Veröffentlicht: 19.08.13
Science

Permafrost setzt Kohlenstoff frei

Anhand von Indikatormolekülen weist ein Forschungsteam unter ETH-Federführung nach, dass der im arktischen Permafrostboden gespeicherte Kohlenstoff durch den Klimawandel mobilisiert wird.

Peter Rüegg
Flüsse der eurasischen Arktis transportieren Kohlenstoff in das Nordmeer. Neue Analysen zeigen, dass dieser vermehrt aus dem Permafrost gelöst wird. (Bild: Jorien Vonk)
Flüsse der eurasischen Arktis transportieren Kohlenstoff in das Nordmeer. Neue Analysen zeigen, dass dieser vermehrt aus dem Permafrost gelöst wird. (Bild: Jorien Vonk) (Grossbild)

Arktische Permafrostböden speichern riesige Mengen an Kohlenstoff in Form von abgestorbenen, aber nicht abgebauten Pflanzenresten. In diesen dauerhaft gefrorenen Böden der Arktis lagert rund die Hälfte des weltweit im Erdreich gebundenen Kohlenstoffs. Durch die Klimaerwärmung tauen die Permafrostböden jedoch in immer grössere Tiefen auf, was den darin gespeicherten Kohlenstoff mobilisieren dürfte. Ebenso verändert haben sich die Wasserabflussmengen von Flüssen wie dem Jenissei und dem Ob in Sibiren oder dem Kalixälven in Nordschweden, welche riesige Landflächen entwässern. Diese Ströme führen mehr Wasser in die Meere ab als noch vor wenigen Jahrzehnten, unter anderem aufgrund eines sich verändernden Niederschlagsregimes. Damit verfrachten sie aus ihren Einzugsgebieten auch den Kohlenstoff meerwärts. Die Hauptsorge der Wissenschaft dabei ist: Durch die Tätigkeit von Mikroben oder anderen Lebewesen, die von toter organischer Materie leben und CO2 ausatmen, könnte der seit Jahrtausenden eingelagerte Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre gelangen – und zwar in grossem Stil.

Mit C14-Methode das Alter von Tracer-Molekülen bestimmt

Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich und der Universität Stockholm wollten deshalb herausfinden, ob «alter» Kohlenstoff aus Permafrostgebieten des arktischen Eurasiens mobilisiert wird, und ob grosse Flüsse zwischen Nordschweden und Ostsibirien diesen aus ihren Einzugsgebieten ins Meer verfrachten. Die Wissenschaftler entnahmen nahe den Mündungen dieser Flüsse Sedimentproben und isolierten daraus drei verschiedene Kohlenstoffverbindungen, deren Quellen sich eindeutig bestimmen lassen. Diese so genannten Tracer-Verbindungen sind organische Moleküle, Abbauprodukte von Lignin, einem Biopolymer, das die Zellwände von höheren Pflanzen verstärkt, von Pflanzenwachsen, welche die Blattoberseite schützen, und einer Gruppe von chemischen Verbindungen, welche in Moosen häufig vorkommen. Von all den Molekülen konnten die Forschenden das Alter mittels der Radiocarbonmethode (C14-Analyse) bestimmen.

Erster konkreter Hinweis auf Mobilisation

Anhand dieser Altersdiagnose konnte das Forschungsteam um Timothy Eglinton, Professor für Biogeowissenschaften am Departement Erdwissenschaften, zum ersten Mal einschätzen, wie viel Kohlenstoff Permafrostböden zum Gesamtkohlenstoff in Flüssen beitragen. Weiter konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Permafrostboden, in welchem die gefrorenen Bereiche lückig verteilt sind, mehr alten Kohlenstoff freigibt als solcher, bei dem der Permafrost lückenlos ist. Dies deckte sich mit den unterschiedlichen Permafrostprofilen, die Eurasien von West nach Ost ausweist. «Im fernöstlichen Sibirien stammt der mobilisierte Kohlenstoff mehrheitlich von oberflächennahen Schichten», sagt Eglinton. Im europäischen Teil Eurasiens und Westsibiriens hingegen kann Wasser zwischen den gefrorenen Permafrostbereichen besser in den Boden eindringen, den seit Jahrtausenden gespeicherten Kohlenstoff auslösen und zum Meer verfrachten.

Mit der C14-Alterbestimmung konnten die Erdwissenschaftler bei den untersuchten organischen Verbindungen Altersunterschiede von bis zu 13‘000 Jahren messen. «Die Altersdifferenz zwischen den verschiedenen Kohlenstoffquellen sind in der Arktis aufgrund der Freisetzung von altem Permafrost-Kohlenstoff besonders stark», sagt Xiaojuan Feng, Postdoc bei Eglinton und Erstautorin der Studie, die eben in PNAS publiziert wurde. Daraus schliessen die Forscher, dass Lignin eine oberflächliche Kohlenstoffquelle darstellt und Pflanzenwachse aus dem Permafrost stammen.

Jahrtausende alter Kohlenstoff wird freigesetzt

Anhand der gut dokumentierten Veränderungen der Stromabflussmengen der Flüsse und der Verknüpfung des Radiokarbonalters von Lignin-Tracer-Molekülen mit dem Oberflächenwasserabfluss in den Einzugsgebieten berechneten die Forscher, dass der Anteil des Kohlenstoffs aus dem Permafrost in den vergangenen 20 Jahren um fünf Prozent zugenommen hat. «Obwohl dieser Effekt durch sich verändernde Beiträge von anderen Kohlenstoffquellen verschleiert wurde, scheint die Mobilisation des Kohlenstoffs aus den einstmals tiefgefrorenen Böden voll im Gang zu sein», sagt Eglinton. Noch sei der Anteil des alten Kohlenstoffs eher bescheiden. Ob er sich künftig verändere, sei noch unklar. «Dennoch tragen unsere neuen Erkenntnisse viel dazu bei, dass wir die Verbindungen zwischen einem sich erwärmenden Klima und dem Verhalten von verschiedenen Kohlenstoffquellen in der Arktis nun besser verstehen und einschätzen können», betont Eglinton. Es werde nun interessant, die molekülspezifischen C14-Analysen auf weitere Sedimentarchive auszuweiten, um die Beziehung zwischen der Freisetzung von Kohlenstoff aus arktischen Permafrostböden und des Klimas der Vergangenheit zu untersuchen.

Literaturhinweis

Feng X, Vonk JE, van Dongen BE, Gustafsson Ö, Semiletov IP, Dudarev OV, Wang Z, Montluçon DB, Wacker L & Eglinton TI. Differential mobilization of terrestrial carbon pools in Eurasian Arctic river basins. PNAS Early Edition, published online 12 August 2013. DOI: 10.1073/pnas.1307031110

 
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