Veröffentlicht: 04.07.13
Science

«Biete nur Leistungen innerhalb deiner Fachkompetenz an»

Baumängel verschlingen jedes Jahr in der Schweiz Millionen von Franken. ETH-Forscher publizieren nun ein Handbuch, mit praktischen Ratschlägen, wie solche Mängel vermieden werden könnten.

Interview: Franziska Schmid
ETH-Professor Sacha Menz hat ein Handbuch über Baumängel verfasst, das sich mit konkreten Empfehlungen an Ausführende und Entscheidungsträger richtet. (Bilder: ETH Zürich)
ETH-Professor Sacha Menz hat ein Handbuch über Baumängel verfasst, das sich mit konkreten Empfehlungen an Ausführende und Entscheidungsträger richtet. (Bilder: ETH Zürich) (Grossbild)

Im Durchschnitt weist jedes Bauwerk 15 wesentliche Mängel auf. Sacha Menz, Professor für Architektur und Bauprozess, hat zusammen mit Oliver Kriebus in den letzten drei Jahren 1000 Neubau-Projekte untersucht. Nächste Woche erscheint nun das Handbuch «Mängel im Hochbau». Darin quantifizieren und kategorisieren die beiden Autoren die häufigsten Mängel und zeigen auf, wo diese entstehen. Zudem haben sie mit allen beteiligten Parteien intensive Gespräche geführt und wissen deshalb, wo Handlungsbedarf besteht. Im Handbuch geben die Autoren deshalb auch Auftraggebern, Planern, Bauleitern und Unternehmern handfeste Ratschläge. ETH Life spricht mit Sacha Menz über ein Thema, das fast alle Mieter, Immobilienbesitzer und Bauherren aus persönlicher Erfahrung kennen.

ETH Life: Für 2010 beziffern Sie die Kosten, die allein im Wohnungsbau durch Mängel entstehen, auf rund 1,6 Mia. Schweizer Franken. Wird am Bau zu viel gepfuscht?
Sacha Menz: Nein, es geht nicht um Pfusch, sondern um mangelnde Ausbildung und fehlende Kompetenzen. Die einzelnen Bauteile wurden immer komplexer. Materialfehler sind praktisch unerheblich, weil die Industrie in der Regel gute Produkte auf den Markt bringt. Die Probleme entstehen aber oft dort, wo zwei Teile miteinander verbunden werden.

Oft wird der ausführende Handwerker für Baumängel verantwortlich gemacht – stimmt diese Einschätzung?
Nein, das darf man nicht so stehen lassen. Unsere Untersuchung zeigt deutlich, dass alle am Bau Beteiligten für Mängel verantwortlich sind. Bisher hat man bei Analysen den Bauherrn immer ausgeklammert. Heute wissen wir, dass auch er verantwortlich ist, wenn Baumängel entstehen. Der Bauherr muss Schwerpunkte setzen: Will er seriös umgesetztes Handwerk haben, braucht es eine längere Vorlaufzeit in der Planung oder weniger Zeitdruck in der Bauphase.

Wo entstehen die meisten Mängel und warum?
Zwei Drittel der Mängel haben mit Feuchtigkeit zu tun. Der Knackpunkt beim Bauen ist demnach meistens die Hülle. Diese hat sich – nicht zuletzt aufgrund der Anforderung an den Energieverbrauch – enorm entwickelt. Dabei ist sie komplexer geworden, was natürlich das Risiko für Fehler erhöht.

Hat Sie etwas bei Ihrer Untersuchung überrascht?
Wirklich überrascht war ich von der mangelnden Qualität der Ausschreibungen. Oft ist gar nicht mehr klar, was bei einem Bau gefordert ist. Die Ausschreibungen gleichen einer Wunschliste, die darin enthaltenen Posten sind mehr oder weniger optional. Zudem werden bei der Wahl des Unternehmers kaum Referenzen eingeholt. Ich wage zu behaupten, dass kaum ein Bauherr sich die Fenster bei einem anderen Bauvorhaben ansieht und sich fragt, ob dieser Unternehmer überhaupt die Kompetenzen für das eigene Bauprojekt hat.

Was kann man tun, um möglichst viele Baumängel zu vermeiden?
Den Königsweg gibt es nicht, sondern nur viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Da ich selber Architekt und Planer bin, möchte ich ein Beispiel aus diesem Bereich nennen: Wir müssen wieder lernen und weitervermitteln, wie man korrekte Pläne zeichnet. Der Plan ist unser Kommunikationsmittel, mit dem wir den anderen Beteiligten mitteilen, wie wir uns einen Bau vorstellen. Wir haben festgestellt, dass an diesem Punkt viele Missverständnisse entstehen. Verständliche Pläne zu zeichnen, ist eine ernst zu nehmende Leistung, die auch entsprechend vermittelt werden muss.

Muss auch die ETH dies in der Ausbildung berücksichtigen?
Ja, wir müssen bei unsern Studierenden das konstruktive Gewissen stärken. Alle Professoren des Departements Architektur haben beschlossen, dass die konstruktive Kompetenz ein wesentlicher Baustein der Basisjahre sein muss.

Wie sind Sie dazu gekommen, aus Ihrer wissenschaftlichen Studie über die Mängel im Bauwesen ein Handbuch zusammenzustellen?
Zusammen mit dem Baumeisterverband haben wir entschieden, Ergebnisse aus der Doktorarbeit von Oliver Kriebus auf ein Handbuch herunterzubrechen und in praktische Ratschläge umzumünzen. Insbesondere Werner Messmer, Präsident des Schweizerischen Baumeisterverbands, hat das Projekt stark unterstützt. In der Branche haben alle längst erkannt, dass Baumängel ökonomisch ein wichtiger Faktor sind, das Verhältnis zu den Bauherren trüben und somit den Ruf des Baugewerbes schädigen.

«Biete nur Leistungen innerhalb deiner Fachkompetenz an»: Bei einigen Tipps im Handbuch staunt der Leser – sind solche Dinge nicht selbstverständlich?
Wir haben nichts Neues erfunden, aber wir machen so viele Gutachten an unserer Professur, dass wir ein genaues Bild davon haben, was tatsächlich auf dem Bau passiert. Eigentlich weiss jeder, was er zu tun hat, aber bei Mängeln wird die Verantwortungen hin und her geschoben. Ein Beispiel: Jeder Architekt weiss, dass er einen Vertrag haben sollte, bevor er mit der Planung anfängt. In Tat und Wahrheit arbeiten viele lange Zeit in vertragslosem Zustand.

Was erhoffen Sie sich vom Handbuch?
Acht Prozent der Ausgaben beim Bauen werden dazu verwendet, Mängel zu beheben. Wenn wir es schaffen, den Anteil auf sieben Prozent zu senken, dann hätten wir schon viel erreicht.

Buchvernissage

Am 9. Juli findet um 17.30 Uhr die Buchvernissage für das Handbuch «Mängel im Hochbau» im Hauptgebäude der ETH Zürich im Audimax (HG F 30) statt. Nach den beiden Inputreferaten von Werner Messmer, Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands, und von Professor Sacha Menz findet eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Experten auf dem Gebiet statt. Anmeldung zur Vernissage bitte unter: veranstaltungen@baumeister.ch

Sacha Menz, Oliver Kriebus: Mängel im Hochbau – Empfehlungen für Ausführende und Entscheidungsträger, SBV, 2013, ISBN: 978-3-9524170-0-3, Preis: 48.00 CHF

Das Buch ist ab dem 10. Juli beim SBV erhältlich.