Vom Badezimmer zum Hightech-Labor
Renato Zenobi erforschte einst in einem unbenutzten Badezimmer, wie Grossmutters Silberlöffel aufgelöst werden kann. Heute betreibt er als Professor der ETH Detektivarbeit mit modernsten Mitteln der analytischen Chemie.
Was halten Sie für
die grösste Errungenschaft oder wichtigste Entdeckung der Chemie?
Das ist schwierig zu sagen, vielleicht die Klassifizierung
der Stoffe im Periodensystem der chemischen Elemente. Auf meinem eigenen Gebiet
sind es die Entdeckung und Entwicklung von Methoden, um grosse und komplexe Biomoleküle
im Detail zu studieren, mit der Massenspektrometrie, der Röntgenstrukturanalyse,
der Kernresonanzspektroskopie, und der optischen Spektroskopie.
Womit befassen Sie
sich in ihrer Forschung und was wird davon im Alltag spürbar oder nutzbar?
Mit der Entwicklung von modernen analytischen Methoden,
insbesondere der Massenspektroskopie und der Analytik auf der Nanometer-Skala. Unsere
Entwicklungen machen es möglich, Nanopartikel und Nanostrukturen – die heute in
aller Munde sind – nicht nur abzubilden, sondern auch chemisch zu
identifizieren. In der Massenspektrometrie entwickeln wir neue Wege, um
komplizierte Probenvorbereitungen für die chemische Analyse zu umgehen. Das
führt unter anderem zu bedeutend einfacherer Diagnostik für medizinische
Zwecke, zum Beispiel durch die Analyse von Atemluft anstelle von Blut- oder
Urinproben.
Was hat Sie an
Chemie fasziniert?
Ich hatte als Teenager ein eigenes chemisches Labor, in
einem unbenutzten Badezimmer! Dort konnte ich vieles ausprobieren, von
Farbreaktionen über das Auflösen von Grossmutters Silberlöffel in Säure bis zur
Herstellung von Sprengstoff. Alles war sehr spannend und wohl auch etwas
mystisch und magisch. Der Chemieunterricht im Gymnasium war hingegen eher
trocken. Dennoch habe ich mich für ein naturwissenschaftliches Studium mit
Schwerpunkt Chemie entschlossen, obwohl ich zeitweise auch eine Karriere als
Musiker ernsthaft in Betracht zog. Heute ist mein «Brotberuf» Chemiker.
Musikalisch bin ich immer noch sehr aktiv, auf einem für einen Hobbymusiker
guten Niveau. Diese Kombination funktioniert, das Umgekehrte wäre wohl etwas
schwierig. Forschung in der Chemie ist eine sehr kreative Tätigkeit und hat
meiner Meinung nach auch künstlerische Aspekte. Mein Spezialgebiet, die
Analytik, beinhaltet zusätzlich die Idee der chemischen Detektivarbeit. Auch
das ist höchst spannend.
Welche
Forschungsgebiete der Chemie werden in Zukunft besonders wichtig und weshalb?
Die Chemie wird wesentliche Beiträge zum Energieproblem, zur nachhaltigen
Entwicklung, zur «personalisierten Medizin» und zur Umweltproblematik liefern.
Dies sind grosse und wichtige Probleme, die die ganze Gesellschaft betreffen.
Welchen Begriff
aus der Chemie sollten am Ende des Internationalen Jahrs der Chemie alle kennen
und warum?
Vielleicht weniger ein Begriff als ein Konzept: Nämlich, dass fast überall
«Chemie drin steckt», in der Form von Stoffen, die uns schützen oder sogar
heilen, wenn wir krank sind, die den Ertrag der Landwirtschaft erhöhen, unsere
Nahrungsmittel vor dem Verderben schützen, aber auch als moderne «Hightech»-Materialien
oder Hilfsstoffe für das Bauwesen sowie grossindustrielle Produktion aller
erdenklicher Güter. Mit anderen Worten, Chemie ist nicht eine Gefahr für uns im
Gegenteil: Sie ermöglicht uns erst unseren hohen Lebensstandard und hilft ganz
wesentlich, effizient und nachhaltig zu produzieren und auf diese Art die
Umwelt zu schützen.
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