Veröffentlicht: 02.08.07
Solarsegel

Mit der Sonne segeln

Mit dem Solarsegelflugzeug „Sky Sailor“ versuchten ETH-Ingenieure einen neuen Rekord im Nonstopflug aufzustellen. Wind und Wolken machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Dennoch war der Versuch wertvoll.

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Der Sky Sailor braucht Schub um abzuheben. (Bild: Alain Herzog)
Der Sky Sailor braucht Schub um abzuheben. (Bild: Alain Herzog) (Grossbild)

Mit dem Solarsegelflugzeug „Sky Sailor“ war an jenem Mittwochmorgen Ende Juli etwas Grosses geplant: ein Weltrekord für Solarflugzeuge. Vom Modellflugplatz Müswangen (LU) wurde das unbemannte Segelflugzeug um 11 Uhr auf die Reise geschickt. Ziel war es, dass das Flugzeug 24 Stunden in der Luft bleibt und nur von Solarenergie betrieben wird. Doch es kam anders. Nach dem Eindunkeln musste das Flugzeug wieder landen. Der Traum vom Weltrekord war geplatzt.

Wetter nicht günstig

„Wir hatten während des Tages zu viele Wolken und zu viel Wind“, bilanziert kurz und bündig Projektleiter André Noth vom Laboratorium für Autonome Systeme der ETH Zürich. Die Wolken verhinderten, dass sich der Akku, gespiesen von überschüssiger Solarenergie, vollständig aufladen konnte. Dies wäre nötig gewesen, um damit den Motor des Flugzeugs während der dunklen Nachtstunden zu treiben. Zudem drückte der Wind das Flugzeug im Lauf des Tages immer wieder unter die programmierte Flughöhe. Das Aufsteigen auf eine Höhe von 200 und 300 Meter über Boden brauchte ebenfalls zu viel kostbare Energie.

Dennoch ist Noth zufrieden, die gewonnen Erkenntnisse seien wertvoll für das weitere Vorgehen. Das Flugzeug habe sich 10 Stunden in der Luft halten können und habe dabei eine Strecke von 330 Kilometern zurückgelegt. Das Prinzip hat sich bewährt.

Für Marserkundung gedacht

„Sky Sailor“ wurde vor drei Jahren ambitiös lanciert. Die ESA gab nämlich 2004 der ETH Lausanne eine Machbarkeitsstudie in Auftrag um abzuklären, ob sich unbemannte Solarflugzeuge für Erkundungsflüge über dem Mars eignen würden. Im Gegensatz zur NASA setzte die ESA auf kleine, leichte Flugzeuge, die dank Solarenergie fast endlos in der Luft bleiben können. Die NASA erforschte hingegen Segler, die bestenfalls 10 Stunden am Stück fliegen, dafür aber grössere Lasten tragen.

Obwohl die Lausanner Forscher die Machbarkeit aufgezeigt hatten, verzichtete die ESA wegen Geldmangels auf das Projekt. Die beteiligten Wissenschaftler, darunter André Noth, heute am Laboratorium für Autonome Systeme von Professor Roland Siegwart an der ETH Zürich tätig, beschlossen, in einem Zweierteam weiterzuarbeiten. Noth investierte viel Zeit, um mit mathematischen Modellen verschiedene Varianten durchzuspielen, bis er den idealen Flugzeugtyp gefunden hatte. Für die Umsetzung zog der Westschweizer den pensionierten Modellflugbauer Walter Engel aus Einsiedeln hinzu, der grosse Erfahrung im Bau von Ultraleicht-Segelflugzeugen hatte. Das Resultat der Zusammenarbeit von Theorie und Praxis ist dieser Prototyp des „Sky Sailor“.

Nur teuerste Solarzellen gut genug

Das Leichtgewicht wiegt nur 2,5 Kilo und besitzt eine Spannweite von 3,2 Meter. 216 Silicium-Solarzellen auf der Flügeloberseite bedecken eine Fläche von einem halben Quadratmeter. Die Solarzellen müssen, um sich optimal der Flügelform anzupassen, biegsam sein und dennoch einen hohen Wirkungsgrad aufweisen. Die Wahl fiel deshalb auf jene Solarzellen, die mit 20'000 Franken pro Quadratmetern zu den teuersten gehören. Sie liefern eine maximale Leistung von 90 Watt. Fliegt das Flugzeug geradeaus, verbraucht es 16 Watt. Die Solarzellen speisen den Motor, die Bordelektronik sowie die Batterie, die mit 1,2 Kilo beinahe halb so schwer wie das Flugzeug ist. Die Batterie ist für die Stromversorgung des Motors und der Bordelektronik während der Nacht zuständig. Trotz Einsatz von Lithium-Polymer-Akkus ist diese ein limitierender Faktor, weil sie noch nicht genug leicht und leistungsfähig ist.

Im Flugzeug eingebaut ist ein Autopilot, der einer programmierten Flugbahn entlang fliegt. Bordsensoren überwachen Geschwindigkeit, Höhe und Flugwinkel. Ein GPS hält die genaue Position von "Sky Sailor" fest. Zur elektronischen Ausstattung gehört ein Kommunikationsgerät, um Daten an den Boden zu senden respektive von dort zu empfangen. Um das Solarflugzeug sicher zu landen, kann das Bodenpersonal eine Fernsteuerung zuschalten.

Warten auf optimale Bedingungen

Mit dem "Sky Sailor"-Prototyp hat Noth drei 24-Stundenflüge versucht, geglückt ist bisher keiner. Messungen aber bestätigen, dass ein Nonstopflug möglich wäre. Noth weiss: "Um den Weltrekord zu brechen sind optimale Bedingungen nötig." Dazu braucht es wolkenloses, windstilles Wetter und eine kurze Nacht zur Zeit der Sommersonnenwende zwischen Ende Mai und Ende Juli. Frühestens im kommenden Jahr wird er einen weiteren Versuch starten.

Eine Marsmission ist für Noth im Moment kein Thema. "Sky Sailor" könne auch auf der Erde gebraucht werden. Der Forscher denkt dabei an einen fliegenden Brandmelder, der über Waldbrand gefährdeten Gebieten kreist und mittels eines Infrarotsensors feststellen kann, wo ein Brand entsteht. Das Flugzeug könnte alle nötigen Daten direkt an die Feuerwehr übermitteln. „Das würde wertvolle Zeit und Geld sparen.“ Grössere Solarsegler, die Lasten tragen, könnten als fliegende Mobilfunkantennen verwendet werden. „Das Interesse für fliegende Applikationen ist gross“, ist sich der Ingenieur sicher.