuhlmann, M. (2008): Pollen hosts of western palaearctic bees of the genus Colletes (Colletidae) - the Asteraceae paradox. Biological Journal of the Linnean Society, 95, 719-733.

Sedivy, C., Praz, C.J., Müller, A., Widmer, A. & Dorn, S. (2008): Patterns of host-plant choice in bees of the genus Chelostoma: the constraint hypothesis of host-range evolution in bees. Evolution, 62, 2487-2507.

 
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