Veröffentlicht: 06.04.09
Microrobotics

ETH-Forscher bauen Bakterien nach

ETH-Forscher haben Mikro-Roboter gebaut, die erstmals so klein sind wie Bakterien. Diese sollen helfen, Menschen zu heilen.

Maja Schaffner
Artificial Bacterial Flagella sind etwa halb so lang wie ein menschliches Haar dick ist. Sie können sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu einer Körperlänge pro Sekunde fortbewegen. Damit kommen sie ihren Vorbildern aus der Natur schon sehr nahe. (Bild: Institut für Robotik und Intelligente Systeme/ETH Zürich)
Artificial Bacterial Flagella sind etwa halb so lang wie ein menschliches Haar dick ist. Sie können sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu einer Körperlänge pro Sekunde fortbewegen. Damit kommen sie ihren Vorbildern aus der Natur schon sehr nahe. (Bild: Institut für Robotik und Intelligente Systeme/ETH Zürich) (Grossbild)

Sie sehen aus wie Spiralen mit kleinem Köpfchen und schrauben sich wie Miniatur-Korkenzieher durch die Flüssigkeit. In Bewegung wirken sie wie etwas plumpe Bakterien mit langen Geisseln. Beobachten lassen sie sich nur unter dem Mikroskop, denn sie sind mit ihren 25 bis 60 µm Gesamtlänge fast so winzig wie natürliche Geisseln tragende Bakterien. Die sind meist zwischen 5 und 15 µm lang, einige über 20 µm.

Der Natur abgeschaut

Die kleinen schraubenförmigen, der Natur abgeschauten Plagiate von E.coli und Co heissen «Artificial Bacterial Flagella» (ABF), was auf Deutsch etwa so viel heisst wie «künstliche begeisselte Bakterien». Erfunden, hergestellt und zum Schwimmen gebracht haben sie Forscher der Gruppe von Bradley Nelson, Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme an der ETH Zürich. Im Gegensatz zu ihren in der Natur vorkommenden Vorbildern, die zum Teil Krankheiten auslösen, sollen die ABFs in Zukunft helfen, Krankheiten zu heilen.

Die Realisierung dieser bisher kleinsten künstlichen Bakterien mit starrer Geissel und externem Antrieb war vor allem durch das Material möglich, aus dem die schraubenförmigen ABFs bestehen. Für die Herstellung der ABFs werden verschiedene dünnste Schichten aus den Elementen Indium, Galium, Arsen und Chrom in bestimmter Reihenfolge auf eine Unterlage aufgedampft. Am Schluss werden sie durch Ätzen wieder abgelöst. So entstehen superdünne, schmale, sehr lange Rechtecke. Diese drehen sich, sobald sie losgelöst werden, wegen der ungleichen Molekülgitter der verschiedenen Schichten, selbst in die Spiralform. Je nach aufgebrachter Schichtdicke und Zusammensetzung entsteht eine leicht andere, aber von den Forschern genau definierbare, Spirale. «Wir können nicht nur bestimmen, wie eng die Spirale wird, sondern auch in welche Richtung sie sich drehen soll», sagt Nelson.

Externer Antrieb durch Magnetfeld

Noch vor dem Ablösen des Streifens, der nachher die künstliche Geissel bildet, wird an dessen einem Ende eine Art Kopf für den Mini-Roboter angebracht. Er besteht aus einem Chrom-Nickel-Gold-Film, der ebenfalls aufgedampft wird. Nickel ist, im Gegensatz zu den anderen eingesetzten, nicht magnetischen Materialien, schwach magnetisch. «Dieses magnetische Köpfchen ermöglicht es, das ABF in einem Magnetfeld gezielt zu bewegen», erklärt Nelson. Das spiralförmige ABF schraubt sich durch die Flüssigkeit. Seine Bewegungen können unter dem Mikroskop nachverfolgt und gefilmt werden.

Mit der Software, die die Gruppe entwickelt hat, lässt sich das ABF durch Veränderungen an der Stärke und Richtung des durch mehrere Spulen aufgebauten rotierenden Magnetfeldes, ganz gezielt auf ein Ziel zubewegen. Die ABFs können sich vorwärts und rückwärts, nach oben und unten bewegen. Sie können auch in alle Richtungen rotieren. «Da ist eine Menge Physik und Mathematik hinter der Software», sagt Brad Nelson. Für die Fortbewegung brauchen die ABFs weder eigene Energie noch haben sie bewegliche Teile. Entscheidend ist alleine das Magnetfeld, an dessen Richtung sich das Köpfchen stets anpassen möchte und in dessen Richtung es sich bewegt. Bisher schwimmen ABFs mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 µm pro Sekunde, das heisst bis zu einer Körperlänge pro Sekunde. Nelson erwartet, dass sich die Geschwindigkeit auf über 100 µm pro Sekunde steigern lässt. Zum Vergleich: E.coli schwimmt 30 µm pro Sekunde.

Mögliche Anwendungen in der Medizin

Die ABFs sollen in der Biomedizin eingesetzt werden. Sie könnten zum Beispiel Medikamente an vorher definierte Ziele im Körper bringen, Verkalkungen in den Arterien entfernen, oder Biologen helfen, in Zellen Strukturen zu verändern, die für eine direkte Manipulation durch die Forscher zu klein sind. In ersten Versuchen liessen die ETH-Forscher die ABFs bereits kleine Styroporkügelchen herumtransportieren.

Im Moment betreibt die Gruppe allerdings noch Grundlagenforschung. Bis zu konkreten Anwendungen muss noch weiter geforscht werden. «Für Anwendungen im menschlichen Körper müssen die ABFs zunächst ganz präzise gesteuert, ihr Weg ohne optische Kontrolle verfolgt und die ABFs jederzeit lokalisiert werden können», erklärt Nelson. Wenn die ABFs Medikamente transportieren sollen, müssen sie zuerst auf geeignete Weise damit beladen werden und sie dann vor Ort gezielt wieder abgeben können. Die ABFs selber sollen noch schneller und kleiner werden. Nelson ist begeistert davon, wie genial die Natur die natürlichen Bakterien konstruiert hat. Er freut sich, dass seine Gruppe mit ihren ABFs schon so nahe an das Original herankommt.

Literaturhinweis:

Zhang L, Abbott JJ, Dong L, Kratochvil BE, Bell D and Nelson BJ. Artificial bacterial flagella: Fabrication and magnetic control. Applied Physics Letters 94, 064107, 2009. Doi: 10.1063/1.3079655

 
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