Auf der Spur abwegiger seismischer Wellen
Von Erdbeben erzeugte seismische Wellen durchlaufen die Erde. Veränderungen in ihrer Richtung oder Geschwindigkeit zeigen Änderungen des Materials an, das sie durchlaufen. Was an Zonen, in denen Krustenplatten untereinander abtauchen, genau passiert, konnten nun Geophysiker der ETH Zürich in einem Modell zeigen.
An den grossen Störungszonen die den Pazifik säumen und durchziehen, taucht in der Regel ozeanische Kruste unter die angrenzenden Kontinente oder unter andere ozeanische Kruste ab. Seismische Wellen, die, erzeugt durch Erdbeben, das Erdinnere durchlaufen, geben Aufschluss über die unterirdische Struktur solcher Regionen und verlaufen mit wenigen Ausnahmen nach bestimmten Mustern. Demnach durchlaufen die Wellen einen anisotropen Bereich, in dem sie sich aufspalten und sich senkrecht zueinander in zwei verschiedenen Richtungen und mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortbewegen. Dass sich dabei die schnelleren Wellen parallel zur Störung fortbewegen, wurde als normal bezeichnet. Für die Fälle, an denen sie sich aber senkrecht dazu bewegten, gab es keine eindeutige Erklärung.
Ursache identifiziert
Manuele Faccenda vom Institut für Geophysik der ETH Zürich hat nun in seiner Doktorarbeit die Ursache untersucht, warum sich die schnellere der beiden seismischen Wellen in den bekannten Richtungen fortbewegt. Die Ergebnisse der Studie hat er nun zusammen mit Luigi Burlini und Taras Gerya, Privatdozenten an der ETH Zürich sowie David Mainprice von der Universität Montpellier, heute in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert.
Bis anhin ging man davon aus, dass die Ursache für die Aufspaltung der Wellen - die Anisotropie - im Erdmantel liegt, es gelang aber nicht, dies in Modellen zufriedenstellend abzubilden. Die Wissenschaftler liessen nun deshalb neue Aspekte in ihr Modell einfliessen. Als Basis der Studie dienten bereits erfasste Daten von seismischen Wellen. Hinzu kamen verschiedene Parameter, die die Gegebenheiten in der Störungszone wiedergeben, wie etwa den Eintauchwinkel und das Alter der Platte, deren Dicke sowie die Orientierung der Mineralien, die in diesem Krustenbereich zu erwarten sind. Ausserdem wurde der zu erwartende Wassergehalt der Mineralien berücksichtigt.
Hydratisierte Platten als ausschlaggebender Faktor
Die Forscher konnten in ihrem Modell nun zeigen, dass die Quelle der Anisotropie nicht im Mantel liegt, sondern in der abtauchenden Platte. Die von ihnen entwickelte Computersimulation macht sichtbar, was genau passiert, wenn eine ozeanische Krustenplatte unter eine angrenzende Platte abtaucht. Es zeigt sich, dass sich in ihr je nach Alter, Tiefe, Abtauchwinkel und Druck Risse bilden. Entlang dieser Risse können die Mineralien der ozeanischen Platte bis in 40 Kilometern Tiefe durch eindringendes Wasser hydratisiert werden. Es bilden sich dadurch hoch anisotrope plättchenförmige Mineralien, die sich parallel zu den Rissen anordnen.
Die
seismischen Wellen erreichen, wenn sie diese Plättchen ihrer Länge nach
durchdringen, die höchste Geschwindigkeit. Bei einem bestimmten Eintauchwinkel
der Platte sind die Risse und somit die Plättchen senkrecht zu den Wellen
angeordnet. In diesem Fall verlaufen die schnellen seismischen Wellen parallel
zur Störung. Die Gesamtergebnisse der Studie zeigen, dass die Muster der Orientierung
der seismischen Wellen in Bezug auf die Störungen mit den beobachteten Mustern rund
um den Pazifik gut übereinstimmen. Nur für eine ganz junge Subduktionszone, in der
die Platte noch sehr verbiegbar ist und nur flach abtaucht, und in der deshalb
kaum Brüche und hydratisierte Mineralien vorkommen, konnten die Forscher den bekannten
Verlauf der seismischen Wellen durch ihr Modell nicht abbilden. Dort ist die
Ursache für die Anisotropie wahrscheinlich wirklich im Mantel zu suchen,
erklärt Faccenda.
Literaturhinweis:
Faccenda M, Burlini L, Gerya & Mainprice D: Fault-induced seismic anisotropy by hydration in subduction oceanic plates, Nature 2008, 455, 1097-1100; doi:10.1038/nature07376
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