Veröffentlicht: 28.01.09
Klimawandel

Unwiderruflicher Klimawandel

Hat sich die Klimaänderung erst einmal manifestiert, und sind deren Folgen spür- und sichtbar, gibt es über 1000 Jahre kein Zurück. Ein internationales Wissenschaftlerteam will dies mit einer neuen Studie Gesellschaft, Politik und Wissenschaft in Erinnerung rufen.

Simone Ulmer
Inselgruppen wie die der Seychellen könnten durch den steigenden Meeresspiegel bald von der Weltkarte verschwinden. (Bild: flickr/guebosch)
Inselgruppen wie die der Seychellen könnten durch den steigenden Meeresspiegel bald von der Weltkarte verschwinden. (Bild: flickr/guebosch) (Grossbild)

Die Wissenschaftler zeichnen ein düsteres Szenario: Selbst wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt alle Kohlendioxid-Emissionen, verursacht durch fossile Brennstoffe, ganz gestoppt werden würden, würde die Erwärmung über einen Zeitraum von 1000 Jahre nicht zurückgehen. Diese Erkenntnisse sind zwar nicht neu, aber Reto Knutti, Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich und Mitautor der in den PNAS erschienenen Arbeit, sagt: «Das ist weder der Öffentlichkeit oder Politikern noch vielen Experten bekannt. Wenn man gemäss der UN Framework Convention on Climate Change gefährliche Auswirkungen verhindern will, bedeutet das, dass wir sie voraussagen müssen und nicht abwarten und beobachten können.»

CO2-Verweildauer verhindert Schadensbegrenzung

Den Grund dafür, dass die Schäden über diese lange Zeit irreversibel bleiben werden, sehen die Wissenschaftler darin, dass der Treibhauseffekt von Kohlendioxid (CO2) dominiert wird und CO2 eine sehr lange Verweildauer in der Atmosphäre hat und auf einer Zeitskala von Jahrhunderten nur via Aufnahme durch Ozean und Landbiosphäre aus der Atmosphäre entfernt wird. «Der Fokus lag für uns darin, aufzuzeigen, wie sich die lange Verweildauer von CO2 in der Atmosphäre auswirken wird», erklären Knutti und Gian-Kasper Plattner, Oberassistent am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der ETH Zürich, ebenfalls Mitautor der Studie.

Ozeane konservieren Erwärmung

Mit steigendem CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt die globale Durchschnittstemperatur. Die Modelle der Forscher zeigen, dass wenn von heute auf morgen kein CO2 mehr emittiert werden würde, die Temperaturen sich weiterhin auf dem zu diesem Zeitpunkt erreichten Niveau halten. «Die verbreitete Meinung ist jedoch, dass sobald Massnahmen gegen die Klimaerwärmung ergriffen werden, die Probleme gelöst und die negativen Auswirkungen verschwinden werden. Dem ist eindeutig nicht so», erklären die beiden Forscher. Denn nachdem kein neues CO2 mehr emittiert wird und dieses in der Atmosphäre allmählich abnimmt, kann zwar wieder mehr Wärme von der Erde abgestrahlt werden, ohne vom CO2 zurückreflektiert zu werden. Durch das veränderte Gleichgewicht im System kühlen sich aber die Ozeane, die sich gegenüber der Atmosphäre verzögert aufwärmen, vorerst nicht ab, sondern erwärmen sich nur weniger schnell weiter, sagt Knutti. Dieser Kompensationseffekt bewirke letztendlich, dass es über einen Zeitraum von 1000 Jahren zu keinem merklichen Temperaturrückgang komme.

In ihren Modellierungen berücksichtigten die Forscher nur wissenschaftlich gut verstandene Aspekte. Das Abschmelzen der Eisschilde und Gletscher wird beispielweise beim modellierten Anstieg des Meeresspiegels nicht berücksichtigt, da diese Prozesse mit zu grossen Unsicherheiten behaftet seien. Aber die Ausdehnung des Meerwassers, das sich allein aufgrund des atmosphärischen CO2-Gehalts erwärmt, bringt den Meeresspiegel nach ihren Modellen bei einer CO2-Konzentration von 600 parts per million (ppm) um mindestens 0,4 bis 1,0 Meter zum Steigen. Erreicht die Konzentration 1000 ppm, wird er gar um 0,6 bis 1,9 Meter ansteigen. «Abschmelzende Gletscher könnten den Meeresspiegel um noch weitere 0,2 bis 0,7 Meter, ein Abschmelzen von Grönland und der Antarktis gar um mehrere Meter ansteigen lassen», sagt Knutti.

