Veröffentlicht: 19.03.13
Science

Goodbye Herschel

Vor rund vier Jahren hat die ESA das riesige Observatorium Herschel ins Weltall geschossen, um mit verschiedenen hochempfindlichen Messinstrumenten Daten zu sammeln, die von der Erde aus nicht erhoben werden können. Jetzt geht Herschel das Kühlmittel aus und dem Observatorium droht das endgültige Aus. Der emeritierte Astronomie-Professor Arnold Benz, der am Herschel-Projekt beteiligt war, zieht für ETH Life Bilanz.

Franziska Schmid
Prof. Arnold Benz begleitete das Herschel-Projekt während den letzten 15 Jahren. (Bild: Arnold Benz /ETH Zürich)
Prof. Arnold Benz begleitete das Herschel-Projekt während den letzten 15 Jahren. (Bild: Arnold Benz /ETH Zürich) (Grossbild)

Es wird damit gerechnet, dass die Herschel-Mission in wenigen Tagen zu Ende geht – warum?
Das Herschel-Observatorium wurde mit rund 2300 Liter supraflüssigem Helium, also Helium nahe beim absoluten Nullpunkt, ins All geschickt. Das flüssige Helium wird im schwerelosen Zustand so herumgepumpt, dass es alle Elektronikkomponenten des Teleskops erreicht – ohne diese Kühlung funktionieren die Detektoren nicht. Herschel kann das Helium nicht selber produzieren und der Vorrat ist aufgebraucht.

War nie geplant, Herschel länger zu betreiben?
Es war sehr teuer, ein so mächtiges Gerät 1,5 Millionen Kilometer ins All zu transportieren. Das Gewicht spielt dabei eine wesentliche Rolle. Zudem ist Herschel technisch neuartiger und komplexer als zum Beispiel das Hubble-Teleskop. Zum Teil wurden Komponenten extra für Herschel entwickelt. Es bestand ein hohes Risiko, dass etwas misslingen könnte. Also rechnete man mit einer Lebensdauer von drei Jahren und gab noch etwas Helium zur Sicherheit dazu.

Was passiert jetzt mit dem Weltraumteleskop?
Zuerst werden die Instrumente und der Empfang versagen. Wir werden den direkten Kontakt zu Herschel verlieren. Das Observatorium wird sich langsam von der Erde entfernen und dann wie ein kleiner Planet um die Sonne kreisen.

Hat Herschel Ihre Erwartungen erfüllt?
Voll und ganz. Es gibt zwei Aspekte: ETH-Ingenieure haben die Verstärker fürs HIFI (Heterodyne Instrument for the Far Infrared) entwickelt. Ohne diese Komponenten läuft das ganze Instrument nicht und darauf sind wir stolz: Sie funktionieren auch nach vier Jahren immer noch einwandfrei. Zudem haben wir wissenschaftlich enorm profitiert, es sind an der ETH drei gute Dissertationen im Zusammenhang mit den Herschel-Daten entstanden. In gut einem Jahr werden wir alle unsere Daten ausgewertet haben und damit wird dieser Teil der Forschung an der ETH seinen Abschluss finden.

Beim Start der Mission 2009 sagten Sie, man werde mit Herschel sicher einige Überraschungen erleben. Welche waren das?
An der ETH haben wir die Chemie in Sternentstehungsgebieten modelliert und versucht vorauszusagen, welche Moleküle – vor allem ionisierte Moleküle wie H2O+ – da existieren. Erste Überraschung: Wir haben mit Herschel praktisch alles gefunden, was wir vorausgesagt haben. Und wir haben neue und sehr viele Moleküle entdeckt – viel mehr als wir je gedacht hatten. Zum zweiten: Bei Herschel ist Wasser ein zentrales Thema, weil wir das vom Boden aus wegen der Atmosphäre nicht beobachten können. Wir entdeckten, dass es in der vorstellaren Phase, also bevor ein Stern entsteht, bereits Wasser gibt und sogar ziemlich viel – das war eine echte Überraschung. Und dann ist da noch die Geschichte mit dem molekularen Sauerstoff: O2 war viel schwieriger nachzuweisen als vorausgesagt, aber wir fanden ihn im interstellaren Raum. Wir wissen noch nicht genau wieso, aber der Sauerstoff scheint nicht frei zu sein, sondern versteckt sich vielleicht in Silikaten des interstellaren Staubs.

Was kommt nach Herschel?
Die Japaner haben zwar ein Folgeprojekt in petto, aber es ist noch unklar, ob und wann es realisiert wird. Es wird vermutlich lange dauern, bis wir wieder eine Gelegenheit bekommen, solche Daten im Weltall zu sammeln. Durch die Breite und die Vollständigkeit über den ganzen Wellenlängenbereich sind die Herschel-Daten sicher für viele Jahre einmalig.

Sind Sie traurig, dass die Herschel-Mission jetzt zu Ende geht?
Ich selber war beim Abschuss von Herschel dabei und habe die Hochs und Tiefs des Projekts seit 15 Jahren miterlebt. Man fiebert mit, ob alles klappt und da entsteht schon so etwas wie eine Beziehung zum Teleskop. Zudem gab es eine intensive Zusammenarbeit unter den Forschern, die mit Herschel arbeiteten. Aber es gibt auch einen schönen Abschluss des bedeutenden Projekts: In rund einem Jahr werden alle Daten öffentlich zugänglich sein und sicher auch weiter verwendet werden. Das Herschel-Projekt war zwar teuer, aber bestimmt lohnend.

Zur Person

Arnold Benz war von 1993 bis 2010 Professor für Astronomie an der ETH Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind die dynamischen Vorgänge bei der Entstehung von Sternen und Planeten. Zusammen mit Kollegen vom Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenz war Arnold Benz für Teile des Heterodyne Instrument for the Far Infrared (HIFI) verantwortlich - eines der insgesamt drei Instrumente, mit denen Herschel bestückt ist. Mit HIFI konnten die Strahlungen im fernen Infrarot- und Submillimeterbereich gemessen werden.