Veröffentlicht: 01.02.13
Campus

«Auftragsstudien werden nicht schubladisiert»

Mit seiner Studie zur Energiestrategie des Bundes hat sich ETH-Ökonom Peter Egger ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultiert. Im Interview mit ETH Life nimmt er Stellung und sagt, was seine Studie zu leisten vermag und was nicht.

Interview: Roman Klingler
Peter H. Egger ist seit 2009 Professor für angewandte Wirtschaftsforschung bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF) und Autor einer heiss diskutierten Studie. (Bild: Roman Klingler / ETH Zürich)
Peter H. Egger ist seit 2009 Professor für angewandte Wirtschaftsforschung bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF) und Autor einer heiss diskutierten Studie. (Bild: Roman Klingler / ETH Zürich) (Grossbild)

Seine Studie hat die vergangenen Tage viel zu reden gegeben. Im Auftrag der economiesuisse erstellt, hat KOF-Ökonom Peter Egger die volkswirtschaftlichen Auswirkungen verschiedener Massnahmen unter Berücksichtigung der aussenwirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz analysiert. Die KOF-Studie versteht sich als statische Analyse mit Datenmaterial aus dem Jahr 2000. Egger weist im Gespräch die Kritik an seiner Methode zurück und betont, dass sich seine Studie und eine frühere ETH-Studie mit dem Titel „Energiezukunft Schweiz“ aus dem Jahre 2011 nicht zu widersprechen brauchen.

Herr Egger, Sie müssen zurzeit als Autor der Studie, die economiesuisse diese Woche präsentiert hat, viel Kritik einstecken. Überrascht ob der geharnischten Reaktionen?

Ich bin nicht überrascht angesichts der Art und Weise, wie die Studie in den Medien aufgenommen wurde. Ich glaube, dass Leute, die die Studie lesen, weniger gereizt darauf reagieren.

Nun tönt die Hauptbotschaft von economiesuisse dramatisch: Um bis zu 25% könnte das Pro-Kopf-Einkommen einbrechen, wenn die Energiestrategie des Bundesrats bis 2050 umgesetzt würde. Wie reagieren Sie auf eine solche Zuspitzung?

Unsere Studie macht keine Aussagen zu den Plänen der Landesregierung. Es ist vielmehr eine statische Untersuchung über die Auswirkungen bestimmter Massnahmen. Unter anderem geht es um eine Besteuerung von CO2-Emissonen, die in Zukunft geplant ist, die wir aber in der Vergangenheit in ihren Effekten analysieren. Das Ziel war zu sehen, was die direkten ökonomischen Effekte gewisser Massnahmen sind.

Sie sagen, Ihre Studie ist statisch und basiert auf Daten aus dem Jahre 2000. Heute haben wir 2013 und interessieren tut uns die Zukunft. Worin liegt die Aussagekraft Ihrer Studie?

Unsere Modellrechnung ist eine gängige Methode in der Ökonomie. Unsere Studie rechnet mit Variablen von insgesamt 34 Ländern und macht Aussagen über das wichtige Zusammenspiel zwischen internationalen und nationalen Politikmassnahmen. Das ist meines Wissens in bisherigen Studien noch nicht untersucht worden. Zum andern zeigt sie, dass die volkswirtschaftlichen Kosten einer Steuerpolitik zur CO2-Reduktion relativ grösser sein könnten als die Kosten eines Ausstiegs aus der Nuklearenergie. Die Studie unternimmt statische Vergleiche isolierter Pakete von Massnahmen im In- und Ausland zu einem Zeitpunkt, für den das Modell kalibriert und geschätzt ist. Sie ist aber keine Prognose, wie sich solche Massnahmen in Zukunft auf das Volkseinkommen auswirken.

Aber das machte genau die economiesuisse daraus. Stört Sie das nicht, dass der Auftraggeber Aussagen aus der Studie herauspickt, die ihm opportun scheinen?

Ich wäre nicht einverstanden, wenn nur der Auftraggeber etwas rauspicken könnte aus der Studie. Die Studie steht allen interessierten Verbänden, Parteien und Organisationen zur Verfügung.

Hat economiesuisse den Auftrag an Bedingungen geknüpft?

Nein. Wir haben bei der KOF die Regelung, dass keine Auftragsstudien schubladisiert werden, sondern dass wir das Publikationsrecht haben. Auch in diesem Fall wollen wir die Ergebnisse der Studie noch in einem wissenschaftlichen Paper publizieren.

Eine frühere ETH-Studie zu den Auswirkungen eines Ausstiegs aus der Atomkraft kommt zum Schluss, dass ein solcher unter gewissen Bedingungen technologisch machbar und volkswirtschaftlich verkraftbar ist. Ein Widerspruch zur KOF-Studie?

Ich sehe keinen Widerspruch zwischen den beiden ETH-Studien. Während unsere Studie die Effekte statisch analysiert und als langfristige Effekte interpretiert, ist die Studie der Kollegen aus dem Energy Science Center dynamisch modelliert. Die Studien überlappen sich hinsichtlich der Methodik, des Untersuchungsgegenstandes, der untersuchten Politikinstrumente im In- und Ausland etc. relativ wenig. Dort, wo Überlappung besteht, kommen die beiden Studien – für mich überraschend – zu recht ähnlichen quantitativen Schlüssen. Beide Studien betonen die Bedeutung der regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen und die Wichtigkeit des technischen Fortschritts.

Aber genau diesen technischen Fortschritt klammert Ihre Studie aus. Einen solchen hat es in der Vergangenheit gegeben, es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein solcher in Zukunft ausbleibt…

Es ist für uns auch klar, dass technischer Fortschritt stattfinden wird. Nochmals: Die Studie macht überhaupt keine Aussage über die Zukunft, sondern sie gibt Informationen über die relative Grösse unterschiedlicher Massnahmen in Abhängigkeit davon, ob ein Land diese Massnahmen alleine einführt oder zusammen mit dem andern Ländern. Und das zu einem statischen Zeitpunkt. Das erlaubt den relativen Vergleich unterschiedlicher Massnahmen zueinander. Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie ist, dass Forschung und Innovation sehr gefordert sein werden, um die unerwünschten ökonomischen Effekte auszugleichen.

Grundsätze für Auftragsstudien

Sämtliche Forschungsvorhaben an der ETH Zürich müssen den rechtlichen und ethischen Standards entsprechen, denen die Hochschule verpflichtet ist, so etwa dem ETH-Gesetz oder den Richtlinien für Integrität in der Forschung und gute wissenschaftliche Praxis. Bei Forschungsprojekten, mit denen ETH-Forschende von Dritten beauftragt werden, gelangen spezifische interne Forschungsvertragsrichtlinien zur Anwendung. Auf deren Grundlage werden Forschungsverträge abgeschlossen, die Vorhaben mit Dritten regeln, bei denen meist der Dritte als Geldgeber auftritt oder diese Projekte anderweitig unterstützt. Wesentlich aus Sicht der ETH ist die Veröffentlichung der Resultate: Bei allen Forschungsverträgen mit Dritten muss die Publikation der Ergebnisse gewährleistet sein. Eine Veröffentlichung kann für die rechtzeitige Sicherung von Schutzrechten (z.B. Patentanmeldungen) aufgeschoben, aber nie ausgeschlossen werden.