Kreationismus: Keine Wissenschaft

Aus meiner Sicht hat Prof. Schmid-Hempel vollkommen Recht mit seiner Kritik am Kreationismus, wenn er ihn mit „Unsinn“ bezeichnet. Daniel Dennett, Professor für Philosophie an der Tufts University, hat es noch härter formuliert als er schrieb:

“To put it bluntly but fairly, anyone today who doubts that the variety of life on this planet was produced by a process of evolution is simply ignorant, inexcusably ignorant.” [Darwin’s Dangerous Idea, 1995, s. 46]

Biologie ist Naturwissenschaft und die Evolutionstheorie ist die biologische Erklärung der Entstehung der Vielfalt der Arten auf unserem Planeten. Kreationismus ist keine Wissenschaft, sondern höchstens eine von vielen „Ismen“, die sich zwar wissenschaftlich geben, aber nicht wissenschaftlich sind. Deshalb haben solche Schöpfungshypothesen in einem Schulbuch der Biologie rein gar nichts zu suchen. Kreationismus gehört vielleicht in den Religionsunterricht aber nicht in eine Biologiestunde.

Die Schöpfungshypothesen des „Intelligent Design“ bzw. Kreationismus können aus diversen Gründen nicht den Status einer wissenschaftlichen Theorie beanspruchen. Das ist es, was ihre Befürworter letztendlich zu Pseudowissenschaftlern herabstuft, wenn sie insistieren sie würden mit wissenschaftlichen Methoden argumentieren.

Wie ich zu solchen Behauptungen komme, möchte ich in den folgenden Zeilen darstellen.

1. Fehlende Aussagen Die Schöpfungshypothese ist bestenfalls ein Erklärungsversuch, doch selbst macht sie keine deduktiven, bzw. falsifizierbaren Aussagen wie wir es von echten Theorien erwarten würden. Hier zwei Beispiele: - Sie sagt nichts über das Alter der Erde aus, lässt also die These einer sehr alten, und gleichzeitig die einer sehr jungen Erde zu. - Sie macht keine Aussage über die Artenverwandtschaft unter Lebeweisen. Gemäß der These hätte Gott genauso gut alle Arten völlig unterschiedlich in ihrem Aufbau machen können. sowohl was die sichtbaren Merkmale betrifft als auch auf molekularer Ebene. Warum gibt es dann die verblüffenden Ähnlichkeiten zwischen den Arten? Wie erklärt die Schöpfungshypothese so offensichtliche Verwandtschaft?

Nur wenn durch eine Theorie klare, nachvollziehbare Aussagen gemacht werden, und sie dabei andere logische Beobachtungen ausschließt, ist eine Theorie auch aussagekräftig. Mit anderen Worten, weil die Schöpfungshypothese so breit gefasst wird wie dies die Kreationisten darstellen, widerlegt sie zwar nichts, beweist aber auch nichts.

2. Alter der Erde Die Schöpfungshypothese postuliert ein Alter der Erde von ca. 6-10'000 Jahren. Das tatsächliche Alter der Erde wird von Wissenschaftlern auf 4,54 Milliarden Jahre geschätzt, mit einer Genauigkeit von etwa 1%, Die Schätzung gründet zurzeit auf drei von einander unabhängigen Methoden. Von den Kreationisten werden jedoch diese Bestimmungen lediglich mit einer abweisenden Handbewegung als "fehlerhafte" Messmethoden denunziert. Heute sind rund 30 radiometrische Datierungsmethoden bekannt. Die Wahrscheinlichkeit dass alle die Methoden falsch sind, und dazu noch alle um den gleichen Betrag abweichen, liegt sehr nahe bei Null. Demnach ist die Erde aller Wahrscheinlichkeit nach sehr, sehr alt, und wenn es (wie ich meine) so ist, ist die Schöpfungshypothese bereits in ihren Fundamenten widerlegt.

3. Die Evolutionstheorie beweist nichts Ein wesentlicher Vorwurf lautet immer wieder: "Die Evolutionstheorie beweist nichts…" weil sie falsifizierbar ist. Solche Aussagen zeugen nur von einer grundlegenden Unkenntnis der wissenschaftlichen Methodologie. Denn genau in der Falsifizierbarkeit einer wissenschaftlichen Theorie, die anschließend zu Revisionen oder Modifikationen führt, wo nichts unumstößlich ist und keinerlei Dogmen dem Wandel im Wege stehen oder den Fortschritt bremsen, liegt die Stärke der Naturwissenschaft!

Die Schöpfungshypothese aber, beruht auf der Unfehlbarkeit der heiligen Schrift. Es ist gerade diese Nichtrevidierbarkeit, die im krassen Gegensatz zur wissenschaftlichen Methodologie steht, und die Schöpfungslehre so zur Nichtwissenschaftlichkeit verurteilt. Je offensichtlicher der Kreationismus selbst noch an widerlegbaren und widerlegten Details festhält, je deutlicher es wird, dass sie fast nur auf der Wahrheit von Offenbarungen beruht, desto unwissenschaftlicher wird sie. Der Unfehlbarkeitsanspruch der Bibel ist also keineswegs eine Stärke, sondern entpuppt sich vielmehr als die größte Schwäche der Thesen des "Intelligent Design" und des Kreationismus, zumindest im Bezug auf ihren Wissenschaftlichkeits-Anspruch.

4. Konsistenz mit anderen Theorien Die Aussagen der Evolutionstheorie werden uA. durch die Erkenntnisse der Geologie und Paläontologie gestützt. Umgekehrt stützt die Evolutionstheorie ihrerseits die Theorie die Kontinentaldrifthypothese, der Biogeographie, usw. Die Theorien der Wissenschaft sind also untereinander eng verflochten und von einander stark abhängig.

Der Schöpfungshypothese, hingegen fehlt eine solche Integration völlig. Es ist beispielsweise nicht möglich, anhand von paläontologischen Funden die Schöpfung zu untermauern. Wenn also der Kreationismus Recht bekäme mit der Behauptung die radiometrischen Altersbestimmungen seien falsch, wäre nicht nur die Evolutionstheorie falsch, sondern ebenfalls viele andere Erkenntnisse, wie etwa diejenigen der Geologie, die teilweise auf der Datierung von Gesteinen und Ablagerungen mittels denselben radiologische Messmethoden beruhen. Da diese ebenfalls angezweifelt würden, müssten unweigerlich die chemischen und physikalischen Theorien die der Radiometrie zu Grunde liegen auch falsch sein.

Michael Grevé - 07.09.08

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