Goodbye Herschel
Vor rund vier Jahren hat die ESA das riesige Observatorium Herschel ins Weltall geschossen, um mit verschiedenen hochempfindlichen Messinstrumenten Daten zu sammeln, die von der Erde aus nicht erhoben werden können. Jetzt geht Herschel das Kühlmittel aus und dem Observatorium droht das endgültige Aus. Der emeritierte Astronomie-Professor Arnold Benz, der am Herschel-Projekt beteiligt war, zieht für ETH Life Bilanz.
Es wird damit gerechnet, dass die Herschel-Mission
in wenigen Tagen zu Ende geht – warum?
Das
Herschel-Observatorium wurde mit rund 2300 Liter supraflüssigem Helium, also
Helium nahe beim absoluten Nullpunkt, ins All geschickt. Das flüssige Helium wird
im schwerelosen Zustand so herumgepumpt, dass es alle Elektronikkomponenten des
Teleskops erreicht – ohne diese Kühlung funktionieren die Detektoren nicht.
Herschel kann das Helium nicht selber produzieren und der Vorrat ist
aufgebraucht.
War nie geplant, Herschel länger zu
betreiben?
Es war sehr
teuer, ein so mächtiges Gerät 1,5 Millionen Kilometer ins All zu transportieren.
Das Gewicht spielt dabei eine wesentliche Rolle. Zudem ist Herschel technisch neuartiger
und komplexer als zum Beispiel das Hubble-Teleskop. Zum Teil wurden Komponenten
extra für Herschel entwickelt. Es bestand ein hohes Risiko, dass etwas misslingen
könnte. Also rechnete man mit einer Lebensdauer von drei Jahren und gab noch
etwas Helium zur Sicherheit dazu.
Was passiert jetzt mit dem Weltraumteleskop?
Zuerst werden
die Instrumente und der Empfang versagen. Wir werden den direkten Kontakt zu
Herschel verlieren. Das Observatorium wird sich langsam von der Erde entfernen
und dann wie ein kleiner Planet um die Sonne kreisen.
Hat Herschel Ihre Erwartungen erfüllt?
Voll und
ganz. Es gibt zwei Aspekte: ETH-Ingenieure haben die Verstärker fürs HIFI (Heterodyne
Instrument for the Far Infrared) entwickelt. Ohne diese Komponenten läuft das
ganze Instrument nicht und darauf sind wir stolz: Sie funktionieren auch nach
vier Jahren immer noch einwandfrei. Zudem haben wir wissenschaftlich enorm
profitiert, es sind an der ETH drei gute Dissertationen im Zusammenhang mit den
Herschel-Daten entstanden. In gut einem Jahr werden wir alle unsere Daten ausgewertet
haben und damit wird dieser Teil der Forschung an der ETH seinen Abschluss finden.
Beim Start der Mission 2009 sagten
Sie, man werde mit Herschel sicher einige Überraschungen erleben. Welche waren
das?
An der ETH haben
wir die Chemie in Sternentstehungsgebieten modelliert und versucht
vorauszusagen, welche Moleküle – vor allem ionisierte Moleküle wie H2O+
– da existieren. Erste Überraschung: Wir haben mit Herschel praktisch alles
gefunden, was wir vorausgesagt haben. Und wir haben neue und sehr viele
Moleküle entdeckt – viel mehr als wir je gedacht hatten. Zum zweiten:
Bei Herschel ist Wasser ein zentrales Thema, weil wir das vom Boden aus wegen
der Atmosphäre nicht beobachten können. Wir entdeckten, dass es in der
vorstellaren Phase, also bevor ein Stern entsteht, bereits Wasser gibt und
sogar ziemlich viel – das war eine echte Überraschung. Und dann ist
da noch die Geschichte mit dem molekularen Sauerstoff: O2 war viel
schwieriger nachzuweisen als vorausgesagt, aber wir fanden ihn im interstellaren
Raum. Wir wissen noch nicht genau wieso, aber der Sauerstoff scheint nicht frei
zu sein, sondern versteckt sich vielleicht in Silikaten des interstellaren Staubs.
Was kommt nach Herschel?
Die Japaner
haben zwar ein Folgeprojekt in petto, aber es ist noch unklar, ob und wann es
realisiert wird. Es wird vermutlich lange dauern, bis wir wieder eine
Gelegenheit bekommen, solche Daten im Weltall zu sammeln. Durch die Breite und
die Vollständigkeit über den ganzen Wellenlängenbereich sind die Herschel-Daten
sicher für viele Jahre einmalig.
Sind Sie traurig, dass die
Herschel-Mission jetzt zu Ende geht?
Ich selber
war beim Abschuss von Herschel dabei und habe die Hochs und Tiefs des Projekts seit
15 Jahren miterlebt. Man fiebert mit, ob alles klappt und da entsteht schon so
etwas wie eine Beziehung zum Teleskop. Zudem gab es eine intensive
Zusammenarbeit unter den Forschern, die mit Herschel arbeiteten. Aber es gibt
auch einen schönen Abschluss des bedeutenden Projekts: In rund einem Jahr
werden alle Daten öffentlich zugänglich sein und sicher auch weiter verwendet
werden. Das Herschel-Projekt war zwar teuer, aber bestimmt lohnend.
Zur Person
Arnold Benz war von 1993 bis 2010 Professor für Astronomie an der ETH Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind die dynamischen Vorgänge bei der Entstehung von Sternen und Planeten. Zusammen mit Kollegen vom Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenz war Arnold Benz für Teile des Heterodyne Instrument for the Far Infrared (HIFI) verantwortlich - eines der insgesamt drei Instrumente, mit denen Herschel bestückt ist. Mit HIFI konnten die Strahlungen im fernen Infrarot- und Submillimeterbereich gemessen werden.
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