Veröffentlicht: 24.02.09
Nachhaltiges Bauen

Energieeffizienz planen ab der ersten Skizze

Durch eine neue Software können Architekten vom ersten Planungsschritt an die Energiebilanz berechnen. Der Aufwand dazu ist minimal. Mit wenigen Mausklicks kann jede Änderung am Baukörper auf ihre Auswirkung hin untersucht werden.

Alexandra von Ascheraden
Mit dem neuen Planungstool lässt sich die Energieeffizienz eines Gebäudes schon in der Konzeptphase leichter einschätzen.
Mit dem neuen Planungstool lässt sich die Energieeffizienz eines Gebäudes schon in der Konzeptphase leichter einschätzen. (Grossbild)

In den ersten zwanzig Prozent seiner Planungsarbeit trifft der Architekt achtzig Prozent der wichtigsten Entscheidungen. Anfangs geht es ihm um Form und Funktion. Über die Energieeffizienz und den Energiebedarf des Gebäudes macht sich der Planer meist erst sehr spät Gedanken. Oft kommen Mängel erst zu Tage, wenn das Gebäude am Ende der Planungsphase präzise durchgerechnet wird. Steht der Entwurf aber erst einmal, können Anpassungen nur noch mit relativ grossem Aufwand erfolgen.

Komplexität überfordert

Arno Schlüter, Doktorand und Assistent, und Frank Thesseling, Assistent am Lehrstuhl für Gebäudetechnik am Departement Architektur, wollen Architekten nun ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem diese von Anfang an Energiebedarf und Energieverlust des Gebäudes mit wenig Aufwand in ihre Planung integrieren können. Denn die Abhängigkeiten im Gebäude sind kompliziert. «Wenn der Architekt die Fenster vergrössert, die Gebäudeform leicht verändert und womöglich noch einen anderen Wandtyp wählt, kann er nicht mehr im Kopf überschlagen, was das energetisch bedeutet», erläutert Arno Schlüter.

Der Design Performance Viewer (DPV), den Schlüter und Thesseling entwickelt haben, fängt diese Komplexität auf. Er kann die Energiekennzahlen in wenigen Sekunden berechnen und visualisieren. Nach ein paar simplen Mausklicks werden sie als Spinnen- oder Mengenflussdiagramm dargestellt. Die Ergebnisse können intuitiv interpretiert werden und erfordern kein Expertenwissen. Der Architekt sieht sofort, wie sich die Energiekennzahlen ändern, wenn er statt einer Backsteinwand eine gedämmte Holzkonstruktion wählt, die Fensterfläche auf der Sonnenseite vergrössert oder eine Fussbodenheizung statt Radiatoren einplant. Da das Programm direkt in der Planungssoftwareumgebung läuft, müssen Daten für die Berechnung nicht umständlich exportiert werden.

Plakative Darstellung

Die Darstellung ist gewollt plakativ. Schlüter: «Herkömmliche Programme zur Berechnung der Energieeffizienz spucken seitenweise Tabellen voller Zahlen aus, die umständlich analysiert werden müssen. Wir wollen schnelle und leicht lesbare Ergebnisse liefern.» Die Software will keineswegs den Ingenieur ersetzen, der jedes Gebäude nach den fertigen Plänen noch detailliert durchrechnet. Das Ziel sei ein anderes, sagt Schlüter: «Der Architekt kann damit von der ersten Entwurfsphase an das Energieverhalten grob überprüfen und Varianten ausprobieren. Das erspart aufwändige Änderungen in späteren Planungsphasen.» Ziel ist nicht die hochpräzise Berechnung. Dafür gibt es bereits genügend Expertentools. Im Vordergrund steht die schnelle, aber direkt in den Planungsprozess integrierte Analyse.

