Veröffentlicht: 12.08.08
Partnerschaft der ETH mit Walt Disney

Mickey Mouse an der ETH

Er war schon immer ein Fan von Mickey Mouse. Jetzt kommt Mickey Mouse zu ihm. Die ETH Zürich geht mit Walt Disney eine Industriepartnerschaft ein. Markus Gross, ETH-Professor für Computational Science und designierter Direktor von Disney Research in Zürich, erklärt, was das bedeutet.

Martina Märki
Neue Animationstechnik für Disney, made by ETH. Kleines Bild: Markus Gross, designierter Direktor Disney Research in Zürich.
Neue Animationstechnik für Disney, made by ETH. Kleines Bild: Markus Gross, designierter Direktor Disney Research in Zürich. (Grossbild)

ETH Life: Herr Gross, eine persönliche Frage: was verbindet Sie mit Disney?

Markus Gross: Oh, ich bin praktisch mit Mickey Mouse gross geworden. Die Comics haben mich begleitet bis in meine Diplomzeiten. Besonders fasziniert hat mich immer der Erfinder Daniel Düsentrieb. Das war meine absolute Lieblingsfigur! Im Grunde hat er mich dazu bewegt, das Ingenieurstudium zu beginnen.

Die ehrwürdige ETH Zürich und Mickey Mouse: auf den ersten Blick ein eher überraschendes Traumpaar. Wie ist diese Partnerschaft zustande gekommen? Wer hat um wen geworben?

Wie bei vielen Begegnungen mit Folgen – im Nachhinein lässt sich das gar nicht mehr so genau auseinanderdividieren. Sicher hat eine Rolle gespielt, dass ich schon seit längerem gute Kontakte zu Mitarbeitern bei Disney hatte. Es gibt dort Forscher und Manager, die ich über lange Jahre kennen und schätzen gelernt habe. Irgendwann lag die Idee dann in der Luft, dass mehr daraus werden könnte. Und glücklicherweise haben die Leitung der ETH und das Departement Informatik das Vorhaben sofort unterstützt.

Immerhin ist die ETH die erste europäische Hochschule, mit der Disney zusammenarbeitet?

Ja, das stimmt. Es gibt keine vergleichbare Zusammenarbeit in dieser Grössenordnung in Europa. Es spricht natürlich für die ETH Zürich und unsere exzellente internationale Position im Bereich Informationstechnologie, dass diese Partnerschaft zustande gekommen ist. Man muss bedenken, dass Disney zwar ein themenzentrierter Unterhaltungskonzern ist, aber dass diese Unterhaltung auf einer sehr hochstehenden technischen Komponente beruht. Die Filmanimationen werden immer anspruchsvoller, die Themenparks immer technologischer, ESPN, also der Sportkanal, wird immer mehr mit Hilfe von Computern präsentiert – kurz, man braucht hochstehende Informationstechnologie in allen Bereichen.

Was macht die ETH so attraktiv für Disney?

Das wichtigste ist wohl der Brainpool, den wir hier bieten können. Die kritische Masse von Talenten und Expertise, die wir an der ETH Zürich haben, nicht nur im Bereich der Computeranimation und des Visual Computing, sondern darüber hinaus auch in anderen Bereichen der Informatik, wie Machine Learning, künstliche Intelligenz, Robotik, ist sehr breit. Die Breite und Tiefe des Wissens, die wir an der ETH Zürich bieten können, ist im internationalen Vergleich auch in der Spitzengruppe der Hochschulen gar nicht so einfach zu finden.

Was kann die ETH gegenüber Konkurrenten aus den USA ins Feld führen?

Ich denke, da sind es neben der fachlichen Exzellenz auch die ausgezeichneten Rahmenbedingungen, die wir bieten können. Die ETH hat beispielsweise eine vergleichsweise grosse Flexibilität bei der Ausgestaltung von Kollaborationen. Zudem ist Zürich für einen Konzern wie Disney, der gerade einen ersten europäischen Forschungsstandort aufbauen möchte, wegen seiner zentralen Lage in Europa attraktiv. In den USA wird Walt Disney übrigens ein weiteres Forschungslabor mit der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh einrichten.

Was macht umgekehrt Disney attraktiv für die ETH?