Saurere Ozeane

Durch das CO2, das langfristig zu 80 Prozent in den Ozeanen gebunden wird, werden die Meere zudem zunehmend saurer (siehe ETH Life-Artikel). Dies hat für dieses Ökosystem weitreichende Folgen. Beispielsweise werden die Lebensräume, in denen es Kalkschalen- und Skelettbildnern noch möglich sein wird Schalen und Skelette zu bilden, massiv eingeschränkt. Diese Organismen stehen häufig am Anfang der Nahrungskette und sind unentbehrlich für ein intaktes Ökosystem. Der Meeresspiegelanstieg wird hingegen die Landkarten verändern: Inseln werden verschwinden und Küstenlinien werden sich neu formen.

Weitere Folgen der Erwärmung sind, dass sich das «normale» Zirkulationsmuster der Niederschläge und Verdunstung, also der Wasserhaushalt rund um den Globus, derart verschieben wird, dass Trockengebiete noch trockener und neue hinzukommen werden. «In den bereits trockenen Regionen der Erde könnte der Regen um bis zu 20 bis 30 Prozent zurückgehen», sagt Plattner. Zum Vergleich: Bei früheren schweren Dürreperioden in Nordamerika, Europa oder Australien war über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren der mittlere Niederschlag um circa 10 Prozent reduziert. Dies trifft die Wasserversorgung und Landwirtschaft und erhöht die Brandgefahr.

Radikale Massnahmen erforderlich

Laut der Empfehlung des im Jahr 2007 veröffentlichten vierten Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sollte der CO2-Gehalt in der Atmosphäre von 450 ppm nicht überschritten werden. Man geht davon aus, dass der Mensch und die Erde sich an die damit einhergehenden Veränderungen anpassen können. Plattner betont aber, dass selbst zur Stabilisierung des CO2 auf 450ppm rasch radikale Massnahmen ergriffen werden müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. «Wir müssten innerhalb weniger Jahrzehnte unser ganzes Energiesystem umgestalten und die fossilen Emissionen mittelfristig auf null bringen, um den CO2-Ausstoss bei 450 ppm stabilisieren zu können.» Dies wird aber nicht einfach zu erreichen sein, da beispielweise zwischen 2000 und 2005 die jährlichen CO2-Emissionen jedes Jahr um drei Prozent angestiegen sind.

Die Studien der Forscher beziehen keine Massnahmen mit ein, mit deren Hilfe beispielsweise mit geotechnischen Verfahren der Atmosphäre CO2 entzogen und in ausgebeutete Salzbergwerke oder Erdölfelder eingelagert wird. Solche Verfahren werden zwar bereits erprobt, ob sie aber im grossen Stil funktionieren und effektiv sind, ist noch wenig erforscht. So ist noch unklar, ob das CO2 nicht wieder entweicht oder durch chemische Reaktionen Schäden im Untergrund anrichtet.

Reto Knutti sagt: «Ökonomische Prinzipien der Diskontierung sagen, dass alle Auswirkungen in der fernen Zukunft, etwa nach 2100, nicht relevant sind (siehe ETH Life-Artikel). Unsere Resultate zeigen nun, dass die negativen Auswirkungen für mindestens 1000 Jahre bleiben werden. Es ist schwer zu rechtfertigen, dass wir durch unser Verhalten den nächsten rund 30 Generationen Schäden zufügen, gegen die sie nichts ausrichten können.»

Literaturhinweis:

Solomon S, Plattner G-K, Knutti R & Friedlingstein P: Irreversible climate change due to carbon dioxide emissions. PNAS-Onlinepublikation: http://www.pnas.org/content/early/2009/01/28/0812721106.full.pdf+html; doi:10.1073/pnas.0812721106