Der Design Performance Viewer ist ein Baustein im Konzept der viaGialla von Hansjürg Leibundgut, Professor am Institut für Hochbautechnik. Die viaGialla hat zum Ziel, den heutigen CO2-Ausstoss der Schweiz von fünf Tonnen pro Person und Jahr auf eine Tonne zu reduzieren. Möglich wäre das, wenn alle Gebäude ohne CO2-Ausstoss betrieben werden könnten. Das soll durch den Einsatz von Wärmepumpen, Wind- und Sonnenenergie erreicht werden und durch Gebäude, die so geplant sind, dass sie wenig Wärme verlieren. Ziel ist es, nur erneuerbare Energien einzusetzen. Zentral sind für die viaGialla die Begriffe Anergie und Exergie. Anergie meint in diesem Zusammenhang die Wärme aus Boden, Luft oder Wasser, die im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen unbegrenzt zur Verfügung steht. Exergie ist der Teil der Energie, der sich in für den Menschen nützliche Arbeit umsetzen lässt, etwa Strom, der eine Wärmepumpe betreibt.

Mit der neuen Software können Architekten ihre Gebäude von Grund auf so planen, dass sie energie- und vor allem exergieeffizient sind. Dazu brauchen sie keine Spezialisten zu sein. Jede noch so kleine Veränderung in der Planung, sei es in Form, verwendetem Material oder an den technischen Systemen, kann sofort auf ihre Auswirkung auf die Energie- und Exergiebilanz hin betrachtet werden.

Digitale Gebäudemodelle als Basis

Ein Stolperstein liegt der weiträumigen Einführung des Programms noch im Weg: Die Mehrzahl der Schweizer Architekturbüros arbeitet noch mit CAD-Systemen, in denen sie zweidimensionale Pläne erstellen. Für den Design Performance Viewer braucht es mehr. Er basiert auf Gebäudeinformationsmodellen. Das sind digitale Gebäudemodelle, die an die Stelle von zweidimensionalen Zeichnungen treten. In den USA und in Skandinavien ist diese Planungstechnik schon weiter verbreitet. In der Schweiz arbeiten bisher nur wenige grosse Büros damit. Für Thesseling ist das aber kein Grund zur Sorge: «Diese Modelle werden sich durchsetzen, weil man aus ihnen viel mehr ablesen kann als aus einem konventionellen Bauplan.»

Die Planung verläuft damit etwas anders als gewohnt, da anfangs präzisere Angaben nötig sind, die dafür später den Planungsprozess vereinfachen. So genügt beim CAD ein Strich, um eine Wand zu definieren. Beim digitalen Gebäudemodell muss das Objekt von Anfang an als Wand definiert und Material und Dicke bestimmt werden. Zudem muss der Architekt festlegen, wie er das Geschoss darüber weiterführen will. Dank der genaueren Daten kann er dann beispielsweise berechnen, wie hoch der Heizwärmebedarf bei einer bestimmten Aussentemperatur ist oder wie hoch die Gewinne durch die solare Einstrahlung im Raum sind. Ganz davon abgesehen, dass auch der Bauherr als Laie mit einem dreidimensional dargestellten Gebäude eine viel konkretere Vorstellung bekommt als bei einem Bauplan.

Jetzt kommt der Einsatz

Nach dem Prototyp wird derzeit die erste professionelle Version der Software konzipiert und getestet. Vor kurzem erhielten die Entwickler zudem einen Forschungsauftrag vom Bundesamt für Energie. Sie werden das Tool zusammen mit dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) und der EMPA  weiterentwickeln. Bisher basieren die Berechnungen noch auf vereinfachten, den Normen entnommenen Modellen. Das an der EMPA entwickelte Berechnungsmodell soll präzisere physikalische Daten liefern. Der SIA wird für die praktische Erprobung in Architekturbüros sorgen.

Weitere Pläne für die nächsten 18 Monate gibt es auch schon: Ein adaptives Kostenmodell wird integriert. Das sei nötig, so Schlüter, da der Bauherr gewöhnlich zuerst nach den Kosten frage – auch beim energieeffizienten Bauen. Zudem arbeitet die Forschungsgruppe daran, die Informationen noch klarer zu visualisieren. Die marktfähige Version des Programms soll einige hundert Franken kosten.