Disney ist natürlich viel mehr als Mickey Mouse, Disney ist eine Holding von sehr vielen Geschäftsbereichen. Angefangen bei ESPN, dem weltweit grössten Sportkanal, über die Games Studios, Imagineering, Disney Animation and die Live Action Studios usw. haben wir mit Disney ein weltweit einzigartiges Unternehmen, bei dem wir ein ganzes Spektrum von hochinteressanten Problemstellungen für unsere Forschung vorfinden. Es sind die hochwertigen Problemstellungen, die sehr grosses Potenzial für die angewandte Forschung bieten. Das macht Disney für uns extrem attraktiv. Dazu kommt noch der Zugriff auf Datenbestände, die weltweit einzigartig sind. Die Animation Studios verfügen über ein einzigartiges Archiv von Artwork, wie man neudeutsch sagt, von Filmen aus der Vergangenheit, die wir zur Analyse nutzen können. ESPN hat etwa 1,9 Millionen Sportvideos, die archiviert und verarbeiten werden müssen. Solche Datenmengen sind äusserst spannend für IT-technische Fragestellungen.

Ist schon definiert, wo die Schwerpunkte der Forschungszusammenarbeit liegen werden?

In Zürich wird ein Schwerpunkt der Bereich der 3-D-Computeranimation sein. Ein zweiter Schwerpunkt wird im Bereich neuer Technologien für die Filmproduktion liegen. Man verknüpft dabei cinematografische Regeln mit computerbasierter Filmproduktion, um noch bessere Spezialeffekte zu generieren. Ein drittes Thema wird sicherlich auch die computerisierte Bildgenerierung sein, zum Beispiel physikalisch generierte Simulationen. Das sind auch gleichzeitig die Gebiete, auf denen wir im Labor für Visual Computing und Computergrafik eine gewisse Erfahrung und Expertise aufgebaut haben. Längerfristig wird aber auch der Bereich künstliche Intelligenz und Robotik hinzukommen, in dem die ETH ebenfalls viel zu bieten hat.

Und wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Disney und der ETH Zürich konkret aus?

Im Augenblick sind wir gemeinsam mit Disney dabei, geeignete Forscher für Disney Research in Zürich zu rekrutieren. Dabei suchen wir weltweit. Drei Senior Researchers haben wir bereits angeheuert, etwa fünf bis sieben weitere sollen folgen. Parallel dazu definieren wir mit einzelnen Business Units von Disney entsprechende Forschungsprojekte. Wir haben auch bereits 2 ETH-Studierende, die bei Disney Research Forschungsarbeiten schreiben, und wir haben den ersten Doktoranden im Rahmen der Forschungskooperation angestellt. So wird das Labor kontinuierlich ausgebaut. Dabei zahlt Disney sämtliche Anstellungen, während die ETH Zürich das Gebäude CLW direkt neben dem Informatikgebäude zur Verfügung stellt - gegen eine moderate Miete versteht sich. Insgesamt wird Disney Research in Zürich etwa 20 Personen umfassen. Dabei werden 4 Doktorandenstellen je hälftig von Disney und vom Departement Informatik finanziert.

Wie sind denn Fragen des geistigen Eigentums geregelt?

Die ETH hat da ja auch in anderen Kooperationen eine sehr klare und einfache Regelung, die wir auch hier übernehmen werden: Alle intellektuellen Leistungen, die von einer Institution alleine produziert werden, gehören der jeweiligen Institution. Bei gemeinsamen Leistungen liegt das geistige Eigentum gemeinsam bei Disney und der ETH Zürich.

Werden wir also zukünftig im Abspann von „Pirates of the Carribbean IV“ lesen: Special effects by Walt Disney and ETH Zürich?

Wer weiss? Prinzipiell wären solche Dinge längerfristig durchaus denkbar. Eines der Ziele von Disney Research in Zürich ist es ja, Resultate aus der Forschung so praxisreif umzusetzen, dass sie in Disneyproduktionen einfliessen können.

Industriepartnerschaft ETH Zürich und Walt Disney

Die ETH Zürich geht mit Walt Disney eine Industriepartnerschaft über mindestens fünf Jahre ein. „Disney Research" in Zürich, wie das neue Labor heissen wird, wird im Herbst seinen Betrieb aufnehmen. Im neu eingerichteten Labor in Räumen der ETH Zürich werden mittelfristig bis zu 20 Forschende arbeiten. Designierter Direktor ist Markus Gross, ETH-Professor vom Departement Informatik.
Um die nächste Generation von Technologien zu entwickeln, brauche es die Zusammenarbeit mit führenden Universitäten, begründet Ed Catmull, Präsident der zum Walt-Disney-Konzern gehörenden Pixar Animation Studios, die Kooperation. Als einziger Standort in Europa ausgewählt zu werden zeige, „dass die ETH Zürich international ein hohes Ansehen geniesst für die Qualität ihrer Forschung, im konkreten Fall in Informationstechnologie und Visual Computing“, so Peter Chen, Vizepräsiden für Forschung der ETH Zürich.