Kreationismus: Ab in den Religionsunterricht

Vier Kommentare gibt es bisher, und drei davon sagen im Wesentlichen "die Schöpfungslehre ist mindestens genausogut wie die Evolution, die Evolution ist nicht bewiesen, beides sollte gelehrt werden". *seufz*

Im einzelnen: Herr Höneisen behauptet, von "Unsinn" und "Dummheit" würde man "in der Regel" dort reden, wo Argumente fehlen. Da muss ich ihm widersprechen: *In der Regel* spricht man von Unsinn und Dummheit dort, wo Unsinn und Dummheit herrschen. *Manchmal* wird dies sicher auch als Ausrede gebraucht, um keine Argumente bringen zu müssen. Aber in diesem Fall *gibt* es -zig Argumente für die Evolutionstheorie und gegen ID und Kreationismus (im Internet, z.B. www.talkorigins.org, aber sogar in Schulbüchern) - also ist es an dieser Stelle offensichtlich unsinnig und dumm zu behaupten, die Vorwürfe von Unsinn und Dummheit würden nur erhoben, weil Argumente fehlen.

Und übrigens ist der genannte US-Kollege, wie Prof. Schmid-Hempel betonte, ein Chemiker, nicht ein Biologe - also kann man ihn sehr wohl als "dumm" (im Sinne von unwissend) bezeichnend, wenn es um Biologie geht! Ich selbst bin Physiker - und würde mich selbst sofort als "dumm" bezeichnen, wenn es darum geht, z. B. ein geologisches Fachgespräch zu führen...

Auch Herr Kleih beklagt, dass keine Argumente gegeben würden. Auf die Idee, dass es gar nicht der Sinn dieses Artikels war, Argumente für Evolution und gegen Schöpfungslehre zu bringen, kommt er anscheinend nicht. Und anscheinend sind auch ihm die zahlreichen Quellen für Argumente (s. o.) unbekannt.

Herr Kleih hat teilweise recht: für beide Seiten gibt es jede Menge Argumente. Das Problem ist nur: die Argumente des Kreationismus / ID sind alle schon lange widerlegt - Argumente für die Evolution werden dagegen tagtäglich neue gültige gefunden... Bei der Evolutionstheorie kann keine Rede von "daran glauben" sein - es geht um *wissen*.

Auch Herr Weinhold bemängelt "fehlende Fakten" - und impliziert, dass man an die Evolution "glauben" muss - siehe oben. Dann behauptet er, dass es "bestechende Fakten" nur auf Seite des Kreationismus / ID geben würde - ich frage mich, wie er zu dieser Ansicht kommt? Anscheinend liest er nur die Propaganda des "Discovery Institute" o. ä., hat sich aber nie die Mühe gemacht, sich die zahlreichen Gegenargumente - und die Argumente für die Evolution überhaupt richtig anzuschauen.

Dann kommt der alte Heuler: die Evolutionstheorie "kann nicht bewiesen werden." Mein guter Herr Weinhold: *keine* wissenschaftliche Theorie kann jemals bewiesen werden! Lesen Sie doch mal (z. B. bei Wikipedia) unter "Karl Popper", "Falsifizierbarkeit" u. ä. nach... und wo Sie schon dabei sind, am besten auch gleich unter "Theorie", denn Sie scheinen nicht zu wissen, was das eigentlich in der Wissenschaft bedeutet. Dagegen *kann* ein wissenschaftliche Theorie *belegt* werden - und die Evolutionstheorie gehört zu den am besten belegten Theorien überhaupt.

Eine "Gegenüberstellung" beider Meinungen im Schulunterricht (darum ging es hier ja!) ist deshalb nicht "der richtige Weg", weil ID / Kreationismus im Gegensatz zur Evolution eben keine wissenschaftliche Theorie ist, sondern eine Anhäufung von Behauptungen, die, wie Prof. Schmid-Hempel richtig bemerkte, zum großen Teil schon vor 150 Jahren widerlegt wurden. Noch einmal deutlich: es handelt sich hier nicht um zwei gleichberechtigte "Meinungen", sondern es geht um eine wissenschaftlich sehr gut belegte Theorie auf der einen Seite gegen eine (religiös motivierte) Pseudowissenschaft auf der anderen. Genausogut könnte man fordern, neben Newtons Himmelsmechanik auch die Astrologie zu lehren!

Zudem behauptet Herr Weinhold, dass im Artikel Darwins Evolutionstheorie als "der Weisheit letzter Schluss dargestellt wird". Ich habe mir den Artikel noch einmal angesehen, aber mir ist schleierhaft, wo das stehen soll bzw. impliziert wird. Wie Herr Weinhold richtig bemerkt: sogar "Evolutionisten" sind sich einig, "dass Darwin einige Denkfehler hatte", und Darwins Theorie wurde durch die "Moderne Synthese" überarbeit und erweitert. Und? Es verlangt doch keiner, dass in der Schule Darwins Theorie, wie sie damals war, gelehrt wird - selbstverständlich wird die Moderne Synthese gelehrt! (übrigens ist mir schleierhaft, was Herr Weinholf mit "synthetischer Evolution" meint; es gibt in gewissem Sinne eine "synthetische Evolutionstheorie", eben die Moderne Synthese - aber von "synthetischer Evolution" habe ich noch nie etwas gehört...)

Dass "chemische Evolution" (im Allgemeinen übrigens eher "Abiogenese" genannt - hat Herr Weinhold einen Chick-Tract gelesen?) für Chemiker "untragbar und absolut unwahrscheinlich" ist, ist eine unbewiesene Behauptung. Meines Wissens gibt es -zig hunderte Chemiker, die an einer wissenschaftlichen Untersuchung der Abiogenese arbeiten und diese für absolut wahrscheinlich halten!

Dann kommt noch die Implikation, die Evolution könne zwar "Spezialisierung" erklären, aber keine "Höherentwicklung" (ohne diesen Begriff zu präzisieren...) und anscheinend auch keine Entstehung neuer Arten. Dass gerade die erwähnten Darwin-Finken neue Arten *sind* (und nicht nur "Spezialisierungen") und dass es auch sonst -zig Beispiele für die Entstehung neuer Arten und für vorteilhafte Mutationen gibt, ignoriert Herr Weinhold einfach mal... (Quellen: s. z. B. wieder www.talkorigins.org).

Abschließend beschwert sich Herr Weinhold, dass eine Unterdrückung der Schöpfungslehre "intolerant" wäre. Dabei übersieht er eines: diese Lehre wird gar nicht "unterdrückt" - sie wird nur dahin geschoben, wo sie hingehört: in den Religionsunterricht - nicht in den Biologieunterricht! (Übrigens finde ich es interessant, dass Herr Weinhold sich nicht auch über die intolerante Unterdrückung von Astrologie und Alchemie beschwert...)

Björn Feuerbacher - 04.09.08

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