Veröffentlicht: 29.03.11
Science

Vom Badezimmer zum Hightech-Labor

Renato Zenobi erforschte einst in einem unbenutzten Badezimmer, wie Grossmutters Silberlöffel aufgelöst werden kann. Heute betreibt er als Professor der ETH Detektivarbeit mit modernsten Mitteln der analytischen Chemie.

Interview: Peter Rüegg
Renato Zenobi, Professor für Organische Chemie. (Bild: ETH Zürich)
Renato Zenobi, Professor für Organische Chemie. (Bild: ETH Zürich)

Was halten Sie für die grösste Errungenschaft oder wichtigste Entdeckung der Chemie?
Das ist schwierig zu sagen, vielleicht die Klassifizierung der Stoffe im Periodensystem der chemischen Elemente. Auf meinem eigenen Gebiet sind es die Entdeckung und Entwicklung von Methoden, um grosse und komplexe Biomoleküle im Detail zu studieren, mit der Massenspektrometrie, der Röntgenstrukturanalyse, der Kernresonanzspektroskopie, und der optischen Spektroskopie.

Womit befassen Sie sich in ihrer Forschung und was wird davon im Alltag spürbar oder nutzbar?
Mit der Entwicklung von modernen analytischen Methoden, insbesondere der Massenspektroskopie und der Analytik auf der Nanometer-Skala. Unsere Entwicklungen machen es möglich, Nanopartikel und Nanostrukturen – die heute in aller Munde sind – nicht nur abzubilden, sondern auch chemisch zu identifizieren. In der Massenspektrometrie entwickeln wir neue Wege, um komplizierte Probenvorbereitungen für die chemische Analyse zu umgehen. Das führt unter anderem zu bedeutend einfacherer Diagnostik für medizinische Zwecke, zum Beispiel durch die Analyse von Atemluft anstelle von Blut- oder Urinproben.

Was hat Sie an Chemie fasziniert?
Ich hatte als Teenager ein eigenes chemisches Labor, in einem unbenutzten Badezimmer! Dort konnte ich vieles ausprobieren, von Farbreaktionen über das Auflösen von Grossmutters Silberlöffel in Säure bis zur Herstellung von Sprengstoff. Alles war sehr spannend und wohl auch etwas mystisch und magisch. Der Chemieunterricht im Gymnasium war hingegen eher trocken. Dennoch habe ich mich für ein naturwissenschaftliches Studium mit Schwerpunkt Chemie entschlossen, obwohl ich zeitweise auch eine Karriere als Musiker ernsthaft in Betracht zog. Heute ist mein «Brotberuf» Chemiker. Musikalisch bin ich immer noch sehr aktiv, auf einem für einen Hobbymusiker guten Niveau. Diese Kombination funktioniert, das Umgekehrte wäre wohl etwas schwierig. Forschung in der Chemie ist eine sehr kreative Tätigkeit und hat meiner Meinung nach auch künstlerische Aspekte. Mein Spezialgebiet, die Analytik, beinhaltet zusätzlich die Idee der chemischen Detektivarbeit. Auch das ist höchst spannend.

Welche Forschungsgebiete der Chemie werden in Zukunft besonders wichtig und weshalb?
Die Chemie wird wesentliche Beiträge zum Energieproblem, zur nachhaltigen Entwicklung, zur «personalisierten Medizin» und zur Umweltproblematik liefern. Dies sind grosse und wichtige Probleme, die die ganze Gesellschaft betreffen.

Welchen Begriff aus der Chemie sollten am Ende des Internationalen Jahrs der Chemie alle kennen und warum?
Vielleicht weniger ein Begriff als ein Konzept: Nämlich, dass fast überall «Chemie drin steckt», in der Form von Stoffen, die uns schützen oder sogar heilen, wenn wir krank sind, die den Ertrag der Landwirtschaft erhöhen, unsere Nahrungsmittel vor dem Verderben schützen, aber auch als moderne «Hightech»-Materialien oder Hilfsstoffe für das Bauwesen sowie grossindustrielle Produktion aller erdenklicher Güter. Mit anderen Worten, Chemie ist nicht eine Gefahr für uns im Gegenteil: Sie ermöglicht uns erst unseren hohen Lebensstandard und hilft ganz wesentlich, effizient und nachhaltig zu produzieren und auf diese Art die Umwelt zu schützen.

 
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