Veröffentlicht: 19.06.08
Soziale Netzwerke

Podcasts im Vorbeigehen

Die letzte Folge von Giacobbo/Müller verpasst und gerade kein Internet in der Nähe, um sich den neuesten Podcast herunterzuladen? Dank eines adhoc PodNet, das von Forschenden der ETH Zürich entwickelt wird, könnte sich dieses Problem vielleicht bald „im Vorbeigehen“ erledigen.

Nicole Kasielke
Auf einem WLAN-fähigen Handy lässt sich PodNet einfach installieren.
Auf einem WLAN-fähigen Handy lässt sich PodNet einfach installieren. (Grossbild)

Dr. Martin May, Dr. Vincent Lenders und Dr. Franck Legendre vom Institut für Technische Informatik und Kommunikationsnetze (TIK) arbeiten an einem PodNet, das Handybesitzern via WLAN als Tauschplattform für Podcasts dienen soll. Die Idee hinter dieser Plattform: Mitglieder können sich Programme auswählen, die sie interessieren und deren neueste Podcasts sie gerne auf ihrem Handy hätten. Das können die BBC News oder die SF Nachrichten sein aber vielleicht auch die aktuellen Abschieds- und Antrittsvorlesungen der ETH Zürich. Das eigene Handy sucht dann periodisch in der Umgebung nach jemandem, der den gewünschten Podcast bereits auf seinem Handy hat und lädt ihn automatisch über WLAN aufs eigene Handy.

Eigener Programmchef sein

Mit einem internetfähigen Handy können solche öffentlichen Podcasts natürlich heute schon jederzeit heruntergeladen werden ­– auch ohne PodNet. Die Einsatzmöglichkeiten des PodNet sind aber vielfältiger, und sie sind vor allem auf die Bedürfnisse der Web 2.0 Generation ausgerichtet. Plattformen, auf denen nur Fremdproduziertes getauscht wird, sind heutzutage out. Formate wie Facebook oder Youtube, bei denen eigene Beiträge eingestellt werden können, erfreuen sich dagegen grösster Beliebtheit. Diese Möglichkeit würde auch das PodNet bieten. User können auf ihrem Handy ein eigenes Verzeichnis anlegen und dort selbstgemachte Beiträge anbieten. Theoretisch wäre es so denkbar eine eigene „Sendestation“ aufzuziehen. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten bergen natürlich auch rechtliche Schwierigkeiten. „Momentan ist unser Projekt im Prototypstatus, es gibt viele Aspekte, sowohl technische aber auch rechtliche, die noch genauer abgeklärt werden müssen“, betont May. Niemand möchte zum Beispiel, dass über PodNet Spam verbreitet wird. Trotz solcher Bedenken, der Bedarf für eine Plattform wie PodNet wäre vorhanden, da ist sich May sicher. „Auch grosse Telekommunikationsfirmen sind an Systemen dieser Art interessiert, zum Beispiel, um Kunden die Möglichkeit zu geben Facebook-Daten auszutauschen“, weiss Lenders.

Stabilitätstest während der EURO 08

Ein Grossereignis wie die EURO 08, an der es viele Gelegenheiten gibt interessante Filme mit dem Handy zu drehen, bietet sich natürlich als Zeitpunkt für einen Test an. Während der Dauer der Euro 08 erproben Mitglieder des Institutes deshalb die Stabilität der Software. Falls dieser Langzeittest gelingt, planen die Forscher das PodNet bald auf die gesamte ETH Zürich auszuweiten. Teilnehmen können dann alle, die ein modernes WLAN-fähiges Handy besitzen. User des PodNet müssten sich bereit erklären, Podcasts, die sie von anderen Teilnehmern runterladen, auch wieder zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollen reine „Sammler“ verhindert werden. Zusätzlich zu dem Tausch von Handy zu Handy ist geplant an der ETH stationäre Gateways einzurichten, die Daten von Handys einsammeln und weitergeben. Bevor es allerdings zu dieser geplanten Ausweitung kommt werden noch einige Details des Systems verbessert. Die Oberfläche zum Beispiel müsse noch benutzerfreundlicher gestaltet werden, erklärt Legendre.

Einsichten in soziale Netzwerke

Das eigentliche Ziel für die ETH Forschungsgruppe liegt beim PodNet Projekt nicht auf der Entwicklung und technischen Umsetzung der Software. Vielmehr sind die Forscher an den Einsichten in das soziale Netzwerk, das sich durch eine Plattform wie PodNet ergeben würde, interessiert. Bisher gibt es nur Untersuchungen an Kommunikationsnetzen von rund 100 Personen, die vor ein paar Jahren am MIT gemacht wurden. Bei einer Ausweitung auf die ETH Zürich wäre es möglich, bis zu 1000 Teilnehmer zu gewinnen, betont Legendre. Erstmals wären dann Aussagen darüber möglich wie Handys „sich bewegen“. Der Fokus der Züricher Forscher liegt dabei auf den Kontakten zwischen den Handys. Über den Austausch von Inhalten könnten sie Rückschlüsse ziehen, wie häufig sich einzelne Handys treffen, für wie lange und vor allem wie viel Zeit zwischen den Treffen liegt. Diese Informationen würden über die stationären Gateways gesammelt. Dabei sei wichtig zu wissen, dass die Kontakte nicht personalisiert sind, die Forscher haben also keine Einsicht in die Identitäten der Personen. „Uns geht es nicht darum die Aufenthaltsorte einzelner Personen zu verfolgen, sondern Informationen über die Kommunikationsnetze als Ganzes zu erhalten“, betont Legendre. Die Ergebnisse dieser geplanten Studie sollen helfen, Algorithmen an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und so die Funktionalität von Kommunikationsnetzen zu verbessern. Die drei Forscher sind sich einig, dass PodNet nicht nur eine Plattform oder eine Applikation sein wird. „PodNet stellt eine neue Forschungsrichtung dar, die viele Forschungsbereiche zusammenführt. Um die Struktur der sozialen Netzwerke zu analysieren verwenden wir zum Beispiel Modelle aus dem Bereich der Komplexen Netzwerke oder Graphentheorie“, erklärt